Hans Albert: "Das Elend der Theologie"
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Theologie Hans Küngs
Hans
Albert, 1989 emeritiert,
wird zu den bedeutenden Philosophen des 20. Jahrhunderts
gezählt. Neben dem
Begründer des Kritischen Rationalismus,
Karl
Popper, ist Albert dessen
wichtigster Vertreter.
Diese Schrift entstammt dem Jahr 1979, wurde jedoch 2004, also 25 Jahre
später,
mit einem weiteren Kapitel und einem zweiten Vorwort versehen, erneut
verlegt,
da sich an dem Anlass der ersten Publikation nichts verändert
hatte.
Prolog
Das Thema zusammen mit dem reichlich plakativen Titel der Publikation
erfordern
ein paar Worte zur generellen Einordnung dieses Buches. Der Autor
bezieht sich
in diesem Buch auf Thesen des Hans Küng, die dieser in seinen
Büchern "Christ
sein" (1974) und "Existiert Gott" (1978) aufstellte. Hans Küng
suchte in diesen Werken die Nähe zur Philosophie und wendete
auch deren
Verfahren an. Doch dabei - und ausschließlich darum geht es
in diesem Buch -
unterliefen ihm methodische und logische Fehler, wie der Autor
nachweist. Es
geht in diesem Buch nicht um die Bewertung des Christentums oder der
Religion,
es geht nicht um deren heilige und unheilige Geschichte, sondern
ausschließlich
um methodologische Schwächen bei der Definition und in der
Beweisführung der
theologischen Thesen in den beiden genannten Büchern.
Zitate wurden vom Rezensenten an die neue Rechtschreibung angepasst.
Kritischer Rationalismus
Der Kritische Rationalismus
betont, dass die menschliche Vernunft kaum absolute Wahrheit zu
begründen oder
zu erkennen vermag. Die auf einer Reihe von Beobachtungen schwarzer
Raben
beruhende Hypothese, alle Raben seien schwarz, ist nicht beweisbar.
Schon
Aristoteles wusste, dass All-Aussagen nicht beweisbar sind,
höchstens
widerlegbar. Erst der erste weiße oder blaue Rabe wird
negative Gewissheit
bringen können über die These der schwarzen Raben.
Der kritische Rationalismus
ist ein Werkzeug der Wissenschaftstheorie und isoliert nicht haltbare
Aussagen,
die sich unserem Erkenntnisvermögen und somit unserer
Erkenntnis entziehen.
Im Spannungsfeld zwischen Theismus und Atheismus bezieht der Kritische
Rationalismus keine Position, da er einfach beide Standpunkte
für nicht
beweisbar hält. Wenn nun nach bisherigem Erkenntnisstand ein
Atheist das
Christentum zu widerlegen versucht, so sieht er sich dem Theismus und
dem
Kritischen Rationalismus ausgesetzt, tritt auf der anderen Seite ein
Theist den
Gottesbeweis an, so sieht er sich den Atheisten und den kritischen
Rationalisten
ausgesetzt. Und genau dies ist der Anlass dieses Buches, denn Hans
Küng
publizierte seinen vernünftig verantwortbaren
Gottesglauben und Hans
Albert widerspricht ihm.
1968 formulierte Hans Albert in seinem Werk "Traktat über
kritische
Vernunft" hinsichtlich sog. Letztbegründungen, dass man bei
dem Versuch
eines Beweises einer Letztbegründung an einem der folgenden
Probleme scheitert:
- | infiniter Regress: jede Begründung erfordert wieder eine weitere Begründung - ad infinitum |
- | logischer Zirkel: in der Begründung steckt bereits die Annahme |
- | Dogma: eine zu beweisende Annahme wird vorausgesetzt |
Da
es unmöglich ist, sich -
wie Münchhausen - selbst an den Haaren aus dem Sumpf
zu ziehen, wird dieses
Trilemma auch als Münchhausentrilemma bezeichnet. Eine sehr
schöne von Michael
Schmidt-Salomon verfasste Beschreibung des Trilemmas findet man unter
[1].
