Die Zurechtweisung des Konfuzius durch Lao-Tse

Konfuzius besuchte Lao-Tse und redete über Liebe und Pflicht.
Lao-Tse sprach: "Wenn man beim Kornworfeln Staub in die Augen bekommt, so drehen sich Himmel und Erde und alle Himmelsrichtungen im Kreis. Wenn einem Schnaken und Mücken in die Haut stechen, so kann man die ganze Nacht nicht schlafen. Dieses ewige Gerede von Liebe und Pflicht macht mich ganz verrückt. Wenn Ihr, mein Herr, die Welt nicht um ihre Einfalt brächtet, so könntet auch Ihr, mein Herr, Euch von dem Windhauch tragen lassen, der bläst, wo er will, und würdet Euren Platz finden im allgemeinen Leben. Wozu bedürft Ihr denn dieser Energie, die Euch dem Manne gleichmacht, der sich eine große Trommel umhängt und paukt, um seinen entlaufenen Sohn wiederzufinden? Die Schneegans braucht sich nicht täglich zu baden und ist dennoch weiß; der Rabe braucht sich nicht täglich zu schwärzen und ist doch schwarz. Über die Schlichtheit ihrer schwarzen und weißen Farbe lohnt es nicht zu disputieren. Die Betrachtungen von Name und Ruhm lohnt es sich nicht, wichtig zu nehmen .... "
Als Konfuzius von seinem Besuch bei Lao-Tse zurückgekommen war, unterhielt er sich drei Tage lang nicht mehr.
Da fragten ihn seine Schüler und sprachen: "Meister, Ihr habt den Lao-Tse besucht; auf welche Weise habt Ihr ihn zurechtgewiesen?"
Konfuzius sprach: "Ich habe diesmal wirklich einen Drachen gesehen. Wenn der Drache sich zusammenzieht, so hat er körperliche Gestalt; dehnt er sich aus, so wird er zum Luftgebilde; er fährt durch die Wolken und lebt von der lichten und dunklen Urkraft. Sprachlos stand ich mit offenem Mund daneben. Wie hätte ich es da anfangen sollen, den Lao-Tse zurechtzuweisen?"


(aus "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland" von Dschuang-Dse)
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