Andrea Haberl-Zemljič und Lojze Wieser (Hrsg.): "Steiermark /Štajerska"

Aus der Reihe "Europa erlesen"


Steiermark und Štajerska: zwei Landesteile - eine Kulturlandschaft

Slowenen aus der Gegend um Maribor/Marburg oder Celje/Cilli, die sich in Österreich als "Steirer" vorstellen, ernten im Allgemeinen Unglauben oder Unverständnis. Dass es neben dem österreichischen Bundesland Steiermark auch eine Region in der Republik Slowenien gibt, die Steiermark (slowenisch Štajerska) genannt wird, ist der Öffentlichkeit nördlich von Spielfeld unbekannt. Häufig bezeichnen auch historisch Gebildete das Gebiet zwischen der unteren Mur und der oberen Save als "ehemalige Untersteiermark", so als wäre die Steiermark nach 1918 nicht geteilt, sondern geschrumpft worden. Man stelle sich analog dazu die Wendung "ehemaliges Südtirol" vor ... Im öffentlichen Bewusstsein Österreichs gibt es zwar einen zu Italien gehörigen Teil Tirols, aber keine slowenische Steiermark.

Die Steiermark und Štajerska mit einer Auswahl an kurzen literarischen und Sachtexten zu vereinen, mehr noch: die durch eine zwar politisch durchlässige, sprachlich und kulturell aber sehr dichte Grenze geteilten Gebiete wieder als eine zusammengehörende Kulturlandschaft zu erkennen, ist das große Verdienst der beiden Herausgeber Andrea Haberl-Zemljič, Übersetzerin und Historikerin in Bad Radkersburg, und Lojze Wieser, Inhaber des Wieser-Verlags.

Auf mehr als dreihundert Seiten finden sich in zwangloser Folge rund zweihundert kurze Texte oder Textausschnitte, die sich locker um einzelne Themen gruppieren, z.B. zum steirischen "Nationaldichter" Peter Rosegger, zum Literaten Franz Nabl,
zur steirischen Küche, zur Weinkultur, zur Region Aussee. Dabei bemühte man sich, auch ältere deutsche Texte sowie slowenische Texte in deutscher Übersetzung zu finden; doch nicht immer ist der inhaltliche Bezug mittelalterlicher Texte des Minnesängers von Suneck (aus dem heutigen Slowenien) oder Herrands von Wildon (aus der heutigen Südsteiermark) klar, auch die einleitenden Worte von Peter Handkes Publikumsbeschimpfungen ("Sie werden hier nichts hören, was Sie nicht schon gehört haben.") beziehen sich wohl weder auf eine steirische Zuhörerschaft noch auf Reisende in der Steiermark, vielleicht aber auf jene, die die Gemeinsamkeiten zwischen Steiermark und Štajerska nicht wahrhaben wollen.

Kulturhistorisch äußerst interessant sind Reiseberichte vom Mittelalter bis in die Neuzeit, kurze Sachtexte zur Geschichte des slowenischen Buchdrucks in Graz oder zu den Ortsnamen slawischer Herkunft (irrtümlich leider ohne diakritische Zeichen wie č, š, ž!) und Rezepte der österreichischen Starköchin des 19. Jahrhunderts, von Katharina Prato aus Graz (1818-1897). Der älteste Text von Plinius d.Ä. über die römischen Siedlungen südlich der Alpen ist leider etwas zu frei und dadurch falsch übersetzt; die steirische Landeshymne mit allen zehn Strophen, die bis heute die Einheit des Landes hoch vom Dachstein an bis ins Wendenland am Bett der Sav’ beschwören, ist in ihrer national-naiven Holprigkeit ein besonderes Zuckerl!

Die heute österreichischen Orte werden in deutscher Sprache wiedergegeben (Graz, Leibnitz, ...), die südlich der heutigen Staatsgrenze meist slowenisch (Maribor, Ptuj, Celje,...). Das ist politisch korrekt, zieht dennoch eine unerwünscht augenfällige Grenze durch einen Kulturraum, der Jahrhunderte lang zweisprachig war und es im Verborgenen noch heute ist. Zweisprachige Räume haben natürlich Ortsnamen in zwei Sprachen - ein zweisprachiges Ortsverzeichnis, vielleicht auch eine Übersichtsskizze, die österreichischen Lesern alle Teile von Steiermark und Štajerska optisch erschließen könnte, wären hilfreiche Ergänzungen.

