Fred Wander: "Hôtel Baalbek"


Fred Wander, der bis 1947 seinen jüdischen Namen Fritz Rosenblatt trug, ist ein Schriftsteller, dessen Werk erst spät die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhalten hat. Sein Buch "Der siebente Brunnen", 1971 zum ersten Mal veröffentlicht, wurde 2005 nach einer entsprechenden publikumswirksamen Empfehlung zu einem heimlichen Bestseller und hat sicher vielen jüngeren Lesern einen Einblick in die Geschichte jener Menschen jüdischer Herkunft gebracht, die den Holocaust und den Schrecken der Vernichtungslager überlebt haben. In einer Zeit, in der die Namen und die Bücher von Jean Améry, Primo Levi und Anderen leider schon wieder fast vergessen sind, (sie haben die Auseinandersetzung meiner Generation mit dem Holocaust stark geprägt), ist es gut, dass Wanders Buch Jahrzehnte nach seiner Erstveröffentlichung im deutschen Sprachraum wieder neu rezipiert wird.

Leider ist seinem 1991 zum ersten Mal erschienenen Roman "Hôtel Baalbek", den der Wallstein Verlag im Jahr 2007 nach dem großen Erfolg von "Der siebente Brunnen" neu aufgelegt hat, kein solcher Erfolg beschieden. Die Rezeption ist schwach, was das Buch nicht verdient hat.

Fred Wander erzählt, von eigenen Erfahrungen in der Emigration beeinflusst, die Geschichte von Flüchtlingen in Marseille. Sie leben im "Hôtel Baalbek", wo sich quasi täglich die Nachrichten und Gerüchte überschlagen über den Vormarsch der deutschen Truppen in Frankreich. Erste Botschaften von den Vernichtungslagern im Osten finden unter den mehrheitlich intellektuellen Bewohnern des schlichten Emigrantenhotels kaum Gehör; zu unglaublich erscheint ihnen eine solche Unmenschlichkeit.

Der Ich-Erzähler des Buches berichtet aus der Perspektive des Überlebenden mit den Erfahrungen eines Menschen, der gesehen hat, "was Menschenaugen niemals sehen durften". Fred Wander gelingt es in diesem wirklichen Kunstwerk von Buch, mehrere Erzählebenen zu verknüpfen und experimentiert mit ihnen.

"Denn nur im zweifachen Erinnern, vorwärts und rückwärts gewandt, sind die Ereignisse zu erkennen. Wir leben nicht in der Gegenwart, leben in einem Nebel aus geronnener Zeit, gefrorenem Blut."

Bücher wie die von Fred Wander sind Vermächtnisse von Menschen, die erlebt, erlitten und bezeugt haben, zu welchen Taten Menschen fähig waren. Sie sind Zeugnisse, wie deren Opfer überlebt haben, an der Hoffnung, der humanitas festhielten, durch manche politischen und menschlichen Irrungen und Wirrungen hindurch. Sie sind bleibende Belege dafür, dass das Diktum von Theodor W. Adorno, nach Auschwitz können man keine Gedichte mehr schreiben, ein totaler und auch überheblicher Irrtum war.

(Winfried Stanzick; 06/2007)


Fred Wander: "Hôtel Baalbek"
Mit einem Nachwort von Robert Schindel.
Wallstein Verlag, 2007. 228 Seiten.
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