Felix R. Paturi: "Die letzten Rätsel der Wissenschaft"


Populärwissenschaftliche Lektüre mit überraschendem Tiefgang

Der Titel klingt ein bisschen nach "Terra X", sprich, nach für ein breites Publikum aufbereiteten Themen auf wissenschaftlicher Basis mit mystisch angehauchter Aura. Doch schon im Vorwort entkräftet der Autor derartige Erwartungen. Er hat mehr vor, denn die von ihm präsentierten, kontrovers diskutierten Rätsel aus den verschiedensten Wissenschaftszweigen haben die Wissenschaftler der jeweiligen Disziplin (und anderer Fakultäten), zuweilen auch die Öffentlichkeit intensiv beschäftigt. Paturi, selbst Physiker, möchte nicht nur die Möglichkeiten und vor allem Grenzen antiker und moderner Wissenschaft aufzeigen, sondern auch einen Eindruck von wissenschaftlicher Arbeitsweise und Argumentation vermitteln und Verständnis für Forscher wecken, die unter Umständen Jahrzehnte ihres Lebens einer auf den ersten Blick unbedeutenden Fragestellung widmen - häufig, ohne am Ende Heureka! rufen zu können.

Worum geht es im Einzelnen? Einen Überblick vermitteln die Titel der übergeordneten Abschnitte:

Wer glaubt, dass der Urknall als Ausgangspunkt des Universums feststeht und dass mit Einsteins Relativitätstheorie alle Phänomene um Raum und Zeit geklärt werden können, irrt. Auch die Quantentheorie zur Erklärung der Vorgänge im subatomaren Bereich wirft in einigen Zusammenhängen mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Es gibt aber auch viele logisch nicht recht erklärbare Phänomene, die sowohl von Naturwissenschaftlern als auch von Philosophen untersucht werden, zum Beispiel das "Erinnerungsvermögen" von Wasser - je nach Vorbehandlung verhält es sich in bestimmten Situationen unterschiedlich, obwohl sich an seiner Zusammensetzung nichts geändert hat. Hier können sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen ergänzen und befruchten.
Es gibt plausible Erklärungsansätze für das Rätsel um das Bermuda-Dreieck, während die kultischen Kristallschädel der Maya aus technischer Sicht gar nicht existieren dürften. Die gegenwärtige Klimadiskussion orientiert sich kaum an wissenschaftlich beweisbaren Fakten und wird weniger von kompetenten, unabhängigen Naturwissenschaftlern (z.B. Meteorologen) als von Regierungsbeamten, Juristen und Volkswirten bestritten (was sich nachweisen lässt). Das Klima ist derart multikausalen Ursprungs, dass es sich beim derzeitigen Stand der Technik gar nicht voraussagen und modellieren lässt.
Möglicherweise wird man eines Tages die Frage beantworten, wie Mikroorganismen unterirdisch in Steinen oder in kochender Säure leben können. Das Problem, was Leben nun eigentlich ist und worin der Sinn des Lebens besteht, gehen Philosophen und Naturwissenschaftler unterschiedlich an; eine schlüssige Lösung werden sie wohl nicht finden. Früher von ihnen belächelten Bereichen wie Homöopathie und Geistheilern sowie Biokommunikation (Kommunikation zwischen Pflanzen oder auch Menschen und Pflanzen) stehen Naturwissenschaftler zunehmend offener gegenüber, weil viele Effekte nachweisbar, wenn auch derzeit unerklärlich sind.
So weit ein kurzer Abriss einiger Themen aus dem überwiegend naturwissenschaftlichen Sektor - aber auch die religiösen und philosophischen Themen sind spannend und von widersprüchlichen Thesen geprägt. Paturi untersucht unterschiedliche Gottesbeweise auf ihre logische Stichhaltigkeit, ebenso Interpretationen der Theodizee ("Wie kann Gott Leid zulassen?"), das Dilemma des Gewissens, den "freien Willen" sowie wissenschaftliche Überprüfungen von Wundern und Gotteserscheinungen.
Die mathematischen Rätsel wiederum stammen aus vielen Jahrhunderten - unter ihnen sind die berühmten "Milleniumsprobleme", auf deren Lösung eine Million Dollar ausgesetzt wurde; manche haben mit den Primzahlen zu tun oder mit einer Zahlenfolge, deren Ausgang sich nicht absehen lässt, und das letzte ist das Demokratie-Paradoxon, das die Unmöglichkeit des Bestehens einer echten Demokratie enthält.

