Désirée v. Trotha: "Wo sich Himmel und Erde berühren"
Tuareg in der Weite der Wüste
"Boukaschkasch tanzte
jeden Tag und lebte ein fröhliches Leben. Sein Bruder Amaijas
betete jeden Tag und lebte ein ernstes Leben. Eines Tages beschloss
Amaijas, auch einmal zu tanzen und seine Gebete ausfallen zu lassen,
während Boukaschkasch gerade das Gegenteil tat, nicht tanzte
und zum ersten Mal betete. Da rief Gott die beiden zu sich. Er schickte Boukaschkasch ins Paradies und Amaijas in die Hölle." (Margarete; 05/2003) Désirée v. Trotha: "Wo sich Himmel und Erde berühren. Tuareg in der
Weite der Wüste" Désirée
v. Trotha, geboren 1961 in Augsburg, studierte Grafik-Design in
München und Regie in München und London. Von 1985 bis
1996 arbeitete sie als freie Regieassistentin bei Film und Fernsehen.
Seit 1991 lebt sie immer wieder für längere Zeit bei
den Tuareg in Algerien und
im Niger.
Genauso ungewöhnlich
wie diese berührende Geschichte über die
göttliche Gerechtigkeit ist dieser Bildband. Neben
beeindruckenden Fotos, die in erster Linie die unendliche Weite und
Farbenpracht der Wüste und des Horizonts zeigen,
erzählen die Geschichten und Tagebucheintragungen von
Menschen, die durch einen tiefen Glauben mit Gott verbunden sind, die
sich ihrer Endlichkeit täglich bewusst werden und vielleicht
gerade deswegen uneingeschränktes Vertrauen in die Natur und
die Fähigkeiten ihrer Marabouts haben.
Beeindruckend auch die gelungene Kombination der Bilder mit Suren aus dem Koran,
was dem Buch einen geradezu meditativen Charakter verleiht und den Leser zum
Innehalten einlädt und motiviert, das Bild und den Vers aus dem Koran als
Einheit - quasi vertiefend - zu betrachten und den Inspirationen nachzuspüren.
Die Tuareg, deren Gebiet sich
über die Staaten Niger, Mali, Libyen und Burkina Faso
erstreckt, werden dem Leser so vorgestellt, dass eine Verbundenheit mit
diesen stolzen Menschen entsteht. Die strenggläubigen
Wüstenbewohner, die kaum verstehen können, dass
jemand keinen Gott hat, halten trotz des Verbotes von Aberglauben und
Zauberei
durch den Islam an alten Gebräuchen fest. So wird ein Tuareg
immer das Zelt mit dem rechten Fuß betreten, sich mit
Karneolstein und Kaurimuscheln vor dem bösen Blick
schützen und an die besonderen Kräfte der Scherifen
glauben.
Die Scherifen sind Angehörige von streng religiösen
Tuareg-Familien. Aus deren Kreis stammen hauptsächlich die
Marabouts, heilige Männer, die dem Schöpfer besonders
nahe stehen und unglaubliche Kräfte besitzen, mit denen sie
Wohltaten an ihren Mitmenschen vollbringen.
Einige dieser
wunderschönen Geschichten sind im Buch nachzulesen. Es sind
dies Erzählungen über schützende und
abwehrende Amulette, reinigende Zeremonien, Liebe und Errettung aus
aussichtslosen Situationen.
Als Mitteleuropäer tendiert man
leicht dazu, sie als Mythen abzutun, obwohl etwas davon bis tief ins
Herz vordringt, die Rezensentin berührt hat und nicht mehr
loslässt. Die Tuareg sind an dieses Zweifeln gewöhnt
und meinen nur "Warte Fremder, bis ein starker Zauber dich trifft.
Mögest du dann gelassen handeln."
Die Bilder zeigen Himmel
über der Wüste, deren Farbenpracht und Vielfalt den
Betrachter fesselt. Die wenigen abgebildeten Menschen faszinieren durch
ihre Ausstrahlung, und die
Kamele
verschmelzen geradezu mit der Wüste. Immer wieder zeigen sich
Wolken am Himmel, manchmal einzelne, dann birst der Himmel geradezu
davon, und jeden Augenblick rechnet man mit Regen, der aber nur selten
und dann in Form von heftigen Gewittern und herabstürzenden
Flutwellen auf die dürstende Landschaft und deren Mensch
niedergeht.
Aber auch das nehmen diese Menschen mit Gelassenheit hin und sagen sich
"Inschallah" - so Gott will.
Désirée
v. Trotha ist es gelungen, mit diesem Bildband Sehnsucht zu wecken nach
der Wüste, nach dieser grenzenlosen Weite, nach den
himmlischen und irdischen Farben, die diese Landschaft zu bieten hat,
und danach, den Himmel und die Erde miteinander verschmelzen zu sehen.
Aber bei der Rezensentin wurde auch der Wunsch geweckt, sich mit dem Volk der Tuareg näher auseinanderzusetzen.
Einem Volk, das sich in seiner Sprache als imouhar oder imajeghan, freie Menschen, bezeichnet.
Frederking & Thaler, 2003. 164 Seiten, 100 Farbfotos.
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