Gary Victor: "Der Blutchor"
Der
litradukt-Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, besonders arabischer
und afro-karibischer Literatur einen Platz im deutschsprachigen
Bücherregal einzuräumen. Zu seinem Programm ist daher
auch "Der Blutchor" von Gary Victor zu zählen, eine
Geschichtensammlung eines viel gelesenen haitianischen Autors. Das
außen elegant-dezent illustrierte hundertseitige Taschenbuch,
das im Oktober 2007 erschien, enthält neun Kurzgeschichten des
Autors.
Obwohl die Geschichten alle unterschiedliche Inhalte haben, sind ihnen
doch einige Aspekte gemein: Sie alle warten mit ausgesprochen
überraschenden Enden auf. Die meisten Geschichten haben zudem
etwas Wahnhaftes, etwas Halluzinatorisches an sich, das den Leser nicht
nur in den Bann schlägt, sondern ausgesprochen gut zu den
Voodoo-Inhalten einiger Geschichten passt.
In Gary Victors Geschichten wird Voodoo lebendig, und man
spürt beim Lesen die Integration dieses Kultes im
haitianischen Alltag. Es ist ein Unterschied, ob ein Haitianer
über Voodoo schreibt oder ihn in seine Geschichten integriert,
oder ob eine solche Einbettung beispielsweise in einem nicht aus Haiti
stammenden Thriller erfolgt. In "Der Blutchor"
wirkt nichts aufgesetzt oder betont exotisch - es ist, wie es ist.
Wer sich für diese Kurzgeschichten interessiert, sollte
allerdings in jedem Fall Interesse an schwarzem Humor und
bitterbösen Geschichten haben. Dieser Art sind
nämlich die Geschichten, die den Leser erwarten, ob es nun um
einen brutalen Kommandanten geht, um das Schlachten eines Huhns, einen
gestohlenen Koffer oder andere Themen.
Auch die in Haiti bekanntermaßen vorherrschende Korruption
findet in den Erzählungen des Autors ihren Niederschlag, wie
besonders in "Kleinkriminalität" und "Die Hand" offenkundig
ist.
Insgesamt handelt es sich bei "Der Blutchor" um eine
großartige Sammlung geradezu in mehrerer Hinsicht
fantastischer Geschichten aus der Feder des haitianischen
Autors, deren Lektüre schlicht äußerst
empfehlenswert ist. Wie schön, dass dies nun dank der
deutschsprachigen Veröffentlichung auch jenen Lesern
möglich ist, die des Französischen nicht
mächtig sind.
(Tanja Thome; 12/2007)
Gary
Victor: "Der Blutchor"
Übersetzt von Peter Trier.
litradukt literatureditionen Peter Trier, 2007. 100 Seiten.
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Gary Victor, geboren 1958 in Port-au-Prince, Haiti, ursprünglich Agronom, gehört zu den meistgelesenen Schriftstellern seines Landes. Viele seiner Gestalten sind zu feststehenden Typen geworden. Außer Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, für die er mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, schreibt er auch Beiträge für Rundfunk und Fernsehen, die in Haiti regelmäßig für Aufregung sorgen. Sein schonungsloser Blick auf die Gesellschaft stellt ihn in die Tradition der Sozialromane des 19. Jahrhunderts und macht ihn zum subversivsten Gegenwartsautor Haitis.