Teresa von Avila: "Die innere Burg"
Herausgegeben und übersetzt von Fritz Vogelgsang
Teresa
von Ávila (1515 bis 1582) war ein weibliches, nicht fiktives
und dennoch literarisch bedeutsames Pendant zu
Don Quijote: das
"ruhlose, streunende Weib", wie sie ein päpstlicher Nuntius
nannte, reiste im Eselskarren kreuz und quer durch die iberische
Halbinsel, um als Frau in der männlich beherrschten Kirche und
Gesellschaft Klöster zu gründen und zu reformieren.
Doch ihre Entschlossenheit und Überzeugungskraft
überdauerten alle Konflikte mit der
Inquisition.
Die bedeutendste Mystikerin Spaniens und ihrer Zeit und eine der
insgesamt nur 33 Kirchenlehrer (darunter zwei Frauen) wurde in
Ávila als Tochter eines konvertierten Juden und einer
verarmten Adeligen geboren. Als junge Frau war sie
unschlüssig, ob sie heiraten oder in ein Kloster eintreten
solle. Eine dreijährige Krankheit, während der sie
sich kaum bewegen konnte, erlebte sie als Erfahrung der menschlichen
Begrenztheit. Sich im Menschsein selbst zu erkennen, wurde zu einer
Frage der persönlichen Würde und zum Beginn tiefer
Mystik. Nicht strenge Bußübungen und ritualisierte
Frömmigkeit, sondern eine freundschaftliche,
einfühlsame Gebetsbeziehung zu Jesus ist Ausgangspunkt ihrer
Spiritualität: ab 1562 nannte sie sich Teresa de
Jesús.
"Die innere Burg" ist Teresas letztes
großes Werk, das auf Anregung ihrer Beichtväter
fünf Jahre vor ihrem Tod entstand und der Unterweisung
für ihre Mitschwestern diente. Darin vergleicht sie den
Menschen mit den sieben Wohnungen einer Burg. Der Weg vom ersten zum
letzten Raum ist eine geistige Reise nach innen, zu Gott. Das Erkunden
der sieben Wohnstätten ist auch eine Beschreibung von Teresas
eigener religiöser Entwicklung, des Irrens und Findens, der
persönlichen Bewältigung der mystischen Erfahrung.
Sich selbst zu erkennen, ist für Teresa, die sich weltlicher
Ehrerbietung widersetzte, eine Frage der menschlichen Würde,
die allein aus der innigen Beziehung zu Gott wachsen kann.
Das allegorische Leitmotiv der Burg mit sieben Wohnungen ist
Ausgangspunkt zahlreicher neuer Bilder, die manchmal abrupt wechseln
und in keiner logischen Abfolge stehen; die Burg als zentrales Motiv
hält die Texte des spirituellen Weges zusammen. Diesem neuen
und sehr persönlichen Blick ins Innere entspricht eine
spontane, kreative, oft auch lyrische Sprache, die Teresas Ruhm als
eine der ersten Literatinnen der spanischen Sprache
begründete. Neben der "Inneren Burg" sind
eine Lebensgeschichte, kleinere Schriften zur Klosterreform und rund
400 der ursprünglich mehr als 16 000 Briefe erhalten.
Fritz Vogelgsang, der Übersetzer, führt in seiner
Einleitung gut in Inhalte und Entstehungsgeschichte dieses mystischen
und in seiner Wechselhaftigkeit schwierigen Werks ein. Die
Übersetzung aber löst sich leider nicht aus einer
altmodisch religiösen Sprache; mit der Übernahme der
lateinischen Deklination ins Deutsche ("auf Christum", Seite 32) und
der Verwendung von Wörtern und Wendungen, deren Gebrauch sich
sonst auf ältere Gebetbücher beschränkt
("die Tücken und Ränke, die der Satan ersinnt", Seite
32; "unter tausend Kümmernissen und
Erbärmlichkeiten", Seite 55), definiert er eindeutig und rasch
das Genre des religiösen Erbauungsbuches, mindert aber auch
das literarische Vermächtnis der sprachlich und spirituell
kreativen Teresa von Ávila.
(Wolfgang Moser; 09/2006)
Teresa von Avila: "Die innere Burg"
Übersetzung: Fritz Vogelgsang.
Diogenes, 2006. 224 Seiten.