Damit und auch ein bisschen unverhofft - und natürlich mit einem Fragezeichen - endet dieses mit Überraschungen gespickte Buch. Es ist nicht nur der weit gespannte, kühne Themenbogen, der den Leser auf eine verblüffende intellektuelle Reise entführt, sondern vor allem die an Fakten und Meinungen reiche, nach Möglichkeit objektive Argumentation. Und eine solche ist bei derart kontrovers geführten Diskussionen ein schwieriges Unterfangen. Paturi hält sich an die Regel, dass alle Überzeugungen gerechtfertigt sind, die eine nachvollziehbare Grundlage haben - entweder konkrete Ergebnisse wie bei manchen Geistheilern oder eine logische Begründung, oder beides. Praktisch alles andere tut er als Humbug ab und liegt damit sicher nicht falsch.

Geschichtliche Abrisse zeigen, dass die Menschheit schon vor Jahrhunderten und -tausenden von vielen der diskutierten Fragen bewegt wurde, und auch heute stimmen diese Gedankengänge nachdenklich und fordern eine eingehende Betrachtung; das Buch, das man vielleicht zunächst als scheinbar nur unterhaltsame populärwissenschaftliche Lektüre angesehen hat, besitzt sehr viel Tiefgang!
Der Leser benötigt keine Vorkenntnisse. Durch das tiefe Eintauchen in zum Teil wenig vertraute Wissenschaftszweige wird der Leser intellektuell und emotional gefordert, denn zum einen muss er sich ausdauernd auf logisches Denken einlassen, zum anderen hinterfragt der Autor mit der unbestechlichen Logik des Naturwissenschaftlers als selbstverständlich Hingenommenes und führt es häufig ad absurdum. Mit klaren Worten und "unbequemen" (weil gegebenenfalls Umdenken erfordernden), aber nachweislich richtigen Argumenten begegnet er Vorurteilen, Fehlinformationen und Panikmache durch Massenmedien, Lobbyisten, Populisten und Fanatiker aller Art. Im Vordergrund steht immer die Beweisbarkeit oder Nichtbeweisbarkeit einer Ansicht und eine abschließende Abwägung beider Aspekte. Bei den wesentlichen Fragestellungen läuft dies natürlich auf ein Patt hinaus - es geht ja um Rätsel.
Die Faszination und das Interesse des Autors für die Grenzen des wissenschaftlich Erfassbaren sind in jedem Abschnitt spürbar und stecken regelrecht an, ebenso der Respekt vor den jeweiligen Gegenständen der Betrachtung (etwa das Universum, das Phänomen Leben oder auch die Existenz/Nichtexistenz eines Gottes) und vor Vertretern gegenteiliger Positionen, es sei denn, es handelt sich um klar erkennbaren Unfug.

Sehr positiv fallen übrigens auch die reichhaltige Literaturliste im Anhang und das gründliche Register auf.

Insgesamt ist dieses Buch eine ausgesprochen lohnende Investition für Menschen, die voller Neugier Grenzen ausloten und ihren Horizont um einige verblüffende Erkenntnisse erweitern möchten, ob sie nun bisher Bezug zur Wissenschaft hatten oder nicht.

(Regina Károlyi; 08/2005)


Felix R. Paturi: "Die letzten Rätsel der Wissenschaft"
Eichborn, 2005. 352 Seiten.
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Felix R. Paturi, geboren 1941, ist Physiker und Autor zahlreicher wissenschaftsgeschichtlicher Publikationen und Verkaufsschlager.
Er lehrt seit vielen Jahren Schamanismus im Rahmen des von ihm gegründeten Schamanenforums. Seine zahlreichen Reisen führten ihn u.a. zu den Stammesvölkern der Tarahumara, Lakandonen, Tuareg und anderen Berber-Ethnien, Haussa, Woluf, Turkana, Massai, Ovahimba, Kaschkai, Toda und Maori, wo er Erfahrungen auf dem Gebiet des Schamanismus sammelte. Felix R. Paturi ist freier Wissenschaftspublizist und verfügt über Ausbildungen als Diplom-Ingenieur, Psychologe und Heilpraktiker. Er lebt in der Nähe von Frankfurt / Main.

