Kurt Tucholsky: "Schloss Gripsholm"
Eine
Sommergeschichte
Gelesen von Heike
Makatsch
(Hörbuchrezension)
Zum
entspannten Hinhören
Diese 'Sommergeschichte' (Untertitel) von Kurt Tucholsky (1890-1935)
war erstmals 1931 erschienen - nun liegt die Hörbuchfassung,
gelesen von Heike Makatsch vor - die übrigens auch in der
zweiten Verfilmung (2000) mitspielte. Bereits 1912 kam mit 'Rheinsberg'
eine Liebesgeschichte heraus, dennoch geriert sich Tucholsky etwas, als
Rowohlt ihn neuerlich auffordert, eine "kleine Liebesgeschichte" zu
schreiben: "In der heutigen Zeit
Liebe?
Lieben Sie? Wer liebt
denn heute noch? Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte."
Mit diesem fingierten Briefwechsel leitet Tucholsky seine
Erzählung ein - er schickt den Schriftsteller 'Daddy' mit
seiner Freundin Lydia, genannt 'Prinzessin', für fünf
Wochen zur Sommerfrische nach Schweden auf Schloss Gripsholm. Sie geben
sich der Illusion hin, der Realität entfliehen zu
können: "Und dann ließen wir wieder den
Wind über uns hingehen und sagten gar nichts. Das ist
schön, mit jemand schweigen zu können."
In diese frivol und verspielt daherkommende Sommergeschichte schleicht
sich allerdings auch ein Hauch von Melancholie ein, als 'Daddys' Freund
Karlchen und Billie, die Freundin der 'Prinzessin', auftauchen. Man
möchte eigentlich keine Zeitung lesen, aber man stellt auch
fest, dass man sich nur schwer erholt: "Man macht und tut,
auch wenn man gar nichts tut." Man badet nackt in einem See,
dann kuschelt 'Daddy' mit den beiden Frauen im Doppelbett. Eine
ernsthafte Episode ist eingeschoben: die beiden Urlauber retten
sozusagen ein Mädchen aus einem autoritär
geführten Kinderheim und bringen es zu seiner Mutter nach
Zürich. Man verwirft den Gedanken, hier auf Gripsholm
für immer Urlaub zu machen, weil man doch befürchten
muss, dass die "kleinen Unannehmlichkeiten" überhand nehmen
würden. Gegen Ende heißt es: "Haben wir
Angst vor dem Gefühl? Manchmal, vor seiner Form. Kurzes
Glück kann jeder. Und kurzes Glück: es ist wohl kein
andres denkbar, hienieden."
Obwohl Tucholskys Affinität zu Schweden bekannt ist, verwahrte
er sich dagegen, dass die Erzählung allzu viele
autobiografische Elemente enthalte - es "ist so ziemlich
alles in dieser Geschichte erfunden: vom Briefwechsel mit Rowohlt an
bis zur (Leider! Leider!) Lydia, die es nun aber gar nicht gibt. Ja, es
ist sehr schade."
Im Grunde - und das wissen wir alle - ist der Text belanglos; dass
Tucholsky etwas Derartiges schrieb, um Geld zu verdienen, sei ihm
verziehen. Es ist eben Trivialliteratur mit Niveau - für laue
Sommerabende vielleicht ein wenig unterhaltsam. Und Heike Makatsch gibt
sich alle Mühe, den Text einfühlsam wiederzugeben. Am
Ende heißt da ja: "Daddy - ich bedanke mich auch
schön für diesen Sommer!" - "Nein,
Alte - ich bedanke mich bei dir!" Na, dann danken wir dem
Kurt und der Heike, dem Rowohlt und dem Diogenes. Immerhin ist diese
Erzählung ein Beleg dafür, dass der Satiriker
Tucholsky immer die Hoffnung hatte, dass das Gute im Leben die Oberhand
behält. Und - seien wir ehrlich - das Gegenteil hat auch noch
niemand bewiesen.
(KS; 09/2007)
Kurt
Tucholsky: "Schloss Gripsholm.
Eine Sommergeschichte"
Ungekürzte Lesung von Heike Makatsch.
Diogenes, 2007. 4 Audio-CDs; Laufzeit ca. 259 Minuten.
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Kurt Tucholsky, am 9.
Jänner 1890 in Berlin
geboren, arbeitete - obgleich promovierter Jurist - als Journalist und
Schriftsteller. Er war hauptsächlich für die
Zeitschrift "Die Weltbühne"
tätig und schrieb sowohl unter seinem eigenen Namen als auch
unter den
Pseudonymen Theobald Tiger, Peter Panther, Ignaz Wrobel und Kaspar
Hauser. 1929
emigrierte er nach
Schweden. Nach der Machtergreifung
bürgerten ihn die
Nationalsozialisten 1933 offiziell aus, seine Bücher wurden
öffentlich
verbrannt. Am 21. Dezember 1935 starb Tucholsky, der - krank und
depressiv - schon längere Zeit kein
Wort mehr geschrieben hatte; vermutlich durch Selbstmord.
Lien zur Netzseite der "Kurt Tucholsky Gesellschaft":
https://www.tucholsky-gesellschaft.de.