Giuseppe Zigaina: "In die Lagune"

Erzählungen


Giuseppe Zigaina - ein Maler in Wort und Farbe

In Cervignano wurde der Maler und Essayist Giuseppe Zigaina 1924 geboren, heute lebt er im nahen Aquileia und zählt zu den bedeutsamsten zeitgenössischen Künstlern Italiens. Nahezu sein ganzes Leben verbrachte er in der Lagunenlandschaft des südlichen Friaul, im Hinterland von Grado, wo das Land nicht fest ist und das Meer nicht weit.

Die Erzählungen sind Schilderungen aus dem eigenen Leben, von Schiffswallfahrten durch die Lagune von Grado, nächtlichen Ausflügen mit dem Fahrrad, einer Zugsreise zu einem Gerichtsprozess und zahlreichen Bootsfahrten. Die Ziele der Reisen und Fahrten verblassen angesichts detailreicher Beschreibungen von Sinneseindrücken zwischen Abfahrt und Ankommen, die Anschauung ist das Geschehen. Manchmal bricht die Handlung nach bildreichen Schilderungen plötzlich ab: Zigaina ist am Ziel der Erzählreise, überlässt den Lesern seine eigenen Impressionen und Fantasien und übergibt ihnen so Mittel und Auftrag, die Erzählung in Gedanken fortzusetzen.

Sich durch die Provinz bewegen, ist Thema aller vierzehn Erzählungen, meist handeln sie auch vom Ausgeliefertsein in einer beseelten Natur. Bootsfahrten enden oft in der Nacht oder an Feiertagen in Pannen, und die gewonnene Stille verhilft zu neuen Perspektiven und Sinneseindrücken vom Wasser der Lagune oder des Meeres, von Sternbildern und Landschaften. Diese Impressionen ersetzen Erinnerungen, sind Kommunikation und füllen das Gedächtnis wie der Pinselstrich das Papier:

In der Lagune wird fast nicht gesprochen. Kurz bevor es Abend wird, liegt etwas in der Luft, das einen ebenfalls einlädt zu lauschen, nicht zuletzt deshalb, weil man beim Schlingern des Bootes unglaublicherweise in die Vergangenheit zurückkehrt. Aber diese Rückkehr (die auch ein inneres Lauschen ist), ist praktisch nicht zu beschreiben. Sie ist ein Nichts. Eine zu füllende Leere [...] Der Rest sind undeutliche Erinnerungen an die ersten Tage des Lebens. (Seite 99)

Die tiefe und langjährige Freundschaft zu Pier Paolo Pasolini und zu "la divina", Maria Callas, prägt jene wenigen Erzählungen, die nicht die Natur ins Zentrum des Empfindens stellen. Sie sind anders, von Dialogen durchzogen und mit Pasolinis Texten vermengt; und wirken doch ganz ähnlich in ihrer staunenden Gefasstheit und in der Unerschütterlichkeit der menschlichen Beziehung. Sie sind eine Fortsetzung des Naturerlebens, erklären Freundschaft zur natürlichen, unumgänglichen Ordnung.

Giuseppe Zigainas Buch macht Lust aufs Schauen, aufs Innehalten und Genießen; Schade ist nur, dass der Umschlag kein Werk des malenden Autors zeigt.

(Wolfgang Moser; 11/2006)


Giuseppe Zigaina: "In die Lagune"
Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl.
Folio Verlag, 2006. 169 Seiten.
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Giuseppe Zigaina, 1924 in Cervignano del Friuli geboren, ist einer der bedeutendsten bildenden Künstler Italiens. Seine Arbeiten hängen in vielen Museen der Welt; Teilnehmer der Biennale von Venedig 1956/60/66/82. Freundschaft mit Pier Paolo Pasolini und Mitarbeit u. a. an den Filmen "Teorema", "Decameron", "Medea". Sein essayistisches Werk widmet sich der Dechiffrierung des Todes von Pasolini als "Gesamtkunstwerk". Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. "Pasolini und der Tod" (dt. 1989), "Hostia. Trilogia della morte di Pasolini" (1995).