Uwe Timm: "Kopfjäger"


"Um es gleich zu sagen: ich werde gesucht."

Peter Walter, ein Hausgenosse der Frau Brücker aus "Die Entdeckung der Curry-Wurst", ist der Ich-Erzähler dieses Romans, der die Befindlichkeiten der deutschen "Yuppies" in den ausgehenden 80er Jahren des 20. Jahrhunderts beschreibt. Als ungewolltes Kind einer Friseuse geboren, wächst er mit vielen verschiedenen "Vätern" auf und beginnt schon früh, sich von Zu Hause zu absentieren. Zusammen mit einem nur vier Jahre älteren Onkel verbringt er in Hamburg eine bewegte Kindheit. Aber vom Karrieretechnischen her keine überaus erfolgreiche. Seine Schullaufbahn bricht er genauso frühzeitig ab wie seine Ausbildung. Schließlich findet er sich als Fassadenputzer wieder; in einem Beruf, der ihm ganz eigene Perspektiven vermittelt. Sein Onkel ist zur gleichen Zeit wesentlich erfolgreicher - und das wohl in jeder Hinsicht.

Über eine Arbeit als Drücker kommt Walter schließlich zu einer Anstellung bei einer Versicherung und über diesen Weg zu einer Anlageberatung in einer Bank. In diesem Metier macht er sich schließlich zusammen mit einem ein wenig chaotischen Republikflüchtling selbstständig. Schnell beginnt für die Beiden - und ihre Familien - das Leben der "Yuppies", wie man es in den späten 1980er Jahren noch kannte, und mehr oder weniger zufällig gleiten ihre Unternehmungen zunehmend in die Illegalität ab.

Walter begegnet seinem Leben dabei in seiner Erzählung mit einer gewissen Faszination für den Niedergang, der sich auch an seinem gesteigerten Interesse für das Leben und Sterben der Kultur der Osterinseln zeigt, über die der Leser aus diesem Buch gleichfalls eine ganze Menge erfährt.

Neben der Frage, was richtig und falsch ist, beschäftigen Walter seine Familie und seine Herkunft, sowie die Frage, was Erzählungen denn alles bewirken können. Denn er sieht immer wieder den parallelen Lebensweg seines Onkels, der sich als Autor versucht und dies eigentlich schon in der Kindheit angedacht hatte, während sich sein eigener Lebensweg über allerlei Umwege nun dahin bewegt hat, wo er jetzt ist - auf der Flucht vor der Justiz. Dabei nutzt er seinen Mobilrechner, den er ursprünglich zur Arbeit über die Osterinseln mitgenommen hat, um genau die Geschichte zu erzählen, die sich zwischen diesen Buchdeckeln wiederfindet. Und die Frage, was wir überhaupt anrichten, wenn wir Geschichten erzählen - oder ihnen gut zuhören.

Neben einem interessanten Zeit- und Gefühlsbild eines Ausschnitts des deutschen Lebens und Erlebens kurz vor dem Mauerfall ist "Kopfjäger" auch ein Buch, das viel über die Planbarkeit von Lebenswegen sagt und die Frage stellt, was denn nun im Endeffekt ein Glücksfall oder ein Unglück ist. Eine sehr ruhige und trotzdem fesselnde Erzählung, die einen auch später - nach dem Ende der Lektüre - immer wieder aufmerken lässt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2007)


Uwe Timm: "Kopfjäger"
Gebundene Ausgabe:
Kiepenheuer & Witsch, 1991. 447 Seiten.
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Taschenbuch:
dtv, 2006. 431 Seiten.
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