Charlotte Thomas: "Die Madonna von Murano"


Um es gleich vorweg zu sagen: dieses Buch werden Sie erst wieder aus der Hand legen wollen, nachdem Sie es zu Ende gelesen haben. Deshalb ist es die ideale Lektüre für ein langes Wochenende oder für Urlaubstage. Und ein Muss, wenn Ihre Reise Sie nach Italien oder gar nach Venedig führt.

In eindrucksvollen Bildern, spannend und voller Liebe zum Detail erzählt Charlotte Thomas kraftvoll und mitreißend die Geschichte des Waisenkindes Sanchia, das auf dem Höhepunkt des venezianischen Karnevals 1475 auf einem Hinterhof von seiner sterbenden Mutter geboren wird. Der Glasbläser Piero, der zufällig Zeuge dieser Szene wird und ihr zu Hilfe eilt, nimmt das Neugeborene mit nach Hause. Er und seine Frau haben kurz zuvor ihren kleinen Sohn verloren, und so wächst Sanchia als ihre Tochter auf. Schon bald aber holt sie das Geheimnis um ihre Geburt auf grausame Weise ein.

Die spannende Handlung um Sanchia ist eingebettet in eine detaillierte Schilderung der Stadt Venedig und ihrer Bewohner im ausgehenden 15. Jahrhundert. Da wird gebaut, gehandelt, Kriege werden geführt, es wird gefeiert, intrigiert, geliebt und gehasst, verfolgt und gerettet, geboren und gestorben, kurz, es ist das pralle Leben, das da sehr ausführlich und sinnlich (im Sinne von: alle Sinne ansprechend) vorgeführt wird. Man erfährt vieles über die Geheimnisse der Glasmacherkunst auf Murano, die Anfänge der modernen Medizin, das Wissen der Hebammen sowie andere neue Entdeckungen und Erkenntnisse dieser aufregenden Zeit. Wenn die Protagonisten durch Venedig gehen, glaubt man fast, ihnen folgen zu können.

Die Exkursionen nach Florenz und Rom bleiben im Vergleich dazu blass und skizzenhaft. Auch die historischen Figuren, denen Sanchia begegnet, bleiben Statisten, nette Anekdoten am Rande. Dagegen sind die meisten anderen Nebenfiguren durchaus mit Leben gefüllt und nehmen ihren eigenen Raum ein, allen voran der Glasbläsergehilfe Pasquale, Sanchias Freundin Eleonora und schließlich ihre Schülerin Maddalena.

Auf den letzten 100 Seiten fällt der Spannungsbogen etwas ab: das Geheimnis um Sanchias Herkunft scheint gelüftet, und Sanchias gefühlte Unruhe überträgt sich nicht so ohne Weiteres auf den Leser. Die endgültige Auflösung allerdings kommt wirklich erst zum Schluss und ist durchaus überraschend, auch wenn im Rückblick festzustellen ist, dass viele Details schon darauf hingedeutet haben ...

(Elke Krieger-Ried; 05/2007)


Charlotte Thomas: "Die Madonna von Murano"
Ehrenwirth, 2007. 1028 Seiten.
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Hörbuch:
Lübbe Audio, 2007.
Sprecherin: Anne Moll.

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Charlotte Thomas war Richterin und Rechtsanwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete.