Henrik Tandefelt: "Ultramarin"


Skandinavischer Krimi mit ungewohnten Schwerpunkten

Als der Fotograf Josef Friedmann bei seiner Freundin Bella eingezogen ist, die in Helsinki ein Gastengagement als Opernsängerin hat, wird er in einen Kriminalfall hineingezogen, der bereits fünf Jahre zurückliegt: Ein pensionierter Arzt, Jens Bäck, verstarb an den Folgen schwerer Misshandlungen durch einen Einbrecher, der drei Bilder aus Bäcks Haus geraubt hatte und dabei vom Eigentümer überrascht worden war. Etwa zur gleichen Zeit verschwand Bäcks illegal eingewanderter russischer Gehilfe.

Wer nun eine mit Mord, Totschlag und sonstigen Formen der Gewalt gespickte Fortsetzung à la Mankell oder Nesser erwartet, wird enttäuscht sein. Zwar taucht zwischendurch eine skelettierte Leiche auf, doch damit lässt Tandefelt es bewenden. Dafür begibt sich sein Protagonist auf eine scheinbar aussichtslose Spurensuche in der Vergangenheit, spürt vor allem den drei Bildern nach: Sind sie echt? Wusste der Einbrecher, wonach er zu suchen hatte? Und wo befinden sich die Gemälde (oder Kopien) des in Nordeuropa wenig bekannten, im Ausland jedoch geschätzten und teuer gehandelten russischen Marinemalers Ajvazovskij zurzeit?

Zwangsläufig erforscht Josef Friedmann außerdem Jens Bäcks Vergangenheit und stößt auf überraschende Geheimnisse im Leben des misanthropischen Arztes. Es ergeben sich mit der Zeit immer neue Fragen.

Mit Josef Friedmanns Hilfe gelingt es der Polizei schließlich, den Fall zufriedenstellend zu lösen.

Kein Thriller mit atemloser Spannung also, dafür ein Kriminalroman mit Schwerpunkt auf der erzählerischen Ausgestaltung, in dem es um die Gewitztheit und zunehmende Neugier des ermittelnden Laien geht, aber auch um die menschlichen Aspekte der Polizeiarbeit. Nicht zuletzt hat der Leser die Möglichkeit, einiges über einen wohl zu Unrecht halb vergessenen russischen Landschaftsmaler und, am Rande, über den Opernbetrieb zu lernen.

Der Stil ist angenehm flüssig und gewandt, das Präsens als Tempus der Erzählung mit Bedacht gewählt, denn so erlebt der Leser die Nachforschungen unmittelbar mit dem Protagonisten. Die Charaktere wurden mit Witz und guter Beobachtungsgabe porträtiert, und der Autor versteht es, uns einzigartige Landschaften und Orte Finnlands und Schwedens und auch die vielfältigen Verknüpfungen zwischen beiden Ländern spannend und anschaulich zu präsentieren.

Der Roman eignet sich somit zwar auch für Menschen mit schwachen Nerven - und weniger eingefleischte Krimifreunde -, ist aber in keinem Augenblick langweilig und bietet reichlich überraschende Wendungen und Einsichten.

(Regina Károlyi; 12/2005)


Henrik Tandefelt: "Ultramarin"
Übersetzt von Knut Krüger.
dtv, 2006. 278 Seiten.
ISBN 3-423-24510-7.
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Henrik Tandefelt, in Helsinki geboren, unterrichtet "Medien" an einem Gymnasium in Smaland. In den vergangenen Jahren war er sowohl in Finnland als auch in Schweden als Künstler und Fotograf, am Theater und als Journalist tätig.

Ein weiteres Buch des Autors:

"Lauf, Helin, lauf!"

Selten hatte sich Kriminalkommissar Knut Lindström so auf die Sommerferien gefreut. Gemeinsam mit seiner Frau Ingebritt und Freund Josef Friedmann nebst Hund beginnt er mit der Renovierung ihres Landhauses. Ansonsten wollen sie sich ganz dem Müßiggang hingeben. Doch die Beschaulichkeit in der südschwedischen Provinz findet rasch ein Ende: Beim Tapetenablösen stößt Ingebritt auf eine fast dreißig Jahre alte Zeitungsnotiz, die von einem mysteriösen Unfall berichtet, der bis heute nicht aufgeklärt scheint.
Ingebritt beginnt zu recherchieren - und muss sich beeilen, denn der Fall könnte bald verjährt sein. Dann geht es Schlag auf Schlag: Ein kurdisches Mädchen und seine Mutter verschwinden. Wenige Wochen später wird im Kanal der Kleinstadt Ekemala eine stark verweste Leiche gefunden. Jetzt ist es endgültig vorbei mit der Sommerruhe: unfreiwillig geraten Lindström, seine Frau und Friedmann mitten hinein in die polizeilichen Ermittlungen ... (dtv)
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