kabóle (f.), kaboleß (Pl..)
Aus dem hebräischen
kabalá "Überlieferung", von dem Verb "empfangen".
In
Amerika: kabole, cabala, kabbalah, kabbala, cabballah, caballa
1.
Die Kabbala.
2. Empfang. kabóleß-schábeß "Empfang
des Sabbat (am Freitagabend)".
3. Quittung, Empfangsschein.
Der Kabbalismus war eine mystische,
eng mit dem
Aberglauben
des Vor-Mittelalters verwobene Glaubensbewegung, ein schmaler, aber wichtiger
Nebenzweig des Denkens, ein ernstzunehmender, frommer Versuch, die Geheimnisse
Gottes und der Schöpfung zu erforschen. Ursprünglich war die Kabbala
nur die mündliche Überlieferung; erst im zwölften Jahrhundert
übernahmen jüdische Mystiker den Begriff, um auf diese Weise eine
ungebrochene Beziehung zwischen ihren Ideen und denen der biblischen Zeit herzustellen.
Die Kabbalisten behaupten, ihre Offenbarung
sei Bestandteil der Heiligen Schrift. Aber die rätselhaften Weissagungen,
der Buchstabenzauber, das Abrakadabra und die komplizierte Zahlenmystik (siehe
gematrije) der Kabbala blieben in einem Schattenreich, bis im achten Jahrhundert
in Italien das Sefer Jezira "Buch der Formung" erschien, dessen
Ursprünge bis ins 3.-6- Jahrhundert zurückgehen sollen.
Hauptwerk
der Kabbala ist das "Buch des Glanzes" Sefer ha-Sohar (siehe
dort), das im 14. Jahrhundert in Spanien auftauchte und nach der Vertreibung der
dortigen Juden im Jahre 1492 in ganz Europa bekannt wurde (Erstdrucke: Cremona
1559, Mantua 1558-60). Der große Humanist und Renaissancephilosoph Giovanni
Pico della Mirandola übersetzte den Sohar ins Lateinische. Eine wirklich
einflussreiche Bewegung wurde der Kabbalismus aber erst im siebzehnten Jahrhundert.
Die
Kabbalisten waren überzeugt, dass der bloße Verstand die mystischen
Erfahrungen nie durchdringen könne, die sie mit Gott machten. Um Gottes Willen
zu verstehen, bemühten sie esoterische Formeln, numerologische Tricks und
theologische Beschwörungen. Und viele kabbalistische Prophezeihungen sagten
die unmittelbar bevorstehende Ankunft des Messias und den Gerichtstag voraus.
Ängstliche und gläubige Gemüter fanden ihre Zuflucht bei einer
verwirrenden Fülle von selbsternannten Heiligen und Heilsbringern. Siehe
meschiech.
Gott war für die Kabbalisten En-Sof (der Unendliche).
Seine Existenz wurde sichtbar in den zehn sefirot oder Emanationen: Krone
(hebräisch keter), Weisheit (chochma), Intelligenz (bina),
Gnade oder Liebe (gedula, chesed), Gerechtigkeit oder Stärke
(gebura, dim), Schönheit oder Barmherzigkeit (tiferet,
rachamim), Festigkeit oder Sieg (nezach), Pracht (chod),
Fundament (jesod) und Königreich (malkut).
Manche Kabbalisten folgten dem Vorbild der christlichen Flagelanten und quälten
das Fleisch, andere setzten sich hochgesteckte Ziele im Bereich des
Fastens,
Büßens, Betens und Duldens, um sich auf diese Weise von Sünden
zu reinigen, den Geist zu erlösen und den schrecklichen Zugriff des Teufels
zu brechen. Die eigentlich christliche Variante der Kabbala entstand erst im
18. Jahrhundert und beeinflusste unter anderem
Helena Petrowna Blavatsky (geb.
von Hahn, 1831 Jekaterinoslaw - 1891 London), die zusammen mit H.S. Olcott im
Jahre 1875 in New York die Theosophische Gesellschaft gründete und eine
führende Rolle in der Welle von Okkultismus gespielt hat, die Amerika am
Ende des 19. Jahrhunderts heimsuchte.
