Aloys Zötl: "Spaziergang ins Paradies"
"Das Gürteltier sieht
aus wie in einem zoologischen Treibhaus gezogen, unwahrscheinlich und künstlich.
Es hat Schweinsohren, kurze Füße und auf dem Rücken einen Panzer aus
Knochenplatten. Die Naturgeschichte schreibt diesem Lebewesen ins Zeugnis: 'Langsam,
träge, harmlos und stumpfsinnig.' Trotzdem kommt es nicht in unseren
Breitengraden vor, sondern in Südamerika. Da die Gürteltiere, wie gesagt,
harmlos sind, hat man lange nachdenken müssen, bis man einen halbwegs
reputierlichen Grund, sie zu jagen und zu töten, gefunden hat. Endlich ist man
darauf gekommen, dass sie durch ihre unterirdischen Höhlenbauten die Wege für
Reiter unsicher machen! Oh, das Vieh lebt nicht, das den Mörder Mensch in
Verlegenheit bringen könnte." (Alfred Polgar)
Was den Menschen vom Tier unterscheidet ist die Fähigkeit, zu reflektieren.
Diesen Satz hat jeder von uns höchsten Wesen irgendwann schon einmal gehört.
Der Mensch ist das Alpha und das Omega. Der Anthropozentrismus ist uns schon in
die Wiege gelegt worden. Schließlich ist es ein unglaublicher Luxus,
reflektieren zu können! Ist es wirklich so? Oder ist es nicht vielleicht doch
ein wenig überzogen, Reflexion über alles Andere zu stellen?
Das Tier reflektiert nicht, glaubt der Mensch zu wissen. Es lebt einfach so
dahin, alles ist in ihm
vorprogrammiert,
selbst zu leiden ist es nicht wirklich fähig. Freilich alles Humbug, wer diese
Aussagen ernsthaft für sich bestätigen wollte. Das Tier hat nämlich dem
Menschen eigentlich etwas voraus: Es lebt in stiller Eintracht mit der Natur und
vermag es nicht, sich selbst zu hassen. Nur wenn der Mensch eingreift, und es zu
seinen Zwecken domestiziert, kann es zu einem Monster werden ...
Das wunderbare Bilderbuch "Spaziergang ins Paradies" vereinigt in sich
zahlreiche Bilder des längst in Vergessenheit geratenen Aloys Zötl
(1803-1887). Er arbeitete als Handwerker in einer Färberei, gab sich aber in
seiner Freizeit dem Studium der Tiere hin, die er in Frieden und Ruhe abbildete.
Es sind Geschöpfe, die wie eingepasst in fantastischen Landschaften ihr Leben
verbringen, und dabei oft selbst fantastisch wirken. Die Texte des Buches
beziehen sich auf die abgebildeten Tiere und zeugen von der Demut der Schreiber
vor den Tieren, zu denen wir
homo
sapiens sapiens nur sehr selten bereit sind.
"Gedenke auch unserer älteren Schwestern und Brüder, der Tiere.
Verbiete dem Menschen, Tiere zu töten, um sie zu essen.
Denn auch sie sind fühlende Wesen, auch in ihnen wohnt die Sehnsucht nach
Leben; unsere Weggefährten sind sie auf dem gemeinsamen Weg zur
Unsterblichkeit.
Solange noch Menschen Tiere töten, werden sie auch Kriege führen.
Solange Menschen Tiere essen, werden sie ihre unschuldigen Opfer zu Tode quälen:
zu Hunderttausenden in den Labors und Massenzuchtanstalten,
zu Millionen in den Schlachthöfen der Städte
zu Myriaden in den Weltmeeren.
Ihr Blutstrom darf nicht länger mehr als Nahrung dienen,
ihr Leib nicht länger mehr als Rohstoff, ihr Leben nicht länger mehr als
Lebensmittel für uns Menschen." (Eugen Drewermann, 18.8.1991)
Was das Buch rund um die Bilder von Aloys Zötl schafft, wenn der Leser es zulässt,
ist in erster Linie, einen Konfrontationskurs mit der eigenen Selbstverständlichkeit
einzugehen. Eugen
Drewermann, der vielleicht wichtigste Theologe der Jetzt-Zeit, bringt es mit
seinem Gebet auf den Punkt: Müssen wir Tiere derartig niedrig einschätzen, sie
für unsere eigenen, oft lächerlichen Zwecke leiden lassen und mehr oder
weniger bestialisch töten?
Aloys Zötl liebte die Tiere und lernte von ihnen. Wie ist das mit uns? Sind wir
in der Lage, von den Tieren zu lernen, oder sie gar als Schwestern und Brüder
anzusehen? Der Mensch rottet ganze Tierarten aus. Hunderte Tierarten sind kurz
davor, auszusterben. Der Anthropozentrismus hat den Menschen dazu geführt,
durch viel Tierblut zu waten. Dass Tiere wunderschöne, ja herrliche Wesen sind,
beweist Zötl mit seinen ausdruckstarken Bildern.
Wir sind nicht das Alpha und Omega. Wir sind auch nicht mehr als eine
Lebensform, die es geschafft hat, sich zum Krösus auf der Welt abzurichten.
Eine Leistung, auf die der homo sapiens sapiens nicht stolz sein kann. Die Tiere
werden es uns danken, wenn wir ihnen irgendwann einmal mit Respekt und Toleranz
begegnen. Da kann jeder nur bei sich selbst anfangen. Deswegen ist das Buch
nicht nur für Kinder sehr geeignet, sondern ebenso für Erwachsene. Vielleicht
können dann ja einmal die Eltern von den Kindern lernen ...
(hei)
Aloys Zötl: "Spaziergang ins
Paradies"
Aufbau Verlag, 2000. 31 Seiten.
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