Weitere Bücher des Autors:

"Die großen Rätsel der Vorzeit. Legendäre Völker, versunkene Reiche, magische Symbole"

Ein atemberaubender Einblick in die letzten Geheimnisse früher Kulturen.
Unbekannte Völker, untergegangene Reiche, monumentale Steinbauten und heilige Symbole: Felix R. Paturi auf den Spuren der letzten großen ungelösten Rätsel aus der Vor- und Frühgeschichte der Menschheit. Gab es das legendäre Reich der Königin von Saba wirklich, wie jüngste Grabungen im Jemen vermuten lassen? Wer schuf die monumentalen Megalithen in England und der Bretagne? Sind die Unterwasserpyramiden vor Japan versunkene Bauwerke alter Kulturen? Was bedeuten die noch nicht entzifferten Schriften von Harappa im Industal? Liefern die Menhire auf Korsika einen Schlüssel zum Rätsel der Seevölker? Diese und andere Fragen bewegen die Wissenschaftler bis heute. Unterhaltsam und leicht verständlich schildert Felix R. Paturi 36 große ungelöste Rätsel aus der Vor- und Frühgeschichte des Menschen. Ob spektakuläre Pyramidenbauten in China, die Suche nach dem Grab des Gilgamesch am Euphrat oder die Röntgenbilder aus der Steinzeit - Paturi macht Geschichte lebendig und Wissenschaft anschaulich. Und er zeigt, wo Archäologen, Geologen, Prähistoriker und Naturwissenschaftler bei ihren Forschungen an die Grenzen des Wissens stoßen. (Eichborn)
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"Heilbuch der Schamanen. Mit Trommelrhythmen und Naturweisheiten das Bewusstsein verändern und das Wissen der Schamanen nutzen"
Schamanen werden seit jeher von den Naturvölkern als Heiler verehrt. Die Techniken der Schamanen sind aber auch von uns erlernbar: Die auf das Bewusstsein erweiternd wirkenden speziellen Trancezustände lassen sich gezielt einsetzen, um körperlichen und seelischen Leiden zu begegnen, Süchte und Ängste zu überwinden und das Selbstbewusstsein zu stärken. Zahlreiche Fallbeispiele zeigen eindrucksvoll den richtigen Umgang und die Erfahrungen mit den beschriebenen schamanischen Ritualen und Heilweisen.
In Harmonie und Einklang mit der Umwelt zu einem erfüllten Leben finden
Die Bedeutung des Schamanismus für den Einzelnen
Mit Rhythmen und Krafttieren das Bewusstsein erweitern und den alltäglichen Problemen begegnen
Das Buch wird mit der Trommel-CD "Reiserhythmen" geliefert. (Reichel)
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Leseprobe:

EINLEITUNG
Wovon die Rede ist

"Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein", philosophierte Goethe in seinem Faust. Und an anderer Stelle meinte der Dichterfürst: "Mit Worten lässt sich trefflich streiten."

In diesem Buch ist die Rede von Wissenschaftsrätseln. Das kann unterschiedliche Vorstellungen suggerieren, denn auch um dieses Wort lässt sich trefflich streiten. Zunächst einmal stellt sich die Frage: "Was ist überhaupt Wissenschaft?" Im Altertum und auch noch im Mittelalter verstand man darunter das systematische "Ganze der Erkenntnis". Heute sind Wissenschaftler Spezialisten. Ein "Ganzes der Erkenntnis" ist unvorstellbar geworden. Mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften im Zeitalter der Aufklärung setzte aber nicht nur eine starke Differenzierung verschiedener Fachbereiche ein, sondern begann zugleich auch ein Zwist zwischen Natur- und Geisteswissenschaften darüber, was wissenschaftliche Methodik ist und welchen Regeln sie zu folgen hat. Wie jede heftige Auseinandersetzung ging auch diese nicht ohne eine erhebliche Emotionalisierung einher, und die Gemüter haben sich bis heute nicht beruhigt. Tief in seinem Herzen bestreitet so mancher Naturwissenschaftler, dass die Geisteswissenschaften und die seit einiger Zeit dazugekommenen Sozialwissenschaften überhaupt einen Anspruch darauf erheben können, Wissenschaften genannt zu werden. Nach ihrer Meinung heißt Wissenschaft Fakten zu beobachten, sie zu analysieren und möglichst exakte Modelle zu entwickeln, um diese Fakten zu beschreiben und berechenbar zu machen.