Das engagierte Projekt einer publizistischen Wiedervereinigung von Steiermark und Štajerska ist gelungen, über die Qualität mancher Texte mag man sich streiten. Eine slowenische Ausgabe des Buches ergänzt die publizistische Suche nach der steirischen Einheit.

(Wolfgang Moser; 01/2006)


Andrea Haberl-Zemljič und Lojze Wieser (Hrsg.): (Hrsg.): "Steiermark / Štajerska"
Wieser Verlag, 2005. ca. 256 Seiten.
ISBN 3-85129-546-3.
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Als Österreich bei der Ersten Teilung Polens 1772 mit nur geringem Aufwand das Königreich Galizien und Lodomerien, das größte seiner Kronländer, erwarb, in dessen Namen die alten ukrainischen Fürstentümer Haly und Volodymyr nachklingen, wusste man zunächst nicht so recht, was man sich da eingehandelt hatte. Es dauert ein paar Jahrzehnte, bis die deutsch-österreichische Publizistik hinter der rückständigen Exotik die Multinationalität und Multikulturalität dieses Landes entdeckte, und es dauerte noch einmal so lang, bis die nicht-deutschsprachigen Autoren aus Galizien ihre eigene Sicht der Dinge zu Papier bringen. Leopold von Sacher-Masoch ist einer der ersten österreichischen Schriftsteller, die auf das Nebeneinander von Polen, Ukrainern und Juden in Galizien hingewiesen haben.
Neben den erwähnten Nationalitäten gab es in Galizien eine ganze Reihe weiterer ethnischer Gruppen und Minderheiten, von den deutschen und österreichischen Beamten angefangen bis zu den armenischen und griechischen Kaufleuten in Lemberg, den Bojken und Lemken in den Beskiden und westlichen Karpaten, den Huzulen in den Ostkarpaten, den jüdischen Karaimen und russischen Lippowanern in der Bukowina, die aber, sofern sie literarisch greifbar sind, sich in österreichischer Zeit des Polnischen, Deutschen oder Ukrainischen bedienten, so dass sich die kulturelle Vielfalt Galiziens auf eine sprachliche Trias reduzieren lässt, der auch die Auswahl der Beiträge dieses Bandes Rechnung trägt.
Historische Verifizierbarkeit tritt zurück hinter die künstlerische Wahrheit galizischer Topoi und Versatzstücke, wie man sie neu und individuell für sich entdeckt. Dabei stößt man einmal mehr auf die Multinationalität und Multikulturalität jenes auf immer verlorenen galizischen Kosmos, dessen Rekonstruktion für manche eine literarische Heimat, für Andere ein Modell funktionierender interethnischer Beziehungen darstellt, das in einem neuen Europa von neuer Relevanz sein könnte.
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Johann Strutz (Hrsg.): "Istrien"

Mit Beiträgen von: Hermann Bahr, Loredana Bogliun, Ivan Cankar, Zvane Crnja, Milo Dor, Romano Farina, Maximilian Fischl, Romina Floris, Franjo Francic, Johann Georg Kohl, Alojz Gradnik, Peter Handke, Drago Jancar, James Joyce, Edelman Jurincic, Ciril Kosmac, Srecko Kosovel, Cvetka Lipus, Marisa Madieri, Thomas Mann, Biagio Marin, Giuseppina Martinuzzi, Guido Miglia, Nelida Milani, Daniel Nacinovic, Pier Paolo Pasolini, Milan Rakovac, Giacomo Scotti, Johann Sima, Miroslav Sincic, Kristian Sotriffer, Peter Steiner, Heinrich Stieglitz, Giani Stuparich, Fulvio Tomizza, Marjan Tomcic, Anton Tschechow, Max von Rottauscher, Stephan Vajda, Johann Weikhard Valvassor, Dragan Velikic, Jules Verne, Marino Vocci, Diego Zandel, Ligio Zanini.
"Wie kann man aber nach Istrien und Dalmatien reisen, wenn man Freiheit hat für Rom und Griechenland?" diese Frage wird einem Reisenden gestellt, der sich fünfzig Jahre nach Goethe ebenfalls aus dem Norden nach dem Süden aufmacht, den es aber von der klassischen Route weg und ein wenig nach Osten verschlägt.
Istrien ist seit Jahrhunderten Migrations- und Kolonisationsraum westlicher und balkanischer Kulturen. Doch auf Dauer konnte sich keine ausschließliche Herrschaft etablieren: Nichts, was sich einem nationalen Prinzip unterordnen ließe, weder politisch noch kulturell. Die "Istrianisierung" Europas, die ein Reisender proklamiert, wäre gewiss nicht das Schlechteste, was passieren könnte. Doch sind auch die istrischen Experten des Zusammenlebens nicht vom Himmel gefallen, die interkulturelle Kompetenz fiel ihnen nicht in den Schoß.
Nichtsdestotrotz, wo nationale Zuordnungen in Frage gestellt werden, kommt es aus der Situation alltagkultureller Mehrsprachigkeit zu einer inner- und intersprachlichen Vielstimmigkeit. Die vorliegende Textsammlung enthält daher neben den Texten, die außerhalb Istriens über Istrien von "Reisenden" geschrieben wurden, Literatur aus Istrien. Zum ersten Mal wird hier eine Auswahl aus allen istrischen Literaturen und Literatursprachen vorgestellt, wobei sich durch die zweisprachige Veröffentlichung lyrischer Texte auch ein Bild von der mehrsprachlichen Praxis der Region ergibt.
Die Anthologie erschließt eine landschaftlich beeindruckende und kulturell spannende Region und gibt damit Antwort auf die eingangs zitierte Frage an unseren Reisenden, warum man nach Istrien reisen sollte, auch wenn man unter Umständen noch nicht in Rom oder Griechenland war.
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Helmut A. Niederle (Hrsg.): "Prag"

