Helene Tursten: "Feuertanz"


Ein weiterer spannend und tiefgründig konzipierter Kriminalroman der Göteborger Autorin

Helene Tursten gehört zu den wenigen Frauen in der vordersten Reihe der skandinavischen Krimiautoren. Die Hauptfigur ihrer Romane, Inspektorin Irene Huss, steht mit beiden Beinen fest im Leben, auch wenn der Spagat zwischen einem fordernden und oft belastenden Beruf, Haushalt, Ehe und zwei heranwachsenden Töchtern nicht leicht fällt.

In diesem Band wird Irene Huss mit dem spurlosen Verschwinden einer jungen Choreographin konfrontiert. Als Monate später ein unbenutzter Schuppen abbrennt, findet sich in den Trümmern die teils verbrannte Leiche der Frau. Sie weist Spuren vorausgegangener Misshandlung und Einwirkung von starken Beruhigungsmitteln auf. Sophie Malmborg hatte offensichtlich keine Feinde. Doch Irene erinnert sich, dass fünfzehn Jahre zuvor Sophies Stiefvater unter äußerst ominösen Umständen beim Brand seines Hauses ums Leben kam. Die damals elfjährige Sophie wurde der Brandstiftung verdächtigt, jedoch nie überführt. Wollte sich jemand rächen? Die noch lebenden Familienmitglieder könnten Gründe dafür haben. Oder hat Sophies skrupellos geldgierige Mutter das letzte Tabu gebrochen und ihre Tochter getötet, um an deren Vermögen zu kommen? Welche Rolle spielt Sophies Halbbruder, der als kleiner Junge möglicherweise Zeuge des Brandes war, durch den sein Vater starb? Und welche Hinweise verbergen sich in Sophies posthum uraufgeführtem Tanzmärchen "Feuertanz", das offensichtlich autobiografische Elemente enthält? Irene begreift, dass bei der Ermittlung in dem Brandfall aus Sophies Kindheit etwas Wichtiges übersehen oder fehlinterpretiert worden sein muss.
Die Zeit drängt, denn plötzlich gerät eine bislang weitgehend übersehene Zeugin in Lebensgefahr.

Dieser Roman ist zwar vom Anfang bis zum Schluss packend, doch er hat wenig von der ständig atemlosen Spannung und nackten Brutalität vieler anderer skandinavischer Krimis: Das psychologische Moment steht im Vordergrund, vor allem jene Abgründe, die sich in scheinbar gewöhnlichen Menschen auftun können und erst recht in einer Persönlichkeit, die sich ohnehin am Rand des Abnormen befindet und plötzlich vom Strudel schrecklicher Ereignisse fortgerissen wird, die sie restlos überfordern. Helene Tursten fühlt sich intensiv in ihre Charaktere ein und erzielt damit eine ausgesprochen authentische Wirkung. Zugleich gelingt es dieser Autorin, Stimmungen, die durch besondere Orte oder Ereignisse erzeugt werden, sehr unmittelbar wiederzugeben.

Die Handlung ist klar strukturiert und logisch. Wie üblich kommen der tüchtigen Inspektorin beim Ermitteln private Probleme in die Quere - ein Aspekt, der sie so sympathisch macht und der auch nicht zu sehr bemüht wird, sodass der Faden an keiner Stelle verloren geht.

Die Romane um Irene Huss bilden zwar so etwas wie eine Reihe aus Fortsetzungen, aber man kann jederzeit "neu einsteigen", ohne sich mühsam orientieren zu müssen. "Feuertanz" zeichnet sich durch eine geschickt auskomponierte, spannende Geschichte mit interessanten Charakteren, starken Stimmungsbildern und psychologischem Tiefgang aus - kein Thriller also, sondern ein rundum lesenswerter Kriminalroman.

(Regina Károlyi; 06/2006)


Helene Tursten: "Feuertanz"
(Originaltitel "Eldsdansen")
Übersetzt von Holger Wolandt, Lotta Rüegger.
btb, 2006. 316 Seiten.
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Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

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