Francois Villon: "Lieder und Balladen"
Der 1431 bei Paris in ärmlichste Verhältnisse als Francois Montcorbier geborene Villon gilt als der bedeutendste, jedenfalls aber markanteste Dichter des französischen Spätmittelalters. Den Namen Villon empfing er von seinem Förderer Guillaume de Villon, einem Kaplan, der seinem begabten Schützling Francois den Besuch einer höheren Schule mit einer breiten Bildung ermöglichte. Die Kenntnisse blieben dem jungen Villon, von der sonstigen Erziehung schien er aber nicht viel zu halten, denn nachdem er sich kurz als Schreiber bei einem Juristen sein Brot verdient hatte, kehrte er freiwillig in die Welt seiner Herkunft zurück, verkehrte von da an hauptsächlich mit Dieben, Zuhältern, Prostituierten und Trunkenbolden, kurz, mit dem sogenannten Abschaum der damaligen Gesellschaft. Und nahm bald selbst regen Anteil an diesem Treiben. Und kam in der Folge auch bald mit dem Gesetz in Konflikt. Mehrmals wurde er nach einem Vergehen von der Polizei der Stadt (Paris) verwiesen, einmal sogar zum Tod verurteilt, und auch, wenn er einmal einen aristokratischen Gönner fand, der seine Verse schätzte und ihn länger an sich binden wollte, hielt er es nicht lang in dieser anscheinend zu sicheren Umgebung aus und zog vagabundierend weiter. Anfang dreißig besitzen wir das letzte Lebenszeichen von ihm: ziemlich unwahrscheinlich ist, dass er eine radikale Umkehr vornahm und sich für den Rest seines Lebens zu kontemplativen Zwecken in ein Kloster zurückzog, möglich immerhin, dass er - ähnlich wie sein Südtiroler Dichterkollege Oswald von Wolkenstein - seine Heimat verließ und die ganze damals bekannte Welt bereiste, am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass er im Zuge seiner zahlreichen Raufhändel und Gesetzesübertretungen noch jung sein Leben ließ.
Zweifellos war Francois Villon von der Bigotterie der Haute Volée seiner Zeit und von der gleichzeitigen Unbarmherzigkeit, mit der sie ihre materielle Überlegenheit über die Armen ausspielte, abgestoßen; dass er aber so lebte, wie er lebte, ist in erster Linie auf seine überschäumende Vitalität zurückzuführen, die nach Leben in seiner intensivsten Form verlangte und der ein Tag voll Leidenschaften mehr galt als ein Jahr der Gleichförmigkeit und Gemächlichkeit. Diese Vitalität ist denn auch das herausragendste Kennzeichen seines dichterischen Werks. Je stärker die Gefühle, die sich zumeist auf bekannte (immer namentlich erwähnte) Personen richten, desto besser die Gedichte. Vor allem sind es Spott (gegen ehrbare Bürgersleute und Klosterinsassen), Hass (auf Polizisten und Richter), und auch die derbe Zuneigung, mit der Villon von manchen seiner saufenden und Verbrechen auf Verbrechen häufenden Freunde spricht, ist nicht frei von saftigen persönlichen Ohrfeigen. Etliche Gedichte verdanken ihre Entstehung einer persönlichen Misere Villons, es sind mithin allerlei poetisch formulierte Gnadengesuche unter seinen Werken zu finden, die (Villon kannte offenbar seine Adressaten gut) meist ihr Ziel einer Begnadigung erreichten, worauf als Dank dann alsogleich Spott und ein Loblied auf den sich nicht um Stolz scherenden Selbsterhaltungstrieb folgten. Bei weniger konkreter Inspiration feiert Villon (nicht zuletzt als Gegenreaktion auf die Scheinmoral der öffentlichen Meinung) den Beruf des Zuhälters, die Werte eines Säufers und dergleichen, oder spricht in drastischen Farben von der Unausweichlichkeit des Todes, woraus er - und dies ist mit Sicherheit die Essenz seiner Testamente - das ihm gemäße ungebundene, nur seinen eigenen Instinkten und eigenem Urteil verpflichtete Leben ableitet.
Das vorliegende Buch des Diogenes-Verlags greift auf die Übersetzungen von K. L. Ammer zurück, von welchen Bert Brecht einige Strofen wortwörtlich in seine Dreigroschenoper übernommen hat.
(fritz; august 02)
Francois
Villon: "Lieder und Balladen"
Diogenes
Taschenbuch 2001
142 Seiten
ca. EUR 7,90.
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