Mit Beiträgen von: Hans Christian Andersen, Guillaume Apollinaire, Rose Ausländer, Ingeborg Bachmann, Ernst Bloch, Volker Braun, Bertolt Brecht, Max Brod, Albert Camus, Paul Celan, Paul Claudel, Alfred Döblin, Paul Eluard, Elke Erb, Egon Erwin Kisch, Ota Filip, Erich Fried, Gerhard Fritsch, Franz Grillparzer, Pavel Hanus, Vaclav Havel, Miroslav Holub, Bohumil Hrabal, Franz Kafka, Sarah Kirsch, Pavel Kohout, Anton Kuh, Reiner Kunze, Gabriel Laub, Heinrich Laube, Wladimir Majakowski, Golo Mann,
Rainer Maria Rilke, Gustav Meyrink, Christian Morgenstern, Josef Nesvadba, Vltèzlav Nezval, Leo Perutz, Peter Rosei, Joseph Roth, Moritz Gottlieb Saphir, Christian Schaffernicht, Ossip Schubin, Hermann Schürrer, Johann Gottfried Seume, Andrej Stankovic, Johannes Urzidil, Franz Werfel.
Wenn es eine Stadt gibt, von der mit Recht behauptet werden darf, sie liege im Herzen Europas, dann ist das Prag. Doch Vorsicht ist geboten, das Herz meint nicht die geografische Mitte des Kontinents, denn diese Mitte ist weit östlicher aufzufinden. Prag liegt im Herzen, wenn unter Herz eher der Schwerpunkt verstanden wird, der Schnittpunkt der Schwerlinien europäischer Geschichte. Das ist Herausforderung und Verhängnis zugleich.
Es gibt kein europäisches Ereignis, das Prag unberührt gelassen hätte. Allerdings war es der Stadt nicht gegönnt, jene Mittlerrolle zwischen den Kulturen zu spielen, für die sie durch die Lage prädestiniert scheint. Der Dreißigjährige Krieg hinerließ ebensolche Spuren in der Moldaumetropole wie der vorläufig letzte ernstzunehmende Versuch, einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz zum Durchbruch zu verhelfen. Und doch "Prag ist zauberhaft wie eh und je - eine Geliebte, die nie altert, weil ihr Alter eben ihre Schönheit ist", meinte schon Franz Theodor Csokor.
In der tschechischen Literatur, die den Schwachen das uneingeschränkte Recht zugesteht, listig sein zu dürfen, wurden selbst in schlimmsten politischen Zeiten und unter drückendsten Verhältnissen Wahrheiten ausgesprochen, die über den Anlassfall hinaus ihre Gültigkeit behalten haben. Die Prager Literatur, grob vereinfachend gesagt, zeichnet sich durch den tschechischen Anteil, den deutschsprachigen Anteil und den jüdischen Anteil aus. Doch wer vermag den jüdischen Anteil so einfach von den anderen Anteilen zu trennen? Leicht geht es bei all jenen Autoren, die ihr Werk deutlich einem beschreibbaren politischen Lager zugeordnet haben. Wichtiger jedoch sind die Fragen: Was verbindet uns, was trennt uns?
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