W. Somerset Maugham: "Der Magier" und "Notizbuch eines Schriftstellers"
Anmerkungen zu Leben und Werk |
William Somerset Maugham wurde am 25. Jänner 1874 als jüngster Sohn von Robert Ormond Maugham im Botschaftsgebäude in Paris geboren. Sein Vater, ein wohlhabender Jurist, stand im Dienst der britischen Botschaft. William verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre in Frankreich, und er sollte diesem Land sein Leben lang verbunden bleiben. Als er vier Jahre alt war, wurden seine Brüder auf Schulen nach England geschickt, während William weiterhin bei seinen Eltern in Paris lebte. |
Bereits im Alter von zehn Jahren war der Knabe Vollwaise: Zuerst
war die Mutter Edith an Lungentuberkulose gestorben, zwei Jahre später der Vater
einem Krebsleiden erlegen. William zog zu seinem kinderlosen Onkel Henry, einem
Vikar, und dessen deutschstämmiger Frau nach Kent.
Um seine Kenntnisse der
englischen Sprache war es zu jener Zeit nicht allzu gut bestellt, und der
wenngleich einfallsreiche, so doch introvertierte, schmächtige, stotternde Knabe
war Ziel des Spottes seiner Mitschüler an der King's School in Canterbury. Allen
Widrigkeiten zum Trotz mühte sich William redlich und war darob ein
überdurchschnittlich guter Schüler.
Die belastenden Erfahrungen jener
Zeit schrieb er sich Jahre später im großteils autobiografischen Roman "Of Human
Bondage" (1915 veröffentlicht, in Grundzügen schon früher entstanden) von der
Seele. Der Protagonist des auf Deutsch unter dem Titel "Der Menschen Hörigkeit"
erschienenen Bildungsromans, Philip Carey, ist ein sensibler Knabe, der mit
einem Klumpfuß geboren wurde. Wie sein literarischer Schöpfer verliert auch
Philip früh beide Elternteile und wird von seinem puritanischen Onkel und dessen
Frau erzogen. Philip meistert sein Schülerschicksal mit Sarkasmus und
Scharfsinn, dennoch verlässt er - auch dies eine Übereinstimmung mit Maugham -
die Schule ein Jahr vor dem Abschluss.
Der Roman schildert Philips Kindheit,
Jugend und frühe Mannesjahre: Der Heranwachsende sehnt sich nach Abenteuern und
verlässt im Alter von 18 Jahren sein Zuhause, studiert in Heidelberg und London.
Auch versucht er, in Paris die künstlerische Laufbahn einzuschlagen, bleibt
allerdings bei all seinem Tun insgesamt orientierungslos. Er verfällt der
androgynen, verführerischen Kellnerin Mildred, einem wahrhaftigen Luder, und
eine dem Untergang geweihte Affäre nimmt ihren Lauf.
W. Somerset Maugham
gelang die intensive Darstellung der sexuellen Besessenheit, des Sehnens nach
menschlicher Nähe und Freiheit. Philip Carey überwindet schließlich die
zerstörerische Leidenschaft, kann infolge einer Erbschaft sein Medizinstudium
abschließen und heiratet eine rechtschaffene, einfache Frau.
Mit "Der
Menschen Hörigkeit" schaffte W. Somerset Maugham endgültig den ehrgeizig
angestrebten Durchbruch als Schriftsteller, zuvor feierte er - nach brotlosen
Durststrecken - mit seinen Theaterstücken Erfolge: Im Jahr 1908 liefen vier
davon gleichzeitig in London!
Das Wissen um sein wenig attraktives
Äußeres und auch seine gleichgeschlechtlichen Neigungen ließen ihn schon früh
mit einer als Schutzpanzer fungierenden zynischen Einstellung durch das Leben
gehen, bzw. überspielte er, was er als Makel empfand, mit Arroganz.
Obzwar er
sein Praktikum als Mediziner im St. Thomas Hospital absolvierte, nachdem er in
London und Heidelberg (W. Somerset Maugham verfügte über entsprechende
Sprachkenntnisse) Medizin und Philosophie studiert hatte, wandte er sich mit
ganzer Kraft dem Schreiben zu, dies umso mehr, als sich sein erster, 1897
erschienener Roman, "Liza of Lambeth", recht passabel verkaufte, und vor allem
seine Theaterstücke - wie bereits erwähnt - etwa ein Jahrzehnt später
Publikumserfolge waren.
In "Liza of Lambeth" (dt. "Liza von Lambeth")
verarbeitete W. Somerset Maugham milieutypische Beobachtungen und Erfahrungen,
die er während seiner Arbeit als Gynäkologe und Geburtshelfer in einem Londoner
Elendsviertel gesammelt hatte: Liza, ein gleichermaßen schönes wie dickköpfiges
Mädchen im Londoner Arbeiterviertel Lambeth, verliebt sich in den viel älteren,
verheirateten Jim, und ihre Freundin Sally ist den Schlägen ihres alkoholkranken
Ehemannes Harry hilflos ausgeliefert ...
