Liselott Willén: "Das Feuermal"
Liselott
Willén, die nach ihrem Romandebüt "Stein um Stein"
in Schweden schon als die neue Minette Walters gefeiert wurde, legt mit
ihrem zweiten Roman, dem Psychothriller "Das Feuermal", ein Zeugnis
ihrer Kunst ab, die Schuld der Vergangenheit und die dadurch auf
Menschen lastende Verantwortung zu schildern als ein die Gegenwart
dieser Menschen konstituierendes und vollends bestimmendes Faktum und
Fatum.
Als Linn, die über weite Teile des Buches als
Ich-Erzählerin auftritt, noch studierte, bildete sie mit einem
Kreis von Studienkollegen eine Gruppe, die ein
außergewöhnliches Hobby miteinander verband: Sie
spielten Rollenspiele.
Zunächst treten sie als feste Gruppe mit klarem Skript bei
sogenannten Mittelaltertreffen auf. Doch bald ist das besonders Carl,
dem geheimen Leiter der Gruppe, nicht mehr genug. Sie planen Auftritte
im Alltag anderer Menschen und kompromittieren sie mit ihrem Spiel.
Dabei will Carl austesten, wo die Grenze ist, wie er sich
ausdrückt, und sie wenn möglich
überschreiten. Für die Mitspieler haben diese Spiele
ihre eigene Faszination:
"Es war an der Zeit. So viele Stunden des Wartens, und jetzt
standen wir hier: verkleidet, ungeduldig vor der Verwandlung.
Das Ritual, um in eine Rolle zu schlüpfen, war einfach.
In einem Kreis versammelt, fassten wir uns an den Händen und
sprachen den Namen unserer Charaktere aus. Wir machten die Augen zu und
taten drei tiefe Atemzüge. Als wir sie wieder
öffneten, hatten wir losgelassen - die Person neben uns und
uns selbst. Es gab kein Ich mehr, nur eine Erinnerung daran, Gedanken,
die sich manchmal ihren Weg durch das Konstruierte bahnten,
Gefühle, die zu unhandlich waren, um in einer einzigen Form
Platz zu haben.
Ganz einfach ein neuer Mensch. Neu, aber doch alt, weil das, was
gewesen ist, und das, was darunter lag, niemals auszulöschen
war."
Linn betreibt ein eigenes Hobby, das sie geheimhält: Sie filmt
ihre Mitspieler in privaten Situationen und "verführt" sie zu
ziemlich intimen und persönlichen Lebensberichten. Diese
Videobänder hebt sie auf und nimmt sie in mehrfacher Hinsicht
mit in ihr späteres Leben.
Das führt sie mit Nikos, den sie liebt. Nikos spürt
mit seiner großen Sensibilität, dass mit Linn
irgendetwas nicht stimmt. Aber erst, als er die Videobänder
findet, wird ihm klar, welche Schuld und Verantwortung auf Linns Seele
lasten. Doch da sie ihm diese Vergangenheit all die Jahre verschwiegen
hat, zerbricht diese hoffnungsvolle Beziehung.
Liselott Willén hat ihren Roman klug aufgebaut. In die
Schilderung der sich zuspitzenden Situation in Linns Gegenwart und
Leben mit Nikos webt sie nacheinander die Videobänder mit den
Aufnahmen der damaligen Mitspieler ein und schildert besonders jenes
des von seinen Ideen der Grenzüberschreitung wie besessenen
Carl, der die Dosis immer weiter steigert.
Als Linn, davon angesteckt, für sich selbst ausprobiert, wie
weit sie gehen kann, kommt es zur Begegnung zwischen Gegenwart und
Vergangenheit. Die Hintergründe dieser Begegnung bleiben bis
zum Schluss offen, so dass man das Buch in einem Zug verschlingt, bis
man endlich die tragische Auflösung kennt.
Ein spannendes Buch über eine Szene, die mir bis dato
völlig unbekannt war, und ein tiefgehendes Buch über
das Weiterwirken von Schuld.
(Winfried Stanzick; 11/2006)
Liselott
Willén: "Das Feuermal"
(Originaltitel "Eldsmärket")
Aus
dem Schwedischen von Verena Reichel.
btb, 2006. 333 Seiten.
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Liselott
Willén wurde 1972 auf den Åland-Inseln geboren.
Ein weiteres Buch der Autorin:
"Stein um Stein"
Åland im Herbst. Sturmzeit. Die Stimmung von Kjerstin,
Lehrerin am örtlichen Gymnasium, ist auf dem Tiefpunkt
angelangt. Einer ihrer Schüler tyrannisiert sie, ihr Rektor
schikaniert sie, und die meisten ihrer Kollegen sind einfach nur
missgünstig. Kaum zu glauben, dass es noch schlimmer geht.
Aber das tut es: Denn ihr Mann hat offensichtlich eine Affäre.
Kjerstin weiß nur eins: Sie muss sich endlich wehren. Einer
muss sterben. Nur wer? Kjerstin meldet sich bei einem Kurs
zur
Stärkung des Selbstvertrauens an, acht Frauen
treffen sich
jeden Donnerstag, um zu lernen, wie sie besser mit ihrem Leben
zurechtkommen. Der Kursleiter - ein mysteriöser Mensch, der
nur wenig von sich preisgibt - erklärt ihnen, dass sie ein
Ziel brauchen und dann den Weg dorthin suchen müssen. Kjerstin
braucht nicht lange, um das ihre zu finden: sich selbst will sie nicht
mehr umbringen, seit sie den Kurs besucht. Auch Jørgen, ihr
Mann, soll leben. Sie wählt die Rivalin. Aber wer ist die
Frau? Und was hat ihr Kursleiter zu verbergen? Könnte es sein,
dass alles ganz anders ist, als sie denkt? (btb)
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