Aber welche Fakten könnte schon die Jurisprudenz sammeln, die sich im Wesentlichen darin ergeht, mehr oder weniger willkürliche Gesetze zu erfinden, diese auswendig zu lernen und dann bei Rechtsstreitigkeiten spitzfindig ad absurdum zu führen? Das mag zwar intelligent sein, aber was hat das mit Wissenschaft zu tun? Ist ein Anwalt, der gegen alle Logik einen Schwerverbrecher vor Gericht verteidigt, ein Wissenschaftler? Natürlich, denn er hat schließlich Rechtswissenschaft studiert.

Welche Fakten vermag die Religionswissenschaft zu sammeln, die die eigentlichen Gegenstände ihres Fachgebiets, Gott und Glauben, kaum beschreiben, geschweige denn als reale Objekte wissenschaftlich analysieren kann. Sie muss sich auf die Erforschung der weltweiten Geschichte des Glaubens beschränken und kann dabei nicht einmal konkret zwischen Glauben oder Aberglauben unterscheiden.

Welches Fundament hat eigentlich die Philosophie? Philosophen betreiben seit Jahrhunderten Spekulationen, die schon deshalb vielen Naturwissenschaftlern müßig erscheinen, weil sie niemals zu konkreten Ergebnissen oder reproduzierbaren Erkenntnissen führen.

Und dann sind da noch völlig neuartige Disziplinen, die seit kurzem Anspruch darauf erheben, als Wissenschaften ernst genommen zu werden. Unter ihnen Paraphysik und Parapsychologie, für die es heute sogar Lehrstühle an Universitäten gibt. Sie lassen sich unter "Grenzwissenschaften" einordnen.

Ganz anders betrachten naturgemäß die Geisteswissenschaftler die Situation. Manche unter ihnen werten die Naturwissenschaftler als bloße Beobachter und Datensammler ab, denen es weitgehend an eigener Kreativität fehlt. Sie haben ihre eigenen logischen Denkmodelle entwickelt, die sich mit dem naturwissenschaftlichen Rationalismus durchaus nicht immer decken.

Und schließlich ist da noch die Mathematik, die sich selbst gelegentlich den Titel "Königin der Wissenschaften" anmaßt, während viele Naturwissenschaftler in ihr allenfalls eine "Hilfswissenschaft" sehen und manche ihr den Rang einer eigenständigen Wissenschaft völlig aberkennen wollen. Mathematik, so argumentieren sie, sei nichts anderes als eine besondere Sprache, die lediglich dazu diene, Sachverhalte in "echten" Wissenschaften möglichst präzise und international verständlich zu beschreiben.

Das alles relativiert natürlich erheblich die Frage, was ein "Wissenschaftsrätsel" ist. Aber es kommt noch schlimmer, wenn wir das Wort "Rätsel" unter die Lupe nehmen. Hier ein paar Gedanken dazu:

Sind die "Rätsel" in Rätselzeitschriften wirklich Rätsel? Nichts davon ist wirklich ungeklärt, es sei denn für jemand, der von nichts eine Ahnung hat. Man kann doch nicht mit Fug und Recht behaupten, dass die folgende Aufgabe ein Rätsel ist: "Fritz ist heute doppelt so alt wie Herbert. Vor fünf Jahren war er aber dreimal so alt wie dieser. Wie alt ist Fritz?" So etwas ist nichts anderes als ein System von zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten, die jeder Mittelstufengymnasiast in zwei Minuten löst. Daran ist nichts wirklich Rätselhaftes, auch wenn klein Heini das Problem nicht lösen kann. Andererseits stehen die Naturwissenschaftler nicht selten vor prinzipiell ähnlichen Aufgaben, die aber niemand lösen kann, weil es noch keine Rechenwege gibt, um ans Ziel zu kommen. Ein ganzer Wissenschaftszweig rätselt dann an dem Problem herum. Ist das ein echtes Rätsel? Für dieses Buch habe ich dergleichen als Rätsel akzeptiert. Ein Rätsel hört erst dann auf, ein Rätsel zu sein, wenn wenigstens ein Mensch die Lösung gefunden hat.

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