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„Bürger Roms!“ begann Celionati nun
emphatisch, „Bürger Roms! jauchzt, jubelt, werft
Mützen, Hüte, oder was ihr sonst eben auf dem Kopfe
tragen möget, hoch in die Höhe! Euch ist
großes Heil widerfahren; denn eingezogen in eure Mauern ist
die weltberühmte Prinzessin Brambilla aus dem fernen
Äthiopien, ein Wunder an Schönheit und dabei so reich
an unermeßlichen Schätzen, daß sie ohne
Beschwerde den ganzen Korso pflastern lassen könnte mit den
herrlichsten Diamanten und Brillanten - und wer weiß was sie
tut zu eurer Freude! - Ich weiß es, unter euch befinden sich
gar viele, die keine Esel sind, sondern bewandert in der Geschichte.
Die werden wissen, daß die durchlauchtigste Prinzessin
Brambilla eine Urenkelin ist des weisen Königs Cophetua, der Troja erbaut hat und
daß ihr Großonkel der große
König von Serendippo, ein freundlicher Herr, hier vor S. Carlo
unter euch, ihr lieben Kinder, sich oft in
Makkaroni
übernahm! - Füge ich noch hinzu, daß
niemand anders die hohe Dame Brambilla aus der Taufe gehoben, als die
Königin der Tarocke, Tartagliona mit Namen, und daß
Pulcinella sie das Lautenspiel gelehrt, so wißt ihr genug, um
außer euch zu geraten - tut es, Leute! - Vermöge
meiner geheimen Wissenschaften, der weißen, schwarzen, gelben
und blauen Magie, weiß ich, daß sie gekommen ist,
weil sie glaubt, unter den Masken des Korso ihren Herzensfreund und
Bräutigam, den assyrischen Prinzen Cornelio Chiapperi
aufzufinden, der Äthiopien verließ, um sich hier in
Rom einen Backzahn ausreißen zu lassen, welches ich
glücklich vollbrachte! - Seht ihn hier vor Augen!“ -
Celionati öffnete ein kleines goldnes Schächtelchen,
holte einen sehr weißen langen spitzen Zahn heraus und hielt ihn hoch
in die Höhe. Das Volk schrie laut auf vor Freude und
Entzücken und kaufte begierig die Modelle des prinzlichen
Zahns, die der Ciarlatano nun feilbot. „Seht“, fuhr
Celionati dann fort, „seht, ihr Guten, nachdem der assyrische
Prinz Cornelio Chiapperi die Operation mit Standhaftigkeit und Sanftmut
ausgehalten, kam er sich selbst, er wußte nicht wie,
abhanden. - Sucht, Leute, sucht, Leute, den assyrischen Prinzen
Cornelio Chiapperi, sucht ihn in euern Stuben, Kammern,
Küchen, Kellern, Schränken und Schubladen! - Wer ihn
findet und der Prinzessin Brambilla unversehrt wiederbringt,
erhält ein Fundgeld von fünfmal hunderttausend
Dukaten. So viel hat Prinzessin Brambilla auf seinen Kopf gesetzt, den
angenehmen, nicht geringen Inhalt an Verstand und Witz ungerechnet. -
Sucht, Leute, sucht! - Aber vermöget ihr den assyrischen
Prinzen, Cornelio Chiapperi, zu entdecken, wenn er euch auch vor der
Nase steht? - Ja! - vermöget ihr die durchlauchtigste
Prinzessin zu erschauen, wenn sie auch dicht vor euch wandelt? - Nein,
das vermöget ihr nicht, wenn ihr euch nicht der Brillen
bedient, die der weise indische Magier Ruffiamonte selbst geschliffen;
und damit will ich euch aus purer Nächstenliebe und
Barmherzigkeit aufwarten, insofern ihr die
Paoli nicht achtet -“ Und damit
öffnete der Ciarlatano eine Kiste und brachte eine Menge
unmäßig großer Brillen zum Vorschein.
Hatte das Volk sich schon um die prinzlichen Backzähne gar arg
gezankt, so geschah es nun noch viel ärger um die Brillen. Vom
Zanken kam es zum Stoßen und Schlagen, bis zuletzt, nach
italischer Art und Weise, die Messer blinkten, so daß die
Sbirren abermals ins Mittel treten und das Volk, wie erst vor dem
Palast Pistoja, auseinandertreiben mußten.
