Andreas Schlieper: "Tractatus Satanicus"

Die Geschichte des Teufels, von ihm selbst erzählt

"Diese Welt mag sehr fehlerhaft und unvollkommen sein, wenn man einen höheren Maßstab anlegt."

(David Hume)


Endlich hat der Teufel sein Schweigen gebrochen! Er entführt den Leser, begleitet ihn auf einer Reise durch die komplette Weltgeschichte, öffnet ihm dadurch die Augen und die Möglichkeit, die Entstehung der Menschheit aus Satans Blickwinkel nachzuvollziehen.

Der Entschluss Luzifers, seine Geschichte niederzuschreiben und die Auswahl des geeigneten Ghostwriters sind rasch getroffen und dulden keinen Widerspruch. Der entsprechende Vertrag wird mit Blut unterschrieben, und die Nebenabreden für den Fall der Nichterfüllung sind teuflischer Natur. Also bleibt dem Verfasser des Buches gar nichts Anderes über, als sich ausschließlich diesem Werk zu widmen.

Die Geschichte des Teufels beginnt im Paradies, wo Adam und Eva friedvoll leben. Der Teufel gibt unumwunden zu, dass das Werk Gottes an Perfektion kaum zu überbieten ist und bastelt an seiner eigenen Welt. Als die Menschen Gottes einzige Regel übertreten und eigentlich in einen Zustand des Nichtseins verbannt werden sollen, werden sie statt dessen in die noch nicht ganz fertige Welt des Teufels geschickt. Doch nicht nur die Menschen müssen den Garten Eden verlassen, auch Tiere, die sich keinerlei Schuld bewusst sind, werden des paradiesischen Ortes verwiesen. Anstatt Dankbarkeit zu zeigen, verfluchen die Menschen aber seit jeher den Teufel, wie dieser empfindet aber zu Unrecht. Also entschied Luzifer vorerst in die Rolle Gottes zu schlüpfen, um von den Menschen überhaupt wahrgenommen zu werden und sie einige überlebenswichtige Dinge lehren zu können.

In dieser erzählerisch herrlichen Art wird die biblische Geschichte behandelt, Kain und Abel werden analysiert, die Beziehung zwischen Teufel und Tod, die Geschichte der Sintflut und die damit verbundene Frage, warum Gott gerade die Fische verschont hat, wo sie doch so gar nicht seinem Ebenbild entsprechen. Entrüstet berichtet der Teufel von den unerträglichen Unarten der Menschen, die ihn immer wieder in höchstem Maße verärgern.
Sehr eigenartig findet er, dass Menschen in ihrem Wahn immer wieder alles auf das menschliche Maß reduzieren. Sie bedenken nicht, dass der Teufel weder Mann noch Frau ist und auch nicht wünscht, mit menschlichem oder tierischem Geschlecht in Verbindung gebracht zu werden, wenngleich sich im Hinblick auf Sexualität und Wolllust durchaus einige Parallelen ergeben können.
Er weigert sich auch, als das Böse bezeichnet zu werden, vielmehr sieht er sich als nicht vollkommener Weltenschöpfer. Er schuf den Neid als Antriebsmotor und muss immer wieder feststellen, dass seine Schöpfung ohne die Menschen eine bessere wäre.
Die Geschichte Buddhas wird beleuchtet, und auch Jesus begegnet dem Teufel, und die beiden verlieren sich in einem längeren Gespräch - über Gott und die Welt.

Die Menschheitsgeschichte wird auf eine humorvolle, sprachlich einzigartige Weise neu erzählt, die jeden Leser in ihren Bann ziehen wird. Sehr informativ die Anmerkungen am Ende des Buches, die zusätzlich einige Denkanstöße geben können.

Andreas Schlieper, 1951 in Düsseldorf geboren, hat Ökonomie studiert. Seitdem arbeitete er in verschiedenen Funktionen in Nordrhein-Westfalen, zuletzt in der Landesregierung. Zu seinen Veröffentlichungen zählt u. a. "Die Nähe fremder Kulturen. Parallelen zwischen Japan und Deutschland" (1997).

(margarete; 09/2003)


Andreas Schlieper: "Tractatus Satanicus"
C. Bertelsmann, 2003. 608 Seiten. 
ISBN 3-570-00739-1.
ca. EUR 26,-.
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