Die Thesen Küngs
Küng argumentiert mit dem Grundvertrauen zur Wirklichkeit,
das, wenn es einmal
hergestellt ist, einen sicheren argumentativen Pfad zu Gott
ermöglicht. Die für
Küng undenkbare Alternative zu dem Grundvertrauen ist der
Nihilismus, den er überwiegend
unnuanciert in den dunkelsten Farben porträtiert. Der Wegfall
Gottes als
Weltverursacher und Sinngeber führe zwingend zu einer
akulturellen
Gesellschaft. Und das könne niemand wollen. Dem Grundvertrauen
der Wirklichkeit
als Weg zu und mit Gott steht ein Grundmisstrauen gegenüber,
das er mit dem
Nihilismus gleichsetzt: "Diese negative Grundeinstellung bedeutet eine
nihilistische Fixierung auf die Nichtigkeit der Wirklichkeit und
für alles
menschliche Verhalten und Erleben eine abgründige
Ungewissheit." Diese
Argumentation nennt Albert eine "Erpressung mit der einzigen
Alternative".
Küng fragt auch hinsichtlich der Sinnlosigkeit des Nihilismus,
wie denn ein
Einzelschritt sinnvoll sein könne, wenn der ganze Weg absurd
sei?
Ludwig Feuerbach beschrieb 1841 in seinem philosophischen und
religionskritischen
Hauptwerk "Das Wesen des Christentums", dass Religion ein Produkt der
Einbildungskraft sei und dass der Gott der Menschen notwendig so
aussehe wie die
Menschen, also anthropomorph sei. Dieser Ansatz besticht nicht zuletzt
durch die
klare Einfachheit und Schlüssigkeit seiner Argumentation. Denn
bereits William
von Ockham stellte fest, dass der eitel handele, der zur
Erklärung eines
Sachverhalts mehr Annahmen zugrunde lege als nötig. Stellt man
nun die
katholische Theologie in toto der These Feuerbachs gegenüber,
so springt die
Komplexität des theologischen Erklärungsmodells ins
Auge. Angesichts dieser
Relationen fordert nun Hans Küng, Feuerbach habe auch die
Beweislast für sein
Postulat zu tragen. Hans Albert fragt nun mit Recht, ob denn im
Vergleich zu
Feuerbachs Thesen nicht eher dem opus christianum das Attribut Postulat
zukäme
und so Küng die Beweislast selbst zu tragen habe.
So schreibt Hans Küng, Gott sei die "absolut-relative,
diesseitig-jenseitige, transzendent-immanente,
allesumgreifende-allesdurchwaltende wirklichste Wirklichkeit im Herzen
der Dinge".
An anderer Stelle ist "Gott somit in der Welt zugleich der
Welttragende,
Welthaltende und Weltgeleitende", der "nahe-ferne,
weltlich-unweltliche Gott", "Ursprung", "Ursinn" und
"Urwert". In diesen Begriffen zeichnet sich der Zirkelschluss bereits
ab: das sich selbst begründende Wesen, die causa sui.
Dass nun aus dem Atheismus heraus Gott weder beweisbar noch widerlegbar
sei,
ergibt nun für Gott die Möglichkeiten der Existenz
und Nichtexistenz.
Nichtexistenz führt zum nihilistischen Zustand des
Unbegründetseins und der
Ziellosigkeit, Existenz aber zu Ursprung, Weg und Ziel. Somit wird der
Glaube an
die Existenz Gottes zur besseren Alternative. Nimmt man diesen Glauben
an, so
erfährt man im Vollzug des Glaubens nach Küng die
radikale Vernünftigkeit des
Glaubens. Albert nennt diese Argumentation prompt einen "Missbrauch der
Vernunft im Dienste menschlicher Bedürfnisse".
Nach diesen Betrachtungen über den eher philosophischen Gott
geht Hans Küng nun auf den anthropomorphen Gott des
Christentums ein, den er als die "Güte selbst" kennzeichnet.
Da kommen andere Autoren zu ganz anderen Ergebnissen, wie zum Beispiel
Franz Buggle [2]. Aber Hans Küng schreibt weiter: "Der
biblische Gottesglaube ist in sich stimmig, ist zugleich rational
verantwortbar und hat sich in einer mehrtausendjährigen
Geschichte bewährt." Hierzu schreibt Hans Albert: "[...] dass
die "Bewährung" des Glaubens mit so vielen Verbrechen und
Katastrophen verbunden war [...], dass man hier eher von einem
Fehlschlag reden könnte [...]". Eine "rationale
Verantwortbarkeit" scheint gegenüber den Opfern
einigermaßen zynisch zu sein. Küng behauptet auch
die Kompatibilität des katholischen Glaubens mit den
Vorstellungen
Einsteins.
