Dieter Richter: "Der Vesuv"
Geschichte eines Berges
"Vielleicht
ist es die Nähe des Vesuv, die mir im Arsch einheizt ..."
(Gustave Flaubert)
Eine Kulturgeschichte über den Reiz eines besonderen Berges
Der Vesuv im Golf von Neapel ist der bekannteste und wohl der am besten
erforschte unter den 500 aktiven Vulkanen der Welt. In den
Observatorien an seinen Hängen entstanden die ersten
Forschungsstätten der modernen Wissenschaft der Vulkanologie.
Der Bremer Literaturwissenschaftler Dieter Richter, Buchautor und
Kenner Kampaniens, nimmt sich aber nicht die Zusammensetzung von Lava
und die Stärke vergangener und für die Zukunft
erwarteter Eruptionen zum Thema seiner Forschungen. Ihn interessiert
die kulturelle Lava: wie der Vesuv die Menschen im Laufe der Geschichte
beschäftigte und faszinierte, wie sie seine explosiven
Veränderungen deuteten und mit der nahen Gefahr umgingen.
Bereits in der Bronzezeit, um 1775 v.Chr., wahrscheinlich aber schon
früher, löste ein Ausbruch des Vesuvs eine bis heute
nachweisbare Massenflucht von Menschen aus. Bei der am besten
dokumentierten Naturkatastrophe der Antike, der Zerstörung von
Pompeji und Herculaneum im Jahre 79 n.Chr., wurde Plinius der
Ältere zum prominentesten Opfer seines Forschungsdrangs und
seiner Wissbegier; nach der Lektüre der detaillierten
Beschreibungen der Katastrophe aus dem Griffel seines Neffen und
Begleiters Plinius des Jüngeren stellten Generationen von
Philosophen die Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts der
Allgegenwart des Todes.
Weitere Ausbrüche im Mittelalter wurden in den Chroniken der
wechselnden Herrscher Süditaliens, der Goten, Byzantiner,
Araber, Normannen und Aragonesen, eingetragen und bereicherten den
Volksglauben. Die Lavazungen des Vesuvs werden zu einem Vorgeschmack
des Fegefeuers, zur Quelle zahlreicher Legenden und Märchen.
Der Tod ist der Sünde Sold und Feuer das Element des
göttlichen Zorns, erkennen die Neapolitaner nach dem heftigen
Ausbruch im Dezember 1631. Die fünftausend Geistlichen von
Neapel veranstalten Bußrituale, um den göttlichen
Zorn zu besänftigen, die Prostituierten der Stadt veranstalten
ihre eigenen Prozessionen. Denn je größer die
Sünde, umso größer die Buße; und
je größer die Buße, umso
größer die Chance auf Errettung, lautet die barocke
Überlegung zur Rettung vor der Verdammnis. Der Stadtheilige
selbst, San Gennaro, sei über dem Berg erschienen und habe die
unheilbringende Wolke aufgelöst. Neben dem religiösen
Ausbruch kam es in den ersten Jahren nach der Eruption zu einem
Feuerwerk der Poesie. In Dutzenden Büchern verarbeiteten die
barocken Literaten die Katastrophe, schrieben Gedicht um Gedicht und
deuteten den Schrecken in bombastischen und mythologisch reichen
Dichtungen.
Im 18. und 19. Jahrhundert, in den Zeitaltern der Aufklärung
und der Romantik, wird der Vesuv zu einem der beliebtesten Reiseziele
Europas, auf dass man seine Briefe und Reiseschilderungen mit
gefährlichen Besteigungen und bedrohlichen Erlebnissen
krönen könne. Auch
Goethe und
Mozart waren an diesem
Wettbewerb des schönen Schreckens beteiligt. "Habe Dank,
Natur" begeistert sich auch Grillparzer 1819, "dass es ein Land gibt,
wo du heraus gehst aus deiner Werkeltags-Geschäftigkeit und
dich erweisest als Götterbraut und Weltenkönigin,
habe Dank!"
Heute ist der Vesuv Teil des neapolitanischen Touristenrituals und
gegen Entgelt täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet ...
Dieter Richter zeigt die Kulturgeschichte dieses Vulkans in einer
einzigartigen Fülle an Bildern, Dokumenten und gut
gewählten literarischen Texten aus drei Jahrtausenden, auch
solchen von weniger berühmten Autoren und aus der
Volksdichtung, ohne je langweilig belehrend zu wirken. Verwunderlich
ist, dass Pompeji von Robert Harris (2004) fehlt,
der nach Edward Bulwer-Lyttons Die letzten Tage von Pompeji
und Felix Dahns literarischer Geschichtsdeutung mindestens dritte,
jedenfalls jüngste Bestseller zum antiken Ausbruch.
