Antal Szerb: "Die Pendragon-Legende"
Eine gelungene Mischung aus Poe und Wilde
Der Icherzähler der Geschichte, Dr. János
Bátky, seines Zeichens Philosoph und Weltbürger
trifft
auf den Earl of Gwynedd, einen stocksteifen englischen Aristokraten, der aus
der ehrenwerten Pendragon-Familie stammt. Weil er in ihm ein Gegenüber findet,
das sich scheinbar auch mit alchimistischen Gelehrten des Mittelalters auskennt,
lädt er ihn auf sein Schloss ein, um seine Forschungen weiterzuführen. Sehr
schnell gerät Bátky allerdings in einen Erbschaftsstreit, der dem Earl beinahe
das Leben kostet und dem ein anderer Gast sehr bald zum Opfer fällt. Bald findet
Bátky heraus, dass einer der Vorfahren des Earls der legendäre Gründer der Rosenkreuzer
war, der angeblich die großen Geheimnisse der Alchimie kannte, insbesondere
das Geheimnis der Überwindung des Todes. Lange Zeit hat der Leser keine Ahnung,
ob er sich nun in einem Kriminalfall oder in einem Gruselroman befindet.
Stilistisch erinnert Szerb teilweise an Edgar Allan Poe ebenso
wie an Oscar Wilde. Das liegt vor allem an seinem sehr feinen Humor, der sich
durch das ganze Werk hindurchzieht wie ein roter Faden. Manches Mal fühlte ich
mich sogar an Umberto Ecos Werk "Das Foucaultsche Pendel" erinnert, und das lag
nicht bloß am Thema. Kein Wunder - war Antal Szerb selbst ebenfalls
Literaturprofessor und hatte so ein ebenso tiefes Verständnis von Literatur wie
der großartige Italiener. Sprachlich muss sich Szerb nichts vorhalten lassen,
seine Art zu schreiben ist wirklich außergewöhnlich gut. Die Figuren sind zwar
teilweise aus überzeichneten Klischees gebildet, haben aber dennoch
Persönlichkeit, der Leser erkennt, dass diese Personen mehr sind als beschrieben
wird, aber Szerb erlaubt sich, die Vorurteile des Icherzählers als Teil der
Erzählung zu betrachten. Der Protagonist wird dafür umso klarer und völlig
klischeefrei dargestellt, natürlich auch aus seiner eigenen sehr subjektiven
Sicht.
Insgesamt kann man das Buch als absolute Empfehlung sehen, es ist
ein intellektueller Leckerbissen, den man sich keinesfalls entgehen lassen
sollte. Der Schluss ist die einzige Schwäche, die sich Szerb erlaubt; wenngleich
dadurch die Qualität des Werkes nicht beeinträchtigt wird, hätte er wohl mit
seiner ironischen Schreibart noch mehr herausholen können. Ebenfalls dickes Lob
verdient die Übersetzerin Susanna Großmann-Vendrey, die Szerbs humorvollen Stil,
aber auch die sprachliche Leistung in der deutschen Übersetzung am Leben
hält.
(Reinhold Stansich; 12/2004)
Antal Szerb: "Die
Pendragon-Legende"
(Originaltitel "A Pendragon-legenda")
Mit einem
Nachwort von György Poszler.
Übersetzt von Susanna Großmann-Vendrey.
dtv,
2004. 320 Seiten.
ISBN 3-423-24425-9.
ca. EUR 15,00.
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Der Schriftsteller und
Literaturwissenschaftler Antal Szerb (1901-1945) ist in seinem Heimatland Ungarn
einer der meistgelesenen ungarischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Sein kurzes
Leben war geprägt von der Liebe zur europäischen Kultur und Literatur.
Antal
Szerb wird am 1. Mai 1901 in Budapest als Sohn eines assimilierten jüdischen
Kaufmanns geboren und katholisch getauft. Nach dem Abitur 1919 besucht er
zunächst Vorlesungen der klassischen, später der modernen Philologie in Graz.
1920 kehrt er nach Budapest zurück und immatrikuliert sich in den Fächern
Hungarologie und Germanistik, später auch Anglistik. Bereits vier Jahre später
promoviert er mit einer Dissertation über den Dichter der ungarischen
Nationalhymne, Ferenc Kölcsey. Um Geld zu verdienen, arbeitet er zunächst als
Lehrer für Ungarisch und Englisch an einer Vorstadtschule, ab 1928 an einer
höheren Lehranstalt für kaufmännische Berufe.
Seit Mitte der zwanziger Jahre
führt Antal Szerb das Leben eines Schriftstellers. Es erscheinen Rezensionen,
Essays und Erzählungen in den führenden literarischen Zeitschriften des Landes.
Studienreisen und Stipendien führen ihn in den Zwanzigern nach Italien, Paris
und England - Eindrücke, die in seinen beiden ersten Romanen "A
Pendragon-legenda" (1934; u.d.T. "Die Pendragon-Legende" 2004 bei dtv) und "Utas
és holdvilág" (1937; u.d.T. "Reise im Mondlicht"
2003 bei dtv) ihren Niederschlag finden. Zweimal wird er in dieser Lebensphase
mit dem renommierten Baumgarten-Preis ausgezeichnet: 1935 und 1937.
Der
Literatur bleibt Szerb Zeit seines Lebens nicht nur als Autor, sondern auch als
Wissenschaftler verbunden. So erhält er 1932 bei einem Wettbewerb den Zuschlag
eine ungarische Literaturgeschichte zu verfassen. Das Werk erscheint 1934. Szerb
ist da bereits seit einem Jahr Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft
Ungarns (und bleibt es bis 1936). Das Werk wird unter dem Titel "A magyar
irodalomtörténet" bis 1943 in einer Auflage von 23.000 Exemplaren gedruckt und
1944 verboten. 1941 folgt eine Geschichte der Weltliteratur ("A világirodalom
története"), in der er literatursoziologische und kulturphilosophische Ansätze
verbindet und sein Thema leicht lesbar aufbereitet. Diese Literaturgeschichte
gilt als sein wissenschaftliches Hauptwerk. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft
bleibt ihm die Universitätslaufbahn verschlossen, wenngleich er sich noch 1937
mit Hilfe einflussreicher Gönner an der Universität Szeged habilitieren kann und
bis 1943 dort lehren darf.
1943 veröffentlicht Szerb noch zwei Romane: Zum
einen unter dem Pseudonym A.H. Redcliff das Buch "VII. Olivér", das als sein
"leichtestes" Werk gilt, zum zweiten "A királyné nayklánca" (u.d.T. "Das
Halsband der Königin" 2005 bei dtv;
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das die Halsband-Affäre um den italienischen Abenteurer
Cagliostro
im Vorfeld der Französischen Revolution zum Stoff hat. 1943/44 entsteht zudem
der zweisprachige Band "Száz vers" ("Einhundert Gedichte") mit Gedichten, die
Antal Szerb besonders wichtig waren.
Im März 1944 wird Ungarn von deutschen
Truppen besetzt, die rechtsgerichtete Hórthy-Regierung gestürzt und eine
faschistische unter Führung der "Pfeilkreuzler" eingesetzt. Antal Szerb wird im
Sommer 1944 zum Arbeitsdienst eingezogen und in das westungarische Lager Balf
bei Ödenburg verlegt, wo er am 27. Januar 1945 ermordet wird. Er wird in einem
Massengrab beerdigt.
(Quelle: dtv - "Nach Informationen von Gábor Durós,
Ferenc Szász und der Hungarian Book Foundation/Budapest".)
Leseprobe:
"My
way is to begin with the beginning, ich pflege mit dem Anfang zu beginnen",
sagte Lord Byron, und er muss schließlich gewusst haben, was sich ziemt, wenn
von vornehmen Engländern die Rede ist.
Eigentlich fangen meine
Geschichten immer damit an, dass ich in Budapest auf die Welt gekommen bin und
schon nach kurzer Zeit so geheißen habe, wie ich heute auch noch heiße: János
Bátky. Aber wie ich heiße, das wusste ich damals noch nicht.
Um mich kurz zu
fassen, lasse ich jetzt die Dinge, die sich zwischen meiner Geburt und meiner
Bekanntschaft mit dem Earl of Gwynedd abgespielt haben, außer acht, also meine
ersten zweiunddreißig Lebensjahre mit dem Weltkrieg mittendrin. Ich darf sie
getrost außer acht lassen, da die Hauptrolle in meiner wundersamen Geschichte
nicht mir zusteht, sondern dem Earl of Gwynedd.
