Thorsten Streubel: "Das Wesen der Zeit"

Zeit und Bewusstsein bei Augustinus, Kant und Husserl


Entwicklung und Ausarbeitung des Zeitbegriffs durch drei große Philosophen

Die Zeit und das Zeiterleben sind nur scheinbar alltägliche Phänomene. Beim Versuch, ihnen auf den Grund zu gehen, begegnet man unterschiedlichen und vor allem verschieden gewichteten Definitionen von Zeit.
Thorsten Streubel untersucht die Erkenntnisse dreier großer Philosophen hinsichtlich der Zeit: Augustinus, Kant und Husserl.

Im einleitenden Kapitel geht es zunächst vor allem um Wesenserkenntnis, denn die Dinge und Begriffe erschließen sich uns über ihre Eigenschaften, und um Wahrnehmung, ohne die wir uns mit dem Wesen der Dinge gar nicht befassen könnten. Der zweite Teil, betitelt "Das Wesen der Zeit", nähert sich der Qualität dessen, was wir unter Zeit verstehen, zunächst über Aristoteles an (der vor allem erkannte, dass sich Zeit über Veränderungen definiert und diese Veränderungen messbar sind). Augustinus hingegen sieht Gott als Urheber der Zeit, der selbst außerhalb der Zeit steht, und gibt der Zeit einen Ort, die Geistseele des Menschen. Augustinus befasst sich auch intensiv mit dem Begriff der Ewigkeit als stehender Gegenwart.

Das zweite Kapitel, "Kant: Die Identität von Zeit und Bewusstsein", zeigt unter anderem auf, dass Raum und Zeit subjektiv wahrgenommen werden, weil das Verhältnis von Anschauung und Angeschautem jenem von Form und Geformten entspricht. Da sie Anschauungsformen von Erscheinungen, aber auch deren immanente Strukturen sind, müssen sie folglich Anschauung und Angeschautes zugleich sein. Über einige logische Zwischenschritte gelangt Kant zu der Aussage, "in der Zeit zu sein" heiße somit nichts anderes als "im Bewusstsein" oder "bewusst zu sein".

Im dritten Kapitel schließlich, "Husserl: Das Wesen der Zeit", wird ausgeführt, wie das Bewusstsein mit der Zeit umgeht und umgekehrt, wie das Ich lebendige Gegenwart ist, aber auch als solche fungiert.

Das Phänomen Zeit oder auch Zeitverständnis als eine unserer zentralen philosophischen Fragestellungen wird also von großen Philosophen verschiedener Epochen ganz unterschiedlich betrachtet, interpretiert und beurteilt, auch wenn sich eine Weiterentwicklung der älteren Gedanken von Augustinus (eigentlich mit Aristoteles beginnend) über Kant bis hin zu Husserl beobachten lässt. Es gelingt dem Autor, die komplexen Beschreibungs- und Erklärungsansätze der Philosophen in ausreichender Ausführlichkeit und gut verständlich darzulegen, wozu auch einige Grafiken bzw. Schemata beitragen. Für den Leser erweisen sich die Zusammenfassungen an den Kapitelenden als komfortable Möglichkeit zu prüfen, ob er die Hauptgedanken im Zusammenhang begriffen hat. Zahlreiche ausführliche Fußnoten liefern zusätzliche, ergänzende Informationen.

Das Buch eignet sich für Leser, die mit den Grundlagen philosophischer Arbeitsweise bereits vertraut sind, doch es wendet sich nicht nur an ein versiertes Fachpublikum.
Die Aufmachung ist bei aller Schlichtheit attraktiv und lesefreundlich.
Ein interessantes, sorgfältig erarbeitetes Buch zu einem Thema, das die Menschheit seit Jahrtausenden bewegt.

(Regina Károlyi; 04/2006)


Thorsten Streubel: "Das Wesen der Zeit"
Verlag Königshausen & Neumann, 2006. 211 Seiten.
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