Jan Zweyer: "Franzosenliebchen"
Historischer Kriminalroman
Nach
dem Ersten Weltkrieg musste Deutschland für seinen Anteil am
Krieg in verschiedenster Art und Weise geradestehen. Die Franzosen
haben Armeeeinheiten in das Ruhrgebiet und das Rheinland geschickt, um
dort die Reparation zu überwachen und auch sicherzustellen,
dass die Deutschen nicht wieder eine neue Kriegsmaschinerie aufbauen.
Im Jahr 1923 sind sie fest etabliert und kontrollieren alle offiziellen
Bereiche des besetzten Gebietes.
Die Regierung in Berlin hat die Bevölkerung in diesen Gebieten
zum passiven Widerstand aufgefordert, und verschiedene politische und
ideologische Gruppierungen haben sich der Organisation dieses
Widerstandes angenommen. Sie machen nicht nur den Franzosen das Leben
schwer, sondern auch möglichen Kollaborateuren, die mit den
Franzosen ertragreiche Geschäfte machen. Was allerdings auch
einen gewissen Zwiespalt erzeugt, denn die galoppierende Inflation
macht das Überleben vieler Geschäfte fraglich, und so
müssen sich Firmen- und Bankchefs ihre potenzielle Klientel
suchen, wo sie nur können - und dies nach Möglichkeit
geheimhalten. Gleichzeitig ist der Anteil an heiratsfähigen
Männern infolge des Krieges und seiner Folgen in Deutschland
stark zurückgegangen, so dass die französischen
Soldaten auch auf andere Art und Weise eine Gefahr darstellen. Frauen,
die als sogenannte "Franzosenliebchen" auffallen, müssen damit
rechnen von "Scherenmännern" überfallen und bis auf
die Kopfhaut geschoren zu werden, damit ihnen jeder ihre
"Sünden" ansieht.
Als eine junge Frau im Raum Herne erwürgt in einer Ruine
aufgefunden wird, vor der ein Koppel einer französischen
Uniform liegt, gehen die deutschen Behörden von einem
Verbrechen durch französische Armeeangehörige aus.
Sie können dies aber nicht weiter verfolgen, da die Franzosen
alle Beweismittel und die Ermittlungen sofort an sich reißen
und wenig später zwei verdächtige
Soldaten in einem
Eilverfahren freisprechen. Ein Vorgehen, das die ansässige
Bevölkerung genauso verärgert, wie die deutschen
Stellen in Berlin.
Von dort aus wird ein junger, ambitionierter Beamter mit falschen
Papieren ins Ruhrgebiet eingeschleust, um die wahren
Hintergründe des Todes des Mädchens aufzudecken. Doch
nicht nur die Franzosen sind gegen eine weitere Untersuchung dieses
Falles, und Berlin erhofft sich ein ganz eindeutig gegen die Franzosen
weisendes Ergebnis der Untersuchungen, das der wahrheitsliebende Beamte
aber nicht so ohne Weiteres finden kann.
In einer dichten und komplexen Erzählung zeigt Jan Zweyer das
Leben in dem besetzten Gebiet der Weimarer Republik in
unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. Dabei wird das
Erstarken diverser später bedeutender
politischer
Strömungen genauso thematisiert, wie die Diskrepanz zwischen
offizieller und inoffizieller Wahrheitsliebe. Die im Mittelpunkt der
Handlung stehenden Charaktere sind glaubwürdig gezeichnet und
ermöglichen bei den parallel laufenden und sich
überkreuzenden Handlungssträngen eine gute
Orientierung.
"Franzosenliebchen" - eine etwas andere, überaus unterhaltsame
Geschichtsstunde.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 12/2007)
Jan
Zweyer: "Franzosenliebchen"
Grafit Verlag, 2007. 348 Seiten.
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Jan Zweyer wurde am 12. Dezember 1953 in Sachsenhausen geboren. Lien zur Netzseite des Autors: https://www.jan-zweyer.de/.