Ebenso fehlt im sonst so informativen Buch eine Landkarte der Umgebung
von Neapel, um die geografischen Wege der vulkanischen und
literarischen Lavaströme nach den Ausbrüchen
verfolgen zu können. Ein Glossar zu vulkanologischen
Begriffen, genaue Literaturangaben und eine übersichtliche
Zeittafel am Ende des Buches führen die Leser dennoch sicher
durch die unterhaltsamen Texte und klugen Kommentare.
(Wolfgang Moser; 05/2007)
Dieter
Richter: "Der Vesuv"
Verlag Klaus Wagenbach, 2007. 212 Seiten.
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Dieter
Richter, geboren 1938 in
Hof/Bayern, studierte Germanistik, Altphilologie und Theologie. Seit
1972 ist er
Professor für Kritische Literaturgeschichte an der
Universität Bremen. Er ist
Verfasser zahlreicher kulturwissenschaftlicher Bücher.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Neapel - Biografie
einer Stadt"
Eine umfassende Kulturgeschichte Neapels von den vorchristlichen
Anfängen über
die "Grand Tour" bis heute. Leicht fasslich, mit vielen
Neuentdeckungen und sogar: konkurrenzlos!
Richter beschreibt die Metropole Neapel als einen Ort der Verschmelzung
von
Kulturen seit Anbeginn, vorzüglich aber auch aus der Sicht
ausländischer
Reisender, für die dieses Zentrum des europäischen
Tourismus zur bedrohlichen
und zugleich faszinierenden Erfahrung eines anderen, dem klassischen
Bild
widersprechenden Italiens wurde.
Und umgekehrt schildert Richter den Einfluss der "Fremden" auf diese
Stadt, von den griechischen Einwanderern über die spanischen
Höflinge und die
Salons der europäischen Gesandten bis zu den englischen
Konstrukteuren der
Vesuv-Eisenbahn und zu den schweizer oder deutschen Industriellen des
ausgehenden 19. Jahrhunderts samt ihres Vereins- und
Fürsorgewesens, das sich
zum Teil bis heute erhalten hat.
Das abwechslungsreiche Bild einer europäischen Metropole,
nicht nur den
bekannten Quellen nachgeschrieben, sondern oft auch frisch aus dem
Staub
unbekannter Polizeiakten und Gästebücher gezogen.
(Verlag Klaus Wagenbach)
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Gerd Wolfgang Sievers: "Neapel genießen. 200
authentische Rezepte und Lokaltipps"
Neapel
übt auf Reisende eine magische Anziehungskraft aus: Die herrliche Lage am Fuße
des Vesuv,
die Insel Capri und die Amalfiküste machen die Region zu einem Sehnsuchtsziel
ersten Ranges.
Doch kaum jemand reist nach Neapel der Küche wegen. Das ist ein Fehler, meint
Gerd Wolfgang Sievers. Und liefert in dieser Erkundungsreise zu den
kulinarischen Genüssen der Stadt einmal mehr nicht nur die typischsten Rezepte
der Region (köstliche
Pasta und Pizza, gebackene Spezialitäten, Meeresfrüchte und jene verlockende
Süßspeise, welche die Neapolitaner so sehr lieben - Sfogliatelle, ein mit
wunderbarer Ricottacreme gefülltes Blätterteiggebäck!), sondern er verrät auch
die besten Adressen, um dies alles direkt an Ort und Stelle zu genießen.
Gerd Wolfgang Sievers speiste in den Palazzi angesehener Bürger genauso wie bei
Berufsfischern, dinierte in den Lieblingslokalen der ehrenwerten Gesellschaft
ebenso wie in einfachen Pizzerien und versammelt in diesem Buch die
interessantesten Geschichten, die köstlichsten Gerichte und die aufregendsten
Lokale am Golf von Neapel. Buon appetito!
Gerd Wolfgang Sievers ist Profikoch und Verfasser des zum besten Themenkochbuch
in deutscher Sprache gewählten "Schneckenkochbuches.
"Carlo
Collodi und sein Pinocchio. Ein weitgereister Holzbengel und
seine
toskanische Geschichte"
Eine heitere, lehr- und kenntnisreiche Kultur-, Entstehungs- und
Rezeptionsgeschichte Pinocchios, in der man nicht nur viel
über Italien
(insbesondere über Florenz und die
Toskana) im 19.
Jahrhundert
erfährt,
sondern auch über die noch heute herausragende Bedeutung
dieses italienischen
Klassikers.
Dieter Richter erzählt die Geschichte des Herrn Lorenzini, der
sich Collodi
nennt, in Florenz zwischen padroni und Gesinde aufwächst,
politischer
Journalist wird und seinen nicht gerade asketischen Lebenswandel mit
Fortsetzungsromanen verdient.
Und er erzählt die Geschichte von dem hölzernen
Lümmel, der ein schönes
Toskanisch spricht, von Pinocchios Vorfahren in Italien und seinen
Verwandten in
ganz Europa und warum er heute noch die bekannteste italienische
Romanfigur ist.
(Verlag Klaus Wagenbach)
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