Galsan Tschinag: "Der blaue Himmel"
Dies ist die Geschichte
eines jungen Tuwini, der in der mongolischen Steppe in einer relativ
traditionellen Nomadengesellschaft aufwächst. Er ist der Jüngste von drei
Geschwistern, und sein Leben ist angefüllt von seiner Familie, den Schafen und
seinem Hund Arsylang. Als sehr kleines Kind ist er einmal fast in einem Kessel
mit heißer Milch ertrunken und konnte danach einige Zeit den üblichen Arbeiten
entgehen, da seine Verbrennungen am ganzen Körper ausheilen mussten. In dieser
Lebensphase zog auch die Großmutter, die ihre eigene Viehherde mitgebracht hat,
in die familiäre Jurte ein. Diese Herde wird dem kleinen Enkel zuerkannt, der
sich - sobald es ihm besser geht - aufopferungsvoll um die Tiere
kümmert.
Einige Zeit später
werden die älteren Geschwister und all die anderen Kinder der Gemeinschaft durch
einen sozialistischen Gebietskommandanten in die fern gelegene Schule beordert,
und der kleine Junge ist nun mit den drei Erwachsenen und seinem Hund alleine,
was er als herben Verlust empfindet. Er konzentriert sich immer stärker auf die
Arbeit und beobachtet gleichzeitig, wie sich die anderen Familien in der
Gesellschaft, in der er lebt, zunehmend von den traditionellen Wegen abwenden,
sehr zum Spott seines Vaters.
Ab hier ist der Roman
eine Geschichte der Beobachtung dieses gesellschaftlichen Zwiespalts, der die
Familie des Jungen immer mehr von den anderen Leuten in der Gruppe isoliert. Als
auch noch seine Großmutter stirbt, wird der Kleine immer unruhiger und
unsicherer, was das weitere Leben angeht; weil er ahnt, dass er bald aus seiner
gewohnten Lebensumgebung gerissen werden wird, um die Schule zu besuchen.
Aber er hat ein eigenes
Ziel im Leben: Er möchte gerne ein Baj werden - ein Mann, der 1000 Schafe
besitzt. Um dieses Ziel zu erreichen, kümmert er sich noch intensiver um die
Herde, die er von seiner Großmutter geerbt hat und freut sich über jedes neue
Lamm, das geboren wird. Doch dann kommt ein harter Winter, und etliche Tiere der
beiden Herden der Familie verenden in der Kälte und Nässe. Etliche Lämmer
verhungern, weil ihre Mütter sie nicht mehr säugen können, was die Mutter des
Buben zu einem heftigen Fluch gegen die höchste Gottheit der Tuwini veranlasst.
Doch auch dieser Winter geht vorbei, und es sieht wieder hoffnungsvoller
aus.
Als nun auch noch der
geliebte Hund Arsylang wenig später Gift frisst, das der Vater zur Wolfs- und
Fuchsjagd ausgelegt hat, bricht die Welt des Jungen endgültig zusammen, und der
Roman endet mit einem rasenden Wutanfall des noch nicht einmal Achtjährigen
gegen die Welt, die Eltern und die höchste Gottheit der Tuwini.
Dieses Buch ist,
aufgrund der Gestalt des Ich-Erzählers, sehr einfach in seiner Sprache, und es
tauchen häufig Erklärungen von Motivationen und Ideen auf. Interessant ist es,
das nomadische, entbehrungsreiche Leben der Tuwini zu betrachten.
Galsan Tschinag, (eigentlich
Irgit Schynykbaj-oglu Dshurukawaa), geboren 1943 in der Westmongolei, ist Stammesoberhaupt
der turksprachigen Tuwa. 1962 kam er nach Leipzig, wo er Deutsch lernte und
Germanistik studierte. 1968 kehrte er in die Mongolei zurück. Er lebt den größten
Teil des Jahres in der Landeshauptstadt Ulaanbaatar und verbringt die restlichen
Monate abwechselnd als Nomade
in seiner Sippe im Altai und auf Lesereisen im Ausland. In seinen Büchern entfaltet
Galsan Tschinag eine ästhetische Sicht des Nomadenlebens, das von einer intensiven
Bindung an die Natur geprägt ist. Seine Romane, Erzählungen und Gedichte schreibt
er meist auf Deutsch.
