Jan Weiler: "Maria, ihm schmeckt's nicht!"

Geschichten von meiner italienischen Sippe


"Als ich meine Frau heiratete, konnte ihre süditalienische Familie leider nicht dabei sein. Zu weit, zu teuer, zu kalt. Schade, dachte ich und öffnete ihr Geschenk. Zum Vorschein kam ein monströser Schwan aus Porzellan mit einem großen Loch im Rücken, in das man Bonbons füllt. Menschen, die einem so etwas schenken, muss man einfach kennen lernen."

Es scheint wirklich so zu sein, dass der Mensch, der in den Süden heiratet, immer wieder einmal Kämpfe um das tägliche Brot ausfechten muss. Ob der Norddeutsche in Süddeutschland, der Ire in Griechenland ("Hochzeit auf Griechisch") oder eben der hier aus NRW stammende Ich-Erzähler in Italien - immer steht man vor dem gleichen Problem: Eine weibliche Person der neuen Verwandtschaft aus der vorherigen oder vorvorherigen Generation bietet einem Nahrung an. Man hat von der gleichen Person - oder einer anderen im Beisein der Anbietenden - bereits große Mengen Nahrung bekommen und konsumiert. Man kann nicht mehr und träumt von einem Schnäpschen und einem Bett. Und wenn man daher ablehnt, reagiert die Gegenseite tödlich beleidigt. Diese Situation ist es, die den Titel dieses Buchs einbringt, und sie ist wirklich aus dem Leben gegriffen.

Als der Ich-Erzähler seine Sara Marcipane heiratet, weiß er noch nicht, dass er damit auch einen Antonio Marcipane ehelicht, der als sein Schwiegervater seine Sicht der Welt und des Lebens danach nachhaltig beeinflussen soll. Doch zunächst lernt er diesen Mann als einen komischen Kauz mit verdrehter Realitätswahrnehmung kennen, der Deutschland mit sonderbaren Augen sieht.

Bei der Reise nach Italien, wo das Brautpaar der gesamten Großfamilie vorgestellt wird, lernt der Ich-Erzähler das Leben in kleinen italienischen Orten und die entscheidenden Unterschiede zwischen deutscher und italienischer Lebensart hautnah kennen. Dabei hofft er, dass dieser erste auch der letzte Besuch dieser Art sein möge. Doch es soll anders kommen. Zunächst muss noch eine andere Hochzeit vor Ort gefeiert werden. Dann lockt Antonio seinen Schwiegersohn erneut mit einem Trick in sein Heimatdorf, und dabei erfährt der Erzähler eine Menge über den Lebensweg des jungen Antonio und sein Schicksal als Teil der ersten Gastarbeiterwelle nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. Eine Darstellung, die eigentlich schon für sich genommen den Kauf des Buchs wert ist, das danach mit der Rückkehr in die Gegenwart ein wenig flach wirkt. Aber wirklich nur aufgrund des Kontrasts.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2005)


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Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, arbeitete zunächst als Texter in der Werbung, bevor er die Deutsche Journalistenschule in München absolvierte. Seit 1994 ist er in der Redaktion des SZ-Magazins tätig und leitete dieses 2000; Anfang 2005 als Chefredakteur (gemeinsam mit Dominik Wichmann). Jan Weiler lebt mit seiner italienischen Frau und zwei Kindern in Ambach.

Weiteres Bücher des Autors:

"Antonio im Wunderland"

Der italienische Gastarbeiter Antonio Marcipane hat alles erreicht: Er besitzt ein Reihenendhaus, ein schönes Auto und vier Dutzend Krawatten. Seine Töchter haben deutsche Männer geheiratet, und jetzt wartet ein entspanntes Rentnerdasein auf ihn. Wenn da nicht noch ein unerfüllter Traum wäre: Amerika. Da muss er hin - und sein Schwiegersohn muss mit. Nach dem Renner "Maria, ihm schmeckt's nicht" der zweite Band über ein italienisches Gastarbeiterschicksal in Deutschland. (Kindler)
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