Ich komme nun zur Geschichte
unserer Bekanntschaft. Im Frühsommer, gegen Ende der Saison, war ich zu einer
Soiree bei Lady Malmsbury-Croft eingeladen. Die Lady war meine Gönnerin, und sie
hatte mich schon damals, als ich noch wissenschaftlicher Sekretär von Donald
Campbell war, unter ihre Fittiche genommen. Denn beruflich beschäftige ich mich
damit, dass ich älteren Engländern, die von der fixen Idee geplagt sind, einer
geistigen Tätigkeit nachgehen zu müssen, als Sekretär zur Verfügung stehe. Aber
ich lebe nicht nur davon. Ich habe mütterlicherseits ein kleines Vermögen
geerbt, und daher habe ich in jedem Land, in dem es mir gefällt, mein
bescheidenes Auskommen. England ist seit vielen Jahren meine Wahlheimat. Ich
liebe die Noblesse der englischen Landschaft.
Im Laufe des Abends bekam
mich die Dame des Hauses in der Menge zu fassen und ruderte mit mir zu einem
hochgewachsenen Herrn mit prächtigem Kopf und grauen Haaren, der still lächelnd
tief in einem Fauteuil saß.
"Mein lieber Earl", sagte sie, "das ist Herr
János Bátky. Ich weiß jetzt nicht so genau, ob er sich mit Insektenfressern des
englischen Mittelalters oder mit Dreschmaschinen des italienischen Altertums
beschäftigt. Aber auf jeden Fall tut er irgend etwas, das auch Sie sehr
interessieren wird."
Und damit ließ sie uns allein.
Zunächst lächelten
wir uns nur freundlich an. Der Kopf des Earls war wirklich faszinierend. Nur auf
alten Titelblättern findet man noch solche Köpfe, aber dort meistens mit Lorbeer
bekränzt. Heutzutage gedeihen solche Köpfe leider viel zu selten.
Ich war
einigermaßen verlegen und hatte das Gefühl, wegen der Vorstellung durch die edle
Lady eine etwas komische Figur zu machen.
"Wenn es Ihnen recht ist", sagte
der Earl endlich, "dann erlauben Sie mir die Frage: Was wollte mir die Dame des
Hauses eigentlich sagen?"
"Mylord, es tut mit leid, aber die Lady hat im
Grunde genommen die Wahrheit gesagt. Ich bin Doktor der
Philosophie, ein
Gelehrter überflüssiger Wissenschaften, und ich beschäftige mich zudem mit
Dingen, um die sich kein normaler Mensch mehr kümmert."
Mit meiner
Witzelei wollte ich lediglich ein ernstes Thema umgehen, zum Beispiel die Frage
nach meinem Beruf. Denn ich wusste ja schon, dass die Engländer es übelnehmen,
wenn jemand beim Plaudern geistige Interessen verrät.
Aber ich entlockte dem
Earl nur ein seltsames Lächeln.
"Bitte, mit mir dürfen Sie ruhig ernst
reden. Ich bin kein Engländer. Ich komme aus
Wales, und das bedeutet, dass ich
sozusagen mit der Hälfte meines Wesens zu den Kontinentaleuropäern zähle. Ein
Engländer würde Sie niemals nach ihrem Beruf fragen, das schickt sich hier
nicht. Aber ich bestehe jetzt auf dieser Frage, allein schon meines geistigen
Anspruches wegen."
Er hatte einen so klug wirkenden Kopf, dass ich mit
der Wahrheit herausrücken musste.
"Ich beschäftige mich gerade mit den
englischen Mystikern des 17. Jahrhunderts."
"Tatsächlich?" rief der Earl
aus. "Lady Malmsbury-Croft hat es mal wieder wunderbar getroffen mit uns. Das
ist typisch für sie! Wenn sie auf einer Party zwei Herren nebeneinander setzt in
der Annahme, sie seien beide in Eaton zur Schule gegangen, dann ist der eine
bestimmt ein Deutscher und der andere ein Japaner, aber beide haben sie sich
zufällig auf liberianische Briefmarken spezialisiert."
"Also dann
beschäftigen sich auch Mylord mit meinem Interessengebiet?"
"Sich
beschäftigen? Das klingt zu schroff auf unserer Insel. Sie auf dem Kontinent
studieren etwas, wir Engländer haben nur ein Steckenpferd. Ich befasse mich mit
den englischen Mystikern etwa so, als wäre ich ein pensionierter General, der
sich daranmacht, die Geschichte seiner Familie zu verfassen. Aber sagen Sie,
Doktor ... Mystizismus ist ein sehr weiter Begriff. Verstehen Sie darunter ein
religiöses Phänomen?"
