Angela Völker: "Die Stoffe der Wiener Werkstätte 1910-1932"
Die ästhetische Durchdringung von Kunst und Leben
Der für die Wiener Werkstätte wohl
erfolgreichste aber bislang wenig erforschte Bereich ist der Textiliensektor.
Mit der Gründung einer eigenen Stoffabteilung 1910 nahm die Wiener Werkstätte
eine wichtige Position während der gleichzeitig stattfindenden, von Künstlern
initiierten Erneuerung des Textildesigns ein. Schon bald wurde der
Aufgabenbereich innerhalb der Wiener Werkstätte um die Stoffgestaltung
erweitert, denn "man wollte bei der Innenraumgestaltung und beim Kreieren von
Wiener Werkstätte-Modellen mit Stoffen arbeiten, die adäquaten Stilprinzipien
folgten und die von 'hauseigenen' Künstlern konzipiert worden
waren."
Schon beim ersten flüchtigen Blick auf den farbigen Einband
erschließt sich dem Leser der ungefähre Inhalt. Unverkennbar ist es ein Motiv
der Wiener Werkstätte, genauer gesagt das Muster "Jagdfalke" von einem ihrer
bedeutendsten Künstler, nämlich Josef Hoffmann.
Der überaus umfangreiche
Inhalt des Buches erstreckt sich über mehrere Themenbereiche. Anfangs erfolgt
ein kurzer Überblick über Quellen, Forschungsmaterial, Veröffentlichungen und
Ausstellungen. Dann versucht man Datierungsfragen und Ordnungsprobleme im
Zusammenhang mit Musternamen und -nummern zu erläutern. Schließlich beginnt das
eigentliche Thema rund um die Stoffe der Wiener Werkstätte. Zunächst werden die
Anfänge der WW-Stoffabteilung und das Arbeiten mit Textilien vor der Gründung
einer eigenen Stoffabteilung aufgearbeitet. Später erfolgen ein historischer
Abriss von den Stilformen der Frühzeit, zu den WW-Stoffen in den Kriegsjahren
1914 bis 1918 und ein Einblick in die Produktivität der Zwanzigerjahre. Weiters
wird dem Leser sowohl Informatives als auch Aufschlussreiches über die
Produktionsformen und Herstellungsorte sowie Verkaufspolitik und den
Kundenkreis
der Wiener Werkstätte näher gebracht. Besonders reizvoll ist der Bereich der
Anwendungsbeispiele. Hier erfährt man, was Frau von Welt um 1900 trug. Dabei
können viele Parallelen zu heutigen Trends gezogen werden, besonders im Bereich
der Accessoires. Beispielsweise erfreut sich zurzeit das Tragen von Broschen
wieder großer Beliebtheit und Ansteckblumen eines großen deutschen
Bekleidungslabels, ähnlich der damaligen Kreation von Dagobert Peche, sind der Renner der Saison.
Auch Spannendes über das internationale Echo der
WW-Stoffe fand hier seinen Platz. Natürlich darf ein Kapitel über die
wichtigsten Künstlerinnen und Künstler der Wiener Werkstätte wie Josef Hofmann,
Dagobert Peche und Maria Likarz und viele mehr nicht fehlen. Als besonders
hilfreich bei der Suche nach bestimmten Informationen zu den im Buch
vorkommenden Stoffmustern erweisen sich der am Ende untergebrachte, nach
Künstlernamen geordnete Katalog und die Konkordanz nach Musternamen.
Von
der Verarbeitung und Gestaltung her lässt das Werk keine Wünsche offen. Die
vielen, auf hochwertigem, glänzenden Papier gedruckten Abbildungen - weit mehr
als die Hälfte davon sind in Farbe - vermitteln auf eindrucksvolle Weise die
Ideen und Ausführung der Künstler. Dabei möchte ich die Übersichtlichkeit der
Bildbeschriftungen besonders betonen, denn sie erspart dem Leser lästiges Suchen
nach Angaben im Text. Auf einen Blick sind Abbildungsnummer, Name des Künstlers
und des Stoffmusters sowie Entstehungszeit und andere informative Ausführungen
zu erkennen. Auch die perfekte Farbqualität bei ganzseitigen Stoffmustern ist
verblüffend. Sie trägt nicht nur zu einer besseren Veranschaulichung bei sondern
erweckt im Auge des Betrachters das einmalige Flair der Wiener Werkstätte zu
neuem Leben.