Doch dem muss energisch widersprochen werden, denn Einsteins Gott der
"naturgesetzlichen Harmonie" hat Ähnlichkeit mit den
Vorstellungen Giordano Brunos, für die dieser von dem
"Kirchenlehrer" Roberto Bellarmin auf den Scheiterhaufen geschickt
wurde. Insgesamt stamme das Christentum "aus jenem
schöpferischen ersten Grund der Gründe, den wir Gott,
eben den Schöpfergott, heißen". Vor diesem
Hintergrund wird das Theodizee-Problem mit einem uns "verborgenen Sinn"
verkleidet, durch den das "Gottvertrauen als Verwurzelung des
Grundvertrauens" seine "größte Tiefe" erreicht.
Zum Thema Moral und Kant schreibt Albert völlig zutreffend:
"Das objektive und unbedingte Moralgesetz, das seiner Auffassung nach
gleichsam als ein Faktum der reinen Vernunft gegeben ist - dessen wir
uns a priori bewusst sind, und welches apodiktisch gewiss ist -, kann
seinerseits nicht mehr begründet werden und bedarf auch, wie
er feststellte, keiner Begründung, schon gar nicht einer
Stützung auf einen fremden Willen, etwa den Willen Gottes."
Küng hingegen fordert eine theologische Begründung
ein, denn nur "Gott sei das Unbedingte in allem Bedingten". Dann geht
er sogar so weit und unterstellt Kant, er habe Gott vorausgesetzt,
sofern der Mensch sittlich sinnvoll leben wolle, obwohl Kant dieses
expressis verbis ausgeschlossen hatte. Wenn Kant eine apodiktische
Moral aus der Vernunft ableitet, so hat diese eine wesentlich bessere
Rechtfertigung als eine theonome und auch utilitaristische Moral, die
sich der Mühe der Begründung entzieht und den
Begründungsregress durch ein Dogma beendet. Man erkauft sich
sein Seelenheil über ein moralisches Handeln; bei Atheisten
ist der Preis bedeutend geringer, denn man erlangt lediglich
Selbstachtung
als
Zins moralischen Handelns. Denn die Geschichte bis hin zur Gegenwart
ist voll von Beispielen religiös motivierter
Abscheulichkeiten, die von den Statthaltern und Interpreten des jeweils
göttlichen Willens und Wesens gesteuert oder zumindest
geduldet wurden. Ein theologischer Moralbegriff Kantscher
Prägung hätte dies verhindert.
Der Autor hebt mehrfach Albert Schweitzer hervor, der die Ergebnisse
der
Leben-Jesu-Forschung zum Anlass nahm, seinen christlichen Glauben zu
modernisieren, an denen die alten Thesen nicht mehr haltbar waren und
offen der
Realität zuwiderliefen. "Albert Schweitzer hat wie kaum ein
anderer
Theologe die Religionskritik der Aufklärung ernst genommen und
hat sich zu
einer ethisch bestimmten Weltauffassung durchgerungen, die auf jede
religiös-metaphysische
Fundierung verzichtet." Es geht im Wesentlichen darum, dass Jesus
nachweislich an das Ende der Welt und das noch zu Lebzeiten eintretende
jüngste
Gericht glaubte. Wer sich in einer so zentralen Frage des Glaubens
irrte, kann
sich auch in anderen theologischen Fragen geirrt haben, sagen Kritiker.
Bei Hans
Küng aber irrte Jesus hier nicht: "Bei der Naherwartung
handelte es sich
weniger um einen Irrtum Jesu als um eine zeitbedingte, zeitgebundene
Weltanschauung [...]" Nur Einzelne irren also nach Küng, wenn
alle falsch
liegen, so handelt es sich um eine Weltanschauung. Das ist so abstrus,
dass man
es gar nicht zu Ende denken darf.
Fazit
Theisten und Atheisten bilden die beiden Extreme einer unvereinbaren
Betrachtung
der "letzten Dinge". Das Problem liegt darin, dass die Wahr-Nehmung
beider grundverschieden ist und gegenseitiges Verstehen
auszuschließen scheint.
Neueste
Gehirnforschungen brachten inzwischen ein Art Glaubenszentrum
zutage. Für
die Theisten ist es ein von Gott eingerichteter Kanal, über
den dieser zu den
Menschen Kontakt aufnehmen kann, und für die Atheisten eine
der Vernunft unzugänglich
eRegion, in der eine hohe Endorphinkonzentration vorherrscht.