"Nein, für religiöse Fragen habe ich leider keinen Sinn. Am Mystizismus interessiert
mich nur das, was man allgemein als mystisch bezeichnet: die geheimnisvollen
Hirngespinste und Prozeduren, mit denen man versucht, die Natur zu beherrschen.
Die Alchimisten,
das Geheimnis des Homunkulus, Allheilmittel, die Wirkung von Mineralien und
Amuletten ... Fludds Naturphilosophie etwa, wenn er die Existenz Gottes mit
Hilfe des Barometers beweisen will."
"Fludd?" Der Earl horchte auf.
"Fludd darf man nicht in einem Atemzug mit diesen Narren nennen. Fludd, mein
Herr, hat zwar oft Unsinn geschrieben, weil er Dinge erklären wollte, die man
damals noch nicht verstanden hat. Aber zu seiner Zeit hat er im wesentlichen,
und über das Wesentliche, mehr gewusst als die heutigen Gelehrten, die nicht
einmal ein Lächeln für seine Theorien mehr übrig haben. Ich weiß nicht, wie Sie
dazu stehen, aber heute wissen wir über die winzigen Teilchen der Natur sehr
viel; damals wussten die Menschen mehr über das Ganze, über die großen
Zusammenhänge, die man nicht auf die Waage legen und in Scheibchen schneiden
kann wie Schinken."
Seine Augen leuchteten intensiver, als dies kühlen
Engländern erlaubt ist. Dieses Thema war offenbar sein Thema
schlechthin.
Er schien sich für seine Auslassung ein wenig zu genieren
und schlug eine leichtere Tonart an, indem er lächelnd hinzufügte:
"Ja, Fludd
ist tatsächlich mein Steckenpferd."
Plötzlich trat eine hübsche junge Dame zu
uns und plapperte lange Zeit nur Unsinn. Der Earl sekundierte ihr wie ein
Kavalier. Ich hingegen saß wie auf heißen Kohlen, denn ich hätte unser Gespräch
gerne fortgesetzt. Nichts interessierte mich mehr als die emotionale Beziehung
eines Menschen zu etwas Abstraktem, etwa die Frage, warum Herr X überzeugter
Anglikaner ist, oder weshalb sich Fräulein Y mit Bauchfüßern beschäftigt. Mich
hätte brennend interessiert, wie ein Earl so fasziniert sein kann von der
Persönlichkeit eines unerreichbaren, schon längst ziemlich toten und zu Recht
vergessenen Arztes und Magiers wie Robert Fludd.
Aber Lady
Malmsbury-Croft erwischte mich erneut, diesmal jedoch tat sie einen Fehlgriff.
Sie führte mich zu einer äußerst vornehmen Dame von museumsreifem Aussehen, die
mich nach dem Tierschutz in Rumänien fragte. Ich wehrte mich vergebens. Sie
wollte mir offenbar eine Freude machen und erzählte von ihrer letzten Reise
durch Armenien und von ihren schrecklichen kynologischen Erfahrungen: dort gab
es fast nur herrenlose Hunde, die vom Abfall leben
mussten.
Glücklicherweise stand plötzlich ein Freund vor mir, Fred
Walker, in Begleitung eines gutfrisierten jungen Mannes. Fred setzte den jungen
Herrn neben meine Dame, nahm meinen Arm und schleppte mich mit sich fort. Die
ehrwürdige Dame bemerkte nichts von dem Tausch.
"Wer ist dieser Earl?"
fragte ich Fred.
"Kennst du ihn nicht? Er ist doch der einzige bemerkenswerte
Mensch auf dieser Party. Owen Pendragon, Earl of Gwynedd. Ein hochinteressanter
Narr. Ganz nach deinem Geschmack."
"Erzähl mal von ihm."
"All right.
Vor einigen Jahren wollte der Earl seine Freundin heiraten, eine Dame, so to
say, von nicht gerade bestem Ruf. Sie soll ihre Karriere auf den Straßen Dublins
begonnen haben, auf und ab spazierend. Der Skandal hatte schon seinen Höhepunkt
erreicht, da hat sich’s die Dame anders überlegt: Sie hat den Earl verlassen und
den alten Milliardär Roscoe geheiratet, der schon mit dem Vater des Earls
befreundet gewesen war."
