Stanley Stewart: "Auf den Spuren von Dschingis Khan. Zu Pferd durch die Mongolei"
"Nomaden
sind der Schöpfung Gottes näher", schrieb der arabische Historiker und Philosoph
Ibn Khaldun im 14. Jahrhundert, "und sie sind unempfänglicher für die tadelnswerten
Sitten, welche die Herzen der Ansässigen verdorben haben."
Schon in seiner Kindheit
findet der Autor Gefallen an dem Wort "Mongole", mit dem er von seiner Großmutter
ob seiner Wildheit immer wieder bedacht wird. Dieses Wort verbindet er mit seinen
kindlichen Abenteuern, und die Sehnsucht das Leben der Mongolen kennen zu lernen,
verlässt Stanley Stewart nie. Stanley Stewart wurde
in Irland geboren, wuchs in Kanada auf und lebt in
London. Er schreibt Reiseberichte und Reportagen für die englischen Zeitungen
"Sunday Times" und "Daily Telegraph". Er wurde bereits dreimal als "Travel Writer
of the Year" ausgezeichnet sowie zweimal mit dem "Thomas Cook/Daily Telegraph
Travel Book Award". (margarete; 07/2003)
Stanley Stewart: "Auf den Spuren von Dschingis Khan. Zu Pferd durch
die Mongolei"
So reift immer stärker der Entschluss, das Land seiner Kindheitsträume per Pferd
zu bereisen. Schon der Weg dorthin ist abenteuerlich. Die Reise auf einem Seelenverkäufer
von Istanbul nach Sewastopol verwickelt ihn in die persönlichen Angelegenheiten
der Belegschaft, obwohl er eigentlich nur die Landschaft genießen möchte. Doch
diese Strapaze bringt ihn dem Land des legendären Mongolenfürsten Dschingis
Khan näher.
Spannend gestaltet sich auch die Reise mit dem Kasachstan-Express, dessen Ruf
einem Albtraum gleicht. Es wird erzählt, dass Reisende regelmäßig betäubt und
ihrer Habe beraubt würden. Doch Stanley genießt diesen Abschnitt der Reise,
da im Waggon ein altmodischer nachbarschaftlicher Geist vorherrscht. Seine Reiseziele
verbreiten sich wie Dorfklatsch im ganzen Zug und als er in Turkestan ankommt,
weiß bereits die ganze Stadt Bescheid.
Faszinierend auch seine Beschreibung der Landschaft
aus
der Vogelperspektive, wo die Mongolei wie ein Rohentwurf Gottes aussieht
und die einzigen Anzeichen von Menschen in gelegentlichen weißen Rundzelten
bestehen. Die wenigen Städte in der Mongolei wirken eher abstoßend und haben
nicht den gewünschten Effekt erreicht, nämlich skeptischen Hirten die Errungenschaften
modernen Lebens nahe zu bringen.
Stewart erweist sich als vorzüglicher Beobachter, der sowohl die Sitten der
Brautschau in Erfahrung bringt, die Heldenhaftigkeit der Jeep-Fahrer beschreibt,
deren Fahrerlaubnis einem Universitätsdiplom gleicht, und dadurch punktet, dass
er wie die Mongolen beschnitten ist.
Aus Stanley, einem Namen der für Mongolen fast unaussprechbar erscheint, wird
Stalin. Dieser Name und ein Dolmetscher begleiten
ihn auf seiner abenteuerlichen Reise auf dem Rücken verschiedener Pferde durch
die unberührte Wildnis der mongolischen Steppe.
Ein packender Reisebericht, dem es gelingt Abenteuerlust hervorzurufen und jeden
Leser zu fesseln. Durch die großartige Beschreibung entsteht die Landschaft
vor dem geistigen Auge und das Leben der Nomaden erzeugt unglaubliche Faszination.
Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen dieser Region bringen immer neue
Aspekte des Nomadenlebens zu Tage. Die historischen Hintergründe sorgen für
Verständnis, und aktuelle politische Zusammenhänge liefern eine Reihe interessanter
Details.
Stewart gelingt es darüber hinaus, den Leser immer wieder mit Erzählungen aus
dem Leben der Mongolen zum Schmunzeln zu bringen. So kann nichts einen Mongolen
so sehr verstören wie das Eingeständnis, dass Ausländer regelmäßig rohe Blätter
verspeisen. Wie das Vieh! Trotz aller Beschwerlichkeiten - oder gerade deswegen
- fragt sich der Autor, ob es überhaupt möglich sei, noch glücklicher zu sein
als auf dieser Reise. Den Leser jedenfalls motiviert dieses Abenteuer, auch
eigene Reisepläne zu verwirklichen und fernab von eingefahrenen Reiserouten
Land und Leute kennen zu lernen.
Aus dem Englischen von Fred Schmitz.
Frederking &
Thaler, 2003. 320 Seiten, 16 Farb- und s/w-Fotos.
ISBN 3-89405-619-3.
ca. EUR 24,-.
Buch bestellen