Man wird dieses Buch brillant finden oder schlicht indiskutabel,
vermutlich
reziprok zum Urteil über Küngs Schriften. Vielleicht
kann es auch als Anlass
dienen, sich mit Albert Schweitzer einmal näher auseinander zu
setzen.
(Klaus Prinz; 07/2005)
Hans
Albert: "Das Elend der Theologie"
Alibri, 2005. 222 Seiten.
ISBN 3-86569-001-7.
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Hans Albert starb am 24.
Oktober 2023.
Quellen
[1]
https://www.schmidt-salomon.de/muench.htm[2] Franz Buggle: "Denn sie wissen nicht, was sie
glauben. Oder
warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann. Eine
Streitschrift"
Buggle stellt die Frage, ob jemand gleichzeitig auf dem Fundament der
Bibel Christ sein und intellektuell redlich bleiben, konsequent denken,
human handeln kann - und antwortet mit Nein. Der Psychologieprofessor
belegt diese Einschätzung anhand einer Analyse biblischer
Texte (auch des
Neuen Testaments). Dabei weist er im "Buch der
Bücher" nicht nur zahlreiche inhumane Stellen (Rechtfertigung
von Völkermord und Gewalt gegen "Abweichler", paulinischer
Antijudaismus u.v.m.) nach, sondern setzt sich auch kritisch mit den
Folgen biblischer Vorstellungen für die ethische Orientierung
des Einzelnen auseinander (z.B. Kreuzestod Jesu als
Erlösungstat; "ewige" Verdammnis; Willkürlichkeit
göttlicher Gnade). Buggles Kritik richtet sich insbesondere
auch gegen die Positionen zeitgenössischer "progressiver"
Theologen (Küng) und christlicher Wissenschaftler (C.F.
von Weizsäcker),
die zwar die Kirche negativ bewerten, aber an der Bibel und den darin
propagierten "christlichen Werten" festhalten. (Alibri)
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Hans
Küng: "Christ sein"
Piper Verlag
678 Seiten
Hans
Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, ist Professor emeritus
für Ökumenische Theologie an der Universität
Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Sein
Werk liegt im Piper Verlag vor. Zuletzt erschienen seine
Erinnerungen
unter dem Titel »Erkämpfte Freiheit«, sein
Grundlagenwerk »Der Islam« sowie »Der
Anfang aller Dinge. Naturwissenschaft und Religion« und
»Musik und Religion«.
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Hans Küng: "Existiert
Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit"
Piper TB
878
Seiten
Hat
die
Religion noch eine Zukunft? Warum an Gott glauben und nicht
einfach an
humane Werte – an Brüderlichkeit, Freiheit und
Liebe? Existiert Gott überhaupt? Viele Menschen zweifeln an
ihrem Glauben, sind ratlos und unentschieden, sehnen sich nach
Gewißheit. Hans Küng nimmt ihre Zweifel ernst. Er
untersucht die historischen Wurzeln der Gottesfrage und kommt zu dem
Ergebnis: Gott existiert, und auch als Mensch der Gegenwart kann man
vernünftig an Gott, vielleicht sogar an den christlichen Gott
glauben. »Küng gehört ganz eindeutig zu den
wichtigsten Theologen, die erfolgreich die Religion einer breiten
Öffentlichkeit vermitteln können.«
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Hans
Küng: "Der Islam. Geschichte, Gegenwart, Zukunft"
„Seit
über zwei Jahrzehnten sind die Weltreligionen zentrales Thema
von Hans Küng. Mit seinen weltweit einflußreichen
Büchern hat er Pionierarbeit für einen Dialog der
Kulturen geleistet.
In
seinem neuen großen Werk bietet der Autor eine profunde
Gesamtdarstellung des Islam: Er beschreibt die Paradigmenwechsel im
Lauf seiner 1400jährigen Geschichte, zeichnet die
unterschiedlichen Strömungen nach und sichtet die Positionen
des Islam zu den drängenden Fragen der Gegenwart.
Eine
umfassende Analyse der politischen, kulturellen und religiösen
Bedeutung der zahlenmäßig größten
Weltreligion neben dem Christentum, wie sie unter den Theologen unserer
Zeit nur Hans Küng schreiben kann. Dieses Buch zeigt: Ohne
einen Dialog mit dem Islam wird es weder einen dauerhaften Frieden noch
ein konfliktfreies Miteinander mit den Muslimen in Europa geben. Wer
die heutige Welt verstehen will, sollte Grundkenntnisse über
den Islam besitzen.“ (Piper 2004)
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