Ebenfalls im Jahr 1897 schloss
W. Somerset Maugham sein Medizinstudium ab und verbrachte nach dem Tod seines
Onkels einige Monate in Sevilla. Aufenthalte in Neapel und auf Capri folgten.
Die in jenen Jahren entstandenen Romane vermochten jedoch nicht an den Erfolg
von "Liza of Lambeth" anzuschließen, und der Autor feilte weiter an seinem
Schreibstil, erarbeitete sich in mühseligen Studien handwerkliche
Fertigkeiten.
Damals unterhielt W. Somerset Maugham eine langjährige,
intensive Beziehung mit der Schauspielerin Sue Jones.
1913 schwängerte
Maugham Syrie Wellcome, die zu jener Zeit noch anderweitig verheiratet war,
jedoch bald darauf geschieden wurde. Das Paar heiratete zwar 1917, lebte jedoch
nicht unter einem Dach.
Im Ersten Weltkrieg diente Maugham beim Roten Kreuz
in Frankreich - eine willkommene Gelegenheit, der ehelichen Misere zu entfliehen
- wo er den US-Amerikaner Frederick Gerald Haxton (1892-1944) kennen
lernte. Haxton, der in England als unerwünschter Ausländer galt, wurde Maughams
Sekretär und Geliebter.
W. Somerset Maughams Ehe diente wohl
nicht zuletzt als "Tarnung" in einem Umfeld, das von scheinheiliger Moral
geprägt war.
Das
Schicksal Oscar Wildes, der - verheiratet und Vater zweier Kinder - wegen
"Sodomie" (so der damalige Ausdruck für Homosexualität) anno 1895 im Zuge eines
Prozesses, bei dem er vom Kläger zum Angeklagten geworden war, zu zwei Jahren
Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt wurde, warf seinen bedrohlichen Schatten.
Der Ruf des nicht nur körperlich großen Literaten Oscar Wilde war ruiniert und
seine Gesundheit ebenso. "Sebastian Melmoth", wie sich Wilde nach seiner
Haftentlassung nannte, war am 30. November 1900 im Alter von nur 46 Jahren
verarmt an den Folgen einer Hirnhautentzündung in Frankreich gestorben.
Der
Ehe W. Somerset Maughams mit Syrie, die später erfolgreich als Innenarchitektin
werkte, entstammte eine Tochter: Elizabeth (Liza). Die Scheidung wurde 1927
ausgesprochen. Maugham befand sich ohnedies zumeist außerhalb Englands,
einerseits bedingt durch drückende Steuergesetze, andererseits um bedrohungsfrei
seinen sexuellen Neigungen entsprechend leben zu können.
Unter dem
Deckmantel der Berufstätigkeit als Reporter war Maugham zur Zeit des Ersten
Weltkriegs für den Britischen Geheimdienst aktiv und hielt sich 1917 während
der Russischen Revolution in St. Petersburg auf. ("Dort soll er u.a. daran
mitwirken, die Machtübernahme der Bolschewiki zu verhindern, ein Plan, aus dem,
wie die Historie zeigt, dann nichts geworden ist. Maugham nützt die Monate, die
er während der Agonie des Zarenreiches vor Ort sein kann, nicht nur für
geheimdienstliche Aufträge, sondern auch für seine literarischen Interessen" -
aus dem einleitenden Essay von Thomas und Simone Stölzel zum "Notizbuch
eines Schriftstellers"). Freilich standen sein Stottern und seine anfällige
Gesundheit (Lungentuberkulose), die Kuraufenthalte notwendig machte, einer
weiteren Geheimdienstkarriere entgegen. Maugham war jedoch zumindest zeitweise
Agent und Schriftsteller in Personalunion, wie auch beispielsweise
Graham Greene
und John Le
Carré.
Man sagt, das Genre der modernen Spionagegeschichte habe mit
Maughams "Ashenden; or the British Agent" (1928) seinen Anfang genommen. Diese
Kurzgeschichtensammlung (dt. "Ashenden oder Der britische Geheimagent") basiert
wenig überraschend zum Teil auf eigenen Erfahrungen des Autors, zu dessen
Freunden auch der "James Bond-Erfinder" Ian Fleming zählte.
W. Somerset
Maugham reiste oft und gern, was vielen seiner Geschichten exotische Schauplätze
bescherte. Seine bis ins hohe Alter unternommenen ausgedehnten Reisen führten
den Schriftsteller u.a. nach China, Indien und auf die Südseeinseln.
"The
Moon and Sixpence", erschienen 1919, (dt. "Silbermond und Kupfermünze")
thematisiert das Leben des französischen Malers
Paul Gauguin; im Roman
heißt die Figur Charles Strickland. Dieser, ein Börsenmakler und Familienvater,
bricht aus seinem biederen Dasein aus, um auf Tahiti Maler zu
werden.
Anno 1926 erwarb der mittlerweile zu Ruhm und Vermögen gelangte
W. Somerset Maugham den Landsitz "Villa Mauresque" in Cap Ferrat an der
französischen Riviera, wo er die nächsten Jahre verbrachte. Dieses noble Anwesen
hatte übrigens angeblich König Leopold II. von Belgien einst als Domizil für
seinen Beichtvater errichten lassen.