Alles in allem ist dieses Buch ein gelungener Beitrag zur
Verdeutlichung des enormen Einfluss- und Wirkungsbereiches der Wiener
Werkstätte. Vordergründig ist es aber als Nachschlagwerk und spezielle
Überblickslektüre zu sehen, das sich vor allem Stoffkunstinteressierte und
solche, die es werden möchten nicht entgehen lassen sollten.
(NiNanu; 01/2005)
Angela Völker: "Die Stoffe der Wiener Werkstätte
1910-1932"
Christian Brandstätter, 2004. 288 Seiten mit 415
Abbildungen.
ISBN 3-85498-357-3.
ca. EUR 39,90.
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Dr. Angela Völker, geboren 1944 in Garmisch-Partenkirchen,
Studium der Kunstgeschichte und Archäologie in Frankfurt/Main und Wien.
1974-1976 Leiterin der Textilabteilung des Bayerischen Nationalmuseums München,
seit 1977 Leiterin der Sammlung für Textilien und Teppiche am Österreichischen
Museum für angewandte Kunst
in Wien (MAK), Lehrbeauftragte an der Universität
für angewandte Kunst Wien. Zahlreiche Publikationen, u. a. "Wiener Mode und
Modefotografie. Die Modeabteilung der Wiener Werkstätte 1911-1932" (1984),
"Knüpfteppiche aus China und Ostturkestan" (1986, mit Helga Natschläger), "Die
Tapeten der Wiener Werkstätte im Österr. Museum für angewandte Kunst" (1989, mit
Ruperta Pichler).
Noch zwei
Buchtipps:
"Design der Wiener Werkstätte 1903-1932" (Christian
Brandstätter)
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Hrsg. Peter Noever, Beiträge von
Heimo Zobernig, Text von Siegfried Mattl, Peter Noever, Paulus Rainer, Christian
Witt-Dörring: "Der Preis der Schönheit. 100 Jahre Wiener Werkstätte"
Ein
opulenter Prachtband zum 100. Geburtstag der Wiener Werkstätte, innen wie außen
außergewöhnlich aufwändig gestaltet. Alle Bereiche der Designarbeit der von
Josef Hoffmann und Koloman Moser begründeten "Marke" werden präsentiert.
Ausgezeichnet mit dem Stuttgarter Wissenschaftsbuchpreis 2004.
Die Wiener
Werkstätte, 1903 von Josef Hoffmann und Koloman Moser gegründet, wurde zum
Inbegriff der Markenbildung im Bereich der Kunst und des Kunsthandwerks im 20.
Jahrhundert. Ihre ambivalente Geschichte zwischen wirtschaftlichem Desaster und
kultureller Institutionalisierung erzählt die aufwändig gestaltete Publikation
anhand von teilweise erstmals publizierten historischen Abbildungen, Dokumenten
und Originaltexten, ausgewählt von den Experten des MAK (seit 1955 in Besitz des
bedeutenden Archivs der Wiener Werkstätte).
Diese reiche Materialsammlung wird begleitet von einer Zeitschiene, welche den
künstlerischen, politischen, technischen und kulturellen Hintergrund jener Jahre
in Erinnerung ruft. Herausragende Wiener-Werkstätte-Objekte aus den Bereichen
Architektur,
Möbel, Keramik,
Glas, Bücher, Plakate, Postkarten, Teppiche, Schmuck, Mode und
Grafik werden auf einer Vielzahl von ganzseitigen Abbildungen vorgestellt. Der
Schwerpunkt aber liegt in der Darstellung des innovativen Gesamtkonzepts, durch
das sich die Wiener Werkstätte rückblickend als eine der historischen Avantgarden
der "Consumer Culture" etablierte: der Entwicklung einer bis zur letzten Konsequenz
verfolgten Corporate Identity.
Mit eingelegtem,
28-seitigem Faksimile des Programms der Wiener Werkstätte von 1905. (Hatje
Cantz)
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