"Das Amüsante an der Geschichte ist", fuhr er fort,
"dass der Earl ansonsten ein strenger Aristokrat ist, fast bis zur
Donquichotterie. Man erzählt, dass er als Student in Oxford Mitglied einer
Gesellschaft gewesen ist, die so vornehm war, dass man nur drei Leute gefunden
hat, die würdig genug waren, dort Mitglied zu werden. Mit der Zeit gingen zwei
fort, und der Earl blieb übrig. Er hat sich zwei Jahre lang überlegt, wen er zum
Vizevorsitzenden ernennen könnte, aber niemanden gefunden, der vornehm genug
gewesen wäre für diesen Posten. Schließlich hat er Oxford verlassen, und die
besagte Gesellschaft löste sich von selbst auf. Aus ähnlichen Gründen hat er das
House of Lords nie betreten."
"Es tut mit leid, Fred, aber ich kann nichts
Ungewöhnliches an seiner Geschichte finden. Normalerweise erzählst du bessere
stories. Diese Geschichte ist zu banal und passt nicht zu diesem faszinierenden
Kopf. Daran, dass ein Aristokrat eine Dame zweifelhafter Herkunft ehelichen
will, ist nichts Besonderes. Seine Vornehmheit reicht ja auch für
zwei."
"Du hast recht, János. Nicht deswegen habe ich behauptet, der Earl
sei ein Unikum. Nun, dass er eigenartig ist, darin sind sich alle einig. Aber
alles, was ich sonst über ihn gehört habe, ist Nonsens und so idiotisch, dass
ich keine Lust habe, davon zu berichten."
"Ich bitte dich, lass mich den
Nonsens hören."
"Well ... Wie sollte eine Geschichte wie die, der Earl habe
sich wie ein Fakir begraben lassen und zwei Jahre oder zwei Wochen später, ich
weiß es nicht mehr so genau, habe man ihn völlig unversehrt wieder ausgebuddelt,
kein Nonsens sein ... Man sagt, er sei bei Giftgasangriffen im Krieg seelenruhig
ohne Maske spazierengegangen und es sei ihm nichts passiert. Er hat außerdem den
Ruf, ein Wunderheiler zu sein. Die unglaublichste Geschichte ist die mit dem
Duke of Warwick, den er geheilt haben soll, nachdem die Ärzte ihn am Tag zuvor
für tot erklärt hatten. In seinem Schloss in Wales gibt es angeblich ein
Laboratorium, wo er mit Tieren allerlei Experimente durchführt. Er hat sogar ein
neues Tier erfunden, das nur im Dunkeln lebt ... aber er stellt es der
Öffentlichkeit deshalb nicht vor, weil er die Gleichmacherei des
Wissenschaftsbetriebes verachtet. Aber all das ist Nonsens. Ich weiß nur, dass
er bei gesellschaftlichen Anlässen immer sehr freundlich ist und man nichts
Ungewöhnliches an ihm bemerkt. Aber er macht sich rar. Er verlässt sein Schloss
manchmal monatelang nicht."
Dann flüsterte Fred mir noch ins Ohr:
"Ein
kompletter Narr!"
Und damit
ließ er mich stehen.
Im Laufe des Abends gelang es mir dann doch noch einmal,
mit dem Earl zusammenzutreffen. Ich spürte, dass er mich nicht ablehnte. Er
sagte mir, meine Augen erinnerten ihn an einen Arzt aus dem 17. Jahrhundert,
dessen Porträt in seinem Schloss hänge. An einen gewissen Benjamin Avravanel. Er
sei ermordet worden.
Ich will unser langes Gespräch nicht wiedergeben,
zumal ich derjenige war, der redete, der Earl stellte die Fragen. Ich konnte
zwar nicht in Erfahrung bringen, was er eigentlich mit Fludd vorhatte, aber
unser Gespräch endete doch nicht ergebnislos. Es schien so, als hätte ich seine
Sympathie gewonnen, denn er sagte beim Abschied:
"Einige alte Bücher über den
Themenkreis, der Sie interessiert, befinden sich im Besitz meiner Familie. Wenn
Sie Lust haben, kommen Sie nach Wales; besuchen Sie mich in meinem Heim auf dem
Land, und bleiben Sie ein paar Wochen ... bis Sie die Bücher durchgesehen
haben."
Ich freute mich über diese Auszeichnung, aber ich bin ein viel zu
träger Mensch und hätte das Angebot bestimmt nicht ernst genommen, wäre nicht
ein paar Tage später eine schriftliche Einladung gekommen, mit allen
Einzelheiten der Reise. So begann meine Geschichte.