Als 1940 die deutschen Truppen in
Frankreich einmarschierten, floh W. Somerset Maugham zunächst nach Paris, dann
nach England und schließlich in die Vereinigten Staaten von Amerika.
1938
reiste Maugham aufgrund regen Interesses an indischer Spiritualität nach
Indien. Er arbeitete damals an seinem Roman "The Razor's Edge" (dt. "Auf Messers
Schneide"). Darin findet ein vom selbstverständlich sinnlosen Kriegsgemetzel und
der Leere des modernen Lebens erschütterter amerikanischer Veteran auf der Suche
nach dem Sinn des Lebens schließlich nach langer Reise seinen Seelenfrieden bei
einem heiligen Mann in Indien, bevor er in die USA zurückkehrt.
"The
Razor's Edge" wurde mehrfach verfilmt.
Nach Kriegsende
kehrte Maugham mit seinem langjährigen Freund Alan Searle, den er auch als
Sekretär beschäftigte, nach Frankreich zurück. 1947 stiftete er den Somerset
Maugham Award, der seither alljährlich von der britischen Autorenvereinigung an
gebürtige Engländer unter 35 für ein veröffentlichtes Buch vergeben wird und es
ihnen ermöglichen soll zu reisen, wie es der edle Gönner einst getan. ("£12,000
are awarded each year to British authors under the age of 35 for a published
work of fiction, non-fiction or poetry.")
Zu den bisherigen Preisträgern
zählen u.a. Doris Lessing,
V. S. Naipaul, Ian McEwan,
Peter
Ackroyd, John Le Carré und A.L. Kennedy.
W. Somerset Maugham starb am 16. Dezember 1965 in
Nizza.
Er hinterließ ein umfangreiches Gesamtwerk, bestehend aus Romanen,
Kurzgeschichtensammlungen, Theaterstücken, Reiseerzählungen und
Essays.
Anmerkung am Rande: Nach wie vor findet sich auf dem Buchmarkt
keine Biografie W. Somerset Maughams in deutscher Sprache.
"Der
Magier"
|
"Und doch ist Magie nichts weiter als die Kunst, sich unsichtbarer Mittel zu bedienen, um sichtbare Wirkungen zu erzielen. Wille, Liebe und Fantasie sind magische Kräfte, über die jeder verfügt; und wer es versteht, sie bis zu ihrem vollsten Ausmaß zu entfalten, ist ein Magier. Die Magie kennt nur ein Dogma, nämlich, dass das Sichtbare der Maßstab für das Unsichtbare ist." (Aus "Der Magier") |
Der großteils im
Paris, teils im
England der Jahrhundertwende spielende, erstmals im Jahr 1908 erschienene
Gruselroman vermittelt auf ebenso geistreiche wie kurzweilige Weise ein
Stimmungsbild jener Atmosphäre, wie sie sich im dekadenten Gesellschaftssegment
der europäischen Metropolen darstellte, nicht zuletzt angereichert mit
Spannungselementen und Schilderungen der Zerstörung einer und der Entfaltung
einer anderen Liebesbeziehung.
Im Zuge der Vorarbeiten zu "The Magician"
(Untertitel der deutschen Ausgabe: "Ein parapsychologischer Roman") befasste
sich W. Somerset Maugham mit alchemistischem Schrifttum und Okkultismus,
Magie
und Mystizismus, wobei dem Roman keinerlei diesbezügliche Wertungen oder Urteile
zu entnehmen sind.
Die schillerndste Gestalt des traditionell strukturierten
Werkes ist der charismatische Oliver Haddo, ein allem Anschein nach in allerlei
dunklen Künsten bewanderter Sonderling, dessen außergewöhnliche Eigenschaften
und Fähigkeiten, gepaart mit begnadetem Fabuliertalent, vordergründig für
Erregung und Aufsehen sorgen, im Verborgenen jedoch schauderhafte Blüten
treiben.
Die anmutige, unerfahrene Margaret Dauncey, Kunststudentin und
Verlobte des vernünftig, nüchtern und beharrlich agierenden Chirurgen Arthur
Burdon, verfällt dem undurchsichtigen Oliver Haddo, der sich mit Okkultismus und
Alchemie
befasst, augenscheinlich Lebewesen nach Lust und Laune zu manipulieren vermag
und just jenes betörende Gift verströmt, nach welchem die sensationslüsterne
Bohème giert. Als Folge einer demütigenden Auseinandersetzung mit Arthur Burdon
rächt sich Haddo auf tückische Weise an dem Arzt, indem er dessen wunden Punkt
trifft: Er verdreht Arthurs beeinflussbarer Verlobter mithilfe dunkler
Machenschaften (Intrigen, Drogen, Hypnose, ...) den Kopf und ehelicht sie - mit
einer Liebesheirat hat das Ganze freilich nichts gemein, und bald verdichten
sich Gerüchte, die Ehe sei niemals vollzogen worden.
Margarets Freundin Susie
entwickelt mehr als Zuneigung für Arthur, und ihre Gefühlsregungen sollen nicht
unentdeckt bleiben.
Haddo lässt keinen Zweifel