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Teresa
von Avila wurde am 28. März 1515 in Ávila geboren,
sie starb am 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes, dort begraben im
Karmeliterkloster. Mit sieben lief sie von zu Hause weg, weil sie bei
den Moslems als Märtyrerin sterben wollte. Der
religiöse Eifer war jedoch vergessen, als die Männer
anfingen, ihr den Hof zu machen. Der Vater gab sie daraufhin in die
Obhut von Augustinerinnen, wo sie ihren Entschluss, Karmeliterin zu
werden, gegen die Familie durchsetzte. 1560 hatte sie schreckliche
Visionen und erkannte, dass sie aus Eigensucht Ordensfrau geworden war,
nicht aus reiner Liebe zu Gott. Sie folgte ihrem Ordensgelübde
nun mit aller Strenge. Ihre Hingabe begeisterte viele Mitschwestern -
es entwickelte sich eine Reformbewegung. 1562 gründete sie das
erste von 15 reformierten Karmelklöstern. Ihre Wandlung war
eng mit der Selbstbefragung und der Suche nach einer tiefen Beziehung
zu Gott verbunden, was sie zur größten
Mystikerin
des Christentums machte. 1622 wurde sie heiliggesprochen.
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"Eine große, eine einmalige und doch so menschliche und anziehende
Persönlichkeit", nannte Papst Paul VI. sie, als er ihr erst 1970 als erster Frau
den Titel "Lehrerin der Kirche" zuerkannte: Teresa von Ávila.
Zu Lebzeiten geriet sie ins Visier der Inquisition, weil sie entgegen der
Tradition einen persönlichen Umgang mit Gott pflegte; sie redete mit ihm wie mit
einem Freund. Das machte sie nicht nur bei den Glaubenswächtern verdächtig, sie
verstieß damit auch gegen die damals herrschende Auffassung von der geistigen
und spirituellen Minderwertigkeit der Frau. Obwohl geistliche Schriften in der
Volkssprache verboten waren, verfasste Teresa ihre Lebensgeschichte und
beschrieb in mehreren Büchern ihre inneren Erfahrungen. Diese Texte zählen heute
zur Weltliteratur, und die darin geschilderten seelischen Erlebnisse nehmen
viele Erkenntnisse der modernen Psychologie voraus.
Doch Teresa von Ávila war nicht nur die größte Mystikerin des Christentums,
sondern vor allem auch eine bodenständige Frau mit großer Tatkraft. Sie
unternahm Reisen in ganz Spanien und gründete zahlreiche Klöster, die nicht nur
Orte des Gebetes und der Einkehr waren, sondern auch Schutzräume, in denen
Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft nach ihren eigenen
Vorstellungen leben konnten. Ihre Mitschwestern rief sie dazu auf, sich keine
Angst einjagen zu lassen. Sie sollten zeigen, "was in ihnen steckt", damit sie
"die Männer in Erstaunen versetzen". (Insel)
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Linda Maria Koldau: "Teresa von
Avila. Die Agentin Gottes 1515-1582. Eine Biografie"
Teresa von Avila (1515-1582) ist bis heute die am meisten gelesene Mystikerin.
Linda Maria Koldau erzählt lebendig und farbig ihren Lebensweg im Spanien der
Renaissance: von der kränklichen, Ritterromane verschlingenden Halbwaisen, die
gegen den Willen des Vaters in ein Kloster eintritt, bis hin zu der großen
Visionärin und Ordensgründerin, die ihre Autobiografie verfasst und sich gegen
Papst und Inquisition behauptet.
"Ich möchte unsere Seele als eine Burg betrachten, die aus einem einzigen
Diamanten oder einem sehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemächer
gibt": Mit diesen Worten beginnt Teresa von Avila ihr berühmtes Buch über
die "innere Burg", die es auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott zu
erkunden gilt. Dass sie deshalb ein Leben in kontemplativer Zurückgezogenheit
geführt hätte, wäre jedoch ein Trugschluss.
Linda Maria Koldau beschreibt, wie der Blick nach innen Teresa die Kraft gab,
ganz neue Wege zu wagen: als eine Gelehrte und Schriftstellerin, die als erste
Frau zur Kirchenlehrerin erhoben wurde, als eine Klostergründerin, die sich
gegen mächtige Widersacher durchsetzte, und als eine Geschäftsfrau, die
unzählige Klöster wirtschaftlich absicherte. Dies war auch ein Leidensweg, bis
hin zu Depressionen und Nahtoderfahrungen, aber gerade die Art, wie Teresa immer
wieder gestärkt aus existenziellen Krisen hervorging, macht bis heute ihre Größe
aus - und ihre Modernität. (C.H. Beck)
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