Elkhonon Goldberg: "Die Weisheits-Formel"

Wie Sie neue Geisteskraft gewinnen, wenn Sie älter werden


Der Untertitel des 380 Seiten umfassenden gebundenen Buches, das im März 2007 im Rowohlt-Verlag erschien und mit einem komfortablen Lesebändchen ausgestattet zum Leser kommt, verleitet zu der Annahme, dass dieses Werk ein Ratgeber sei, der vor allem älteren Menschen auf die "geistigen Sprünge" helfe. Wer mit dieser Vorstellung an den Buchtitel herangeht, der wird - soviel sei vorweg genommen - jedoch rasch enttäuscht werden.

Elkhonon Goldberg ist Professor der Neurologie, und diese Professur begleitet im Fall von "Die Weisheitsformel" nicht nur lebenslang den Autor, sondern während der gesamten Lektüre auch den Leser.
"Die Weisheitsformel" ist ein durchaus als persönlich zu wertendes Buch, daran bestehen schon nach dem Lesen des Vorworts kaum noch Zweifel. Goldberg berichtet dort von Untersuchungen an seinem eigenen Gehirn, auf die er im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit seinem eigenen sechsten Lebensjahrzehnt bestanden hat. Hier ist der, im Ansatz durchaus neurotische, Auslöser zu sehen, durch den Goldberg diesen Titel verfasste.

Aus Psychologie, Medizin und im Speziellen natürlich aus der Hirnforschung schöpft Goldberg mit großen Kellen, um dem Leser Teile seines eigenen Wissens zu vermitteln und zugleich seine These untermauern zu können. Diese besagt nicht nur, dass Kompetenz und Weisheit Eigenschaften wären, die dem alternden Menschen vorbehalten werden, sondern schon recht zu Anfang wird sehr deutlich, dass Goldberg in Bezug auf seine Themen stets von seinem eigenen Weltbild, das durchweg wissenschaftlich geprägt ist, beeinflusst wird. So begegnet er beispielsweise der Unterscheidung vieler Menschen zwischen Geist und Gehirn mit großem Unverständnis, da für ihn selbst klar ist, dass der Geist ein Teil, ein Produkt des Gehirns ist und keineswegs eine spirituell zu sehende Komponente.

Kann man sich auf Goldbergs konkrete Vorstellungen und seine Theorien einlassen, lädt der Autor den Leser ein in eine Welt, in der er von der Pike an vieles über das Gehirn, seine Anteile und Funktionen lernen kann. Wer über solides medizinisches Grundvokabular verfügt, kann Goldbergs Erläuterungen hierbei mühelos folgen, für alle anderen dürfte es etwas schwierig werden. Zwar werden auftretende Begriffe bei ihrem ersten Aufkommen kurz und verständlich erklärt, durch die Menge solcher Begriffe sind jedoch sicherlich Merkschwierigkeiten bei den Lesern nach einer Weile anzunehmen - und zwar unabhängig von deren Lebensalter.

Nicht nur das Physiologische bezieht Goldberg jedoch ein. Er verweist auch auf psychologische Erkenntnisse, auf allerlei Studien zum Thema, auf Prominente von Goethe bis Mandela, die auch oder gerade im Alter herausragende Leistungen vollbrachten und tatsächlich auch auf allgemeine Möglichkeiten, den Geist - und somit das Gehirn - fit zu halten, wie es der Untertitel andeutet. Dies jedoch keineswegs in Rat gebender Form oder in Form konkreter, in die Tat umzusetzender Ideen, sondern vielmehr lässt er diese Möglichkeiten am Rande einfließen, während er über die Unterschiede zwischen der Nutzung rechter und linker Gehirnhälfte, entsprechende Studien bei Taxifahrern und andere Themen philosophiert oder berichtet.

Wer einen Ratgeber erwartet und etwas konkret Hilfreiches zwecks "Hirn-Jogging" lesen möchte, ist mit diesem Titel nicht gut beraten. Dieses Buch richtet sich vielmehr an eine wissenschaftlich interessierte und aufgeschlossene Leserschaft, die mehr über Hintergründe wissen möchte, vor allem solche neurologischer Art. Da "Die Weisheitsformel" durchaus als persönliches Buch zu bezeichnen ist, sowohl hinsichtlich der Motivation, den Titel zu schreiben, als auch hinsichtlich einfließender Meinungen und Ansichten, sollte man am besten Goldbergs Ansichten teilen oder gut nachvollziehen können, um persönlichen Gewinn aus der Lektüre zu erzielen.

(Tanja Elskamp; 04/2007)


Elkhonon Goldberg: "Die Weisheits-Formel. Wie Sie neue Geisteskraft gewinnen, wenn Sie älter werden"
(Originaltitel "The Wisdom Paradox. How Our Mind Can Grow Stronger As Your Brain Grows Older")
Deutsch von Monika Niehaus-Osterloh.
Rowohlt, 2007. 380 Seiten.
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Elkhonon Goldberg, geboren 1947, ist Klinischer Professor für Neurologie am New York University Medical Center und Direktor des Institute of Neuropsychology and Cognitive Performance. Goldberg, der in Riga zur Welt kam, studierte zunächst in Moskau bei dem berühmten russischen Neuropsychologen Alexander R. Lurija; Anfang der 1970er Jahre reiste er in die USA aus.