Galsan Tschinag wurde mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet, 1995 mit
dem Puchheimer Leserpreis, 2001 mit dem Heimito-von Doderer-Preis. 2002 wurde
ihm in Deutschland das Bundesverdienstkreuz verliehen. Seine Werke wurden in
über ein Dutzend Sprachen übersetzt.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2003)
Galsan Tschinag: "Der blaue Himmel"
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Informationen zur Mongolei
Weitere Bücher von Galsan Tschinag:
"Tau und
Gras"
Galsan Tschinag erzählt hier
die Geschichten, die der Stoff seiner Kindheit sind und die sich in seine
Erinnerung eingegraben haben. Geschichten von seiner weitverzweigten Familie,
von Festen, Heimsuchungen, Krieg und Liebe. Geträumte Wirklichkeit und als
Realität erlebte Märchen verbinden sich und münden in einen Gesang an den
Altai.
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"Auf der großen blauen Straße"
Als der Junge aus der mongolischen Steppensiedlung in Deutschland ankommt, gibt es viel zu
staunen und zu lernen. Es treten in sein Leben: die verrückten Kommilitonen aus
aller Herren Länder auf der Suche nach dem Absoluten. Verena und ihre Kunst, glücklich
zu machen. Ein Schriftsteller und Pferdenarr mit Namen Strittmatter, dem der
Jurtenjüngling zeigt, wie man ein Pferd mit dem Lasso fängt. Und eine neue
Sprache mit wundersamen Wörtern: Topinambur!
Nach "Tau und Gras" setzt Galsan Tschinag die Kette seiner
Lebensbilder fort: funkelnde Geschichten, in denen er die Zeit und ihren Geist
einfängt und die Menschen auf seinem Weg unvergesslich werden lässt.
(Unionsverlag)
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"Der Wolf und die
Hündin"
Ein Wolf und eine Hündin haben sich
zusammengetan, sind ein Paar, die Hündin ist hoch trächtig. Auf ihrer gemeinsamen
Jagd haben sie für einmal buchstäblich auf das falsche Pferd gesetzt, nämlich
auf ein gesundes, das den beiden die letzten Kräfte abverlangt. Ermattet und
mit voll geschlagenen Bäuchen werden Wolf und Hündin nun von den Menschen verfolgt,
von Jägern und
Schamanen. Es wird eine lange, qualvolle
Flucht, die, die beiden wissen es, im Himmel der Wölfe
enden wird.
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"Die
Karawane"
Galsan Tschinag,
Stammesoberhaupt tuwinischer Nomaden, erfüllt sich 1995 einen Traum: Über
zweitausend Kilometer führt er einen Teil seines in den 1960erjahren
zwangsumgesiedelten Volkes zurück, zu den Weideflächen und Jagdgebieten im Hohen
Altai. Ganze Generationen ziehen in einer biblisch anmutenden Karawane mit
schwer beladenen Kamelen über schroffe Berge und durch karge Steppen nach
Westen, um die ursprüngliche Lebensweise als Nomaden wieder
aufzunehmen.
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"Das Ende des
Liedes"
Alle, mit denen Schuumur
spricht, meinen, dass es unklug sei, nach dem Tod seiner Frau mit den vier
Kindern allein zu bleiben. Er jedoch flieht vor seiner Jugendliebe Gulundschaa
und will seine Jurte so schnell wie möglich abbrechen. Aber seine Tochter, ein
dreizehnjähriges, zu früh erwachsen gewordenes Mädchen, hat genug von der
Einsamkeit und sehnt sich nach Menschen.
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"Im Land der zornigen
Winde"
Der tuwinische Erzähler
Galsan Tschinag mit dem persönlichsten seiner Bücher. Im Austausch mit der
Völkerkundlerin Amélie Schenk ist dieses außergewöhnliche Werk entstanden: eine
Liebeserklärung an das Nomadenleben, ein tiefer Blick in die Geheimnisse einer
untergehenden Kultur, eine rückhaltlose Bilanz der Wanderungen zwischen Ost und
West.
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"Die Rückkehr. Roman meines Lebens" zur Rezension ...