Das neue
Zentrum der kabbalistischen Lehre war Safed in Galiläa, wo sich im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhundert eine größere Gemeinde von Mystikern um
Mose Cordovero versammelte. Zu seinen Schülern gehörte 1569/70 auch
Isaak Luria, ein Visionär, der als "Ari", der "Löwe",
bekannt war und behauptete, regelmäßig
mit
dem Propheten Elia zu sprechen. Luria sammelte einige leidenschaftliche
Anhänger um sich, die er geheime Namen Gottes lehrte, über die sie meditieren
sollten. Dazu gehörten geheimnisvolle Beschwörungsformeln, esoterische
Zeremonien, bedrohliche Rituale, komplizierte Zahlen- und Buichstabenspiele, mit
denen nahezu jede Interpretation von Tora-Texten und Prophetennamen möglich
erschien.
Angesichts der Lebensumstände, in denen die meisten Juden ihr Dasein fristeten,
ist es durchaus verständlich, warum diese mystischen, übernatürlichen
Lehren jahrhundertelang solche Anziehungskraft für sie hatten. Wenn man
die Armut, die Unterdrückung und den ständig drohenden Terror bedenkt,
erscheint die Hoffnung auf einen Messias verständlich, der vom Himmel herabstieg,
die Erlösung von den Schrecken des Galut (der gewaltsamen Verbannung
aus der Heimat) brachte und den Tag des Gerichts ankündigte. Worauf hätten
die Juden sonst hoffen sollen, als auf ein Wunder? Der Himmel
ist die letzte Hoffnung des Armen - und seine Belohnung zugleich.
Neuerdings hat die Beschäftigung
mit der Kabbala allerdings nichts mehr mit Armut zu tun, sondern ist für
Juden wie auch für Nichtjuden hochattraktiv. Ende der neunziger Jahre entdeckte
zum Beispiel das Pop-Idol Madonna die Faszination der Kabbala, und bei Amazon.com
werden unter dem Stichwort "Kabbala" Hunderte von Büchern angeboten.
In New York und Kalifornien gibt es zahllose kabbalistische Meditations-Zentren,
die sich großen Zulaufs erfreuen. Auch ernsthafte Gelehrte wie Gershom Scholem
(1897-1982), der an der Hebräischen Universität jüdische Mystik
lehrte, haben zur Anerkennung der Kabbala wesentlich beigetragen. Sein Hauptwerk
Die jüdische Mystik (1941, dt. 1957) ist nach wie vor die umfassendste
Arbeit auf diesem Gebiet.
Im religiösen Leben der Juden ist das kabbalistische
Konzept des tikkun olam, des (Wieder-)Zusammenfügens der Welt, in den Rang
eines Gebots aufgestiegen. Es beruht auf der
Legende,
dass Gott bei seinem ersten Versuch, die Welt zu erschaffen,
gescheitert sei und dabei Splitter des Heiligen in der Welt verstreut wurden,
die jetzt durch menschliches Bemühen wieder zusammengefügt werden müssen.
In der Praxis ist das tikkun olam eine Aufforderung zu sozialem Handeln
und gesellschaftlichem Engagement.
Die Kabbala hat aber auch noch andere Bereiche
der jüdischen Tradition neu belebt. Der Brauch des Omer-Zählens
zwischen Pessach und Schawuot ist durch die kabbalistische Lehre der zehn Sefirot
erweitert worden. Den Emanationen des Göttlichen werden dabei spezifische
Farben, Gefühle und andere psychologische Aspekte zugeordnet. Auch die freudige
Begüßung der "Sabbat-Brau" (Kabbalat Schabbat) mit dem Lied
Lecha Dodi, die am Freitagabend in vielen Gemeinden üblich ist, geht
auf die Kabbalisten zurück.
Siehe auch gematrije und ß`fire.
aus dem Buch von Leo Rosten: "Jiddisch.
Eine kleine Enzyklopädie"
dtv 2002
Siehe außerdem:
Papus: "Die Kabbala"
zur
Rezension ...
-
Einführung in die jüdische Geheimlehre in der Übersetzung
von Prof. Julius Nestler
Geert Kimpen: "Der Kabbalist" zur
Rezension ...
Die Geschichte von Chaim Vitals Suche nach den
Geheimnissen der Schöpfung