Während sich dies alles begab, stand Giglio Fava, in tiefe
Träume versunken, noch immer vor dem Palast Pistoja und
starrte die Mauern an, die den seltsamsten aller Maskenzüge,
und zwar auf ganz unerklärliche Weise, verschlungen. Wunderbar
wollt es ihm gemuten, daß er eines gewissen unheimlichen und
dabei doch süßen Gefühls, das sich seines
Innern ganz und gar bemeistert, nicht Herr werden konnte; noch
wunderbarer, daß er willkürlich den Traum von der
Prinzessin, die, dem Blitz des Feuergewehrs entfunkelt, sich ihm in die
Arme warf, mit dem abenteuerlichen Zuge in Verbindung setzte, ja
daß eine Ahndung in ihm aufging, in der Kutsche mit den
Spiegelfenstern habe eben niemand anders gesessen, als sein Traumbild.
- Ein sanfter Schlag auf die Schulter weckte ihn aus seinen
Träumereien; der Ciarlatano stand vor ihm.
„Ei“, begann Celionati, „ei, mein guter
Giglio, Ihr habt nicht wohl getan, mich zu verlassen, mir keinen
prinzlichen Backzahn, keine
magische Brille
abzukaufen -“ „Geht doch“, erwiderte
Giglio, „geht doch mit Euern Kinderpossen, mit dem
wahnsinnigen Zeuge, das Ihr dem Volke aufschwatzt, um Euren
nichtswürdigen Kram loszuwerden!“ -
„Hoho“, sprach Celionati weiter, „tut nur
nicht so stolz, mein junger Herr! Ich wollte, Ihr hättet aus
meinem Kram, den nichtswürdig zu nennen Euch beliebt, manch
treffliches Arkanum, vorzüglich aber denjenigen Talisman, der
Euch die Kraft verliehe, ein vortrefflicher, guter, oder wenigstens
leidlicher Schauspieler zu sein, da es Euch nun wieder beliebt, zur
Zeit gar erbärmlich zu tragieren!“
„Was?“ rief Giglio ganz erbost, „was?
Signor Celionati, Ihr untersteht Euch, mich für einen
erbärmlichen Schauspieler
zu halten? mich, der ich der Abgott Roms bin?“ „Püppchen!“
erwiderte Celionati sehr ruhig, „Püppchen, das
bildet Ihr Euch nur ein; es ist kein wahres Wort daran. Ist Euch aber
auch manchmal ein besonderer Geist aufgegangen, der Euch manche Rolle
gelingen ließ, so werdet Ihr das bißchen Beifall,
oder Ruhm, das Ihr dadurch gewannt, heute unwiederbringlich verlieren.
Denn seht. Ihr habt Euern Prinzen ganz und gar vergessen, und, steht
vielleicht sein Bildnis noch in Euerm Innern, so ist es farblos, stumm
und starr geworden, und Ihr vermöget nicht, es ins Leben zu
rufen. Euer ganzer Sinn ist erfüllt von einem seltsamen
Traumbild, von dem Ihr nun meint, es sei in der Glaskutsche dort in den
Palast Pistoja hineingefahren. - Merkt Ihr, daß ich Euer
Inneres durchschaue?“ -
Giglio schlug errötend dieAugen nieder. „Signor
Celionati“, murmelte er, „Ihr seid in der Tat ein
sehr seltsamer Mensch. Es müssen Euch Wunderkräfte zu
Gebote stehen, die Euch meine geheimsten Gedanken erraten lassen - Und
dann wieder Euer närrisches Tun und Treiben vor dem Volk - Ich
kann das nicht zusammenreimen - doch - gebt mir eine von Euern
großen Brillen!“-
Celionati lachte laut auf. „So“, rief er,
„so seid ihr nun alle, ihr Leute! Lauft ihr umher mit hellem
Kopf und gesundem Magen, so glaubt ihr an nichts, als was ihr mit euern
Händen fassen könnt; packt euch aber geistige, oder
leibliche Indigestion, so greift ihr begierig nach allem, was man euch
darbietet. Hoho! (....)
(aus "Prinzessin Brambilla" von E.T.A. Hoffmann)