(...) Ich fragte: »Wie
wird aber Teutschland bei so unterschiedlichen Religionen ein so langwierigen
Frieden haben können? Werden so unterschiedliche Pfaffen
nicht die Ihrigen hetzen und wegen ihres Glaubens wiederum einen Krieg
anspinnen?«
»O nein!« sagt' Jupiter, »mein Held wird dieser Sorg weislich vorkommen und
vor allen Dingen alle christliche Religionen in der ganzen Welt miteinander
vereinigen.«
Ich sagte: »O Wunder, das wäre ein groß Werk! wie müßte das zugehen?«
Jupiter antwortet': »Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem mein
Held den Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft, wird er die geist- und
weltlichen Vorsteher und Häupter der christlichen Völker und unterschiedlichen
Kirchen mit einem sehr beweglichen Sermon anreden und ihnen die bisherigen hochschädlichen
Spaltungen in den Glaubenssachen trefflich zu Gemüt fahren, sie auch durch hochvernünftige
Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahin bringen, daß sie von sich selbst
eine allgemeine Vereinigung wünschen und ihm das ganze Werk seiner hohen Vernunft
nach zu dirigiern übergeben werden: alsdann wird er die allergeistreichsten,
gelehrtesten und frömmigsten Theologos von allen Orten und Enden her aus allen
Religionen zusammenbringen und ihnen einen Ort,
wie vor diesem Ptolemäus Philadelphus den zweiundsiebzig Dolmetschen getan,
in einer lustigen doch stillen Gegend, da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen
kann, zurichten lassen, sie daselbst mit Speis und Trank, auch aller anderen
Notwendigkeit versehen und ihnen auflegen, daß sie so bald immer möglich und
jedoch mit der allerreifsten und fleißigsten Wohlerwägung die Strittigkeiten,
so sich zwischen ihren Religionen enthalten, erstlich beilegen und nachgehends
mit rechter Einhelligkeit die rechte, wahre, heilige und christliche Religion
der Hl. Schrift, der uralten Tradition und der probierten Hl. Väter Meinung
gemäß schriftlich verfassen sollen: Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig
hintern Ohren kratzen, weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen
wird, ja er wird allerlei Fünd und List erdenken, ein Que darein zu machen,
und die Sach wo nicht gar zu hintertreiben, jedoch solche ad infinitum oder
indefinitum zu bringen sich gewaltig bemühen; er wird sich unterstehen, einem
jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand, sein geruhig Leben,
sein Weib und Kind, sein Ansehen und je so etwas, das ihm seine Opinion zu behaupten
einraten möchte, vorzumalen: Aber mein tapferer Held, wird auch nicht feiren,
er wird, so lang dieses Concilium währet, in der ganzen Christenheit alle Glocken
läuten und damit das christlich Volk zum Gebet an das höchste Numen ohnablässig
anmahnen und um Sendung des Geistes der Wahrheit bitten lassen: Wenn er aber
merken würde, daß sich einer oder ander von Plutone einnehmen läßt, so wird
er die ganze Kongregation wie in einer Konklave mit
Hunger quälen, und wenn sie noch nicht dran wollen, ein so hohes
Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Henken predigen oder ihnen sein
wunderbarlich Schwert weisen, und sie also erstlich mit Güte, endlich mit Ernst
und Bedrohungen dahin bringen, daß sie ad rem schreiten und mit ihren halsstarrigen
falschen Meinungen die Welt nicht mehr wie vor alters foppen: Nach erlangter
Einigkeit wird er ein groß Jubelfest anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte
Religion publizieren, und welcher alsdann dawider glaubt, den wird er mit Schwefel
und Pech martyrisieren oder einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem
Plutone zum Neuen Jahr schenken. Jetzt weißt du, lieber Ganymede, alles was
du zu wissen begehrt hast, nun sage mir aber auch, was die Ursach ist, daß du
den Himmel verlassen, in welchem du mir so manchen Trunk Nektar eingeschenkt
hast?«
(...)
(aus dem "Simplicissimus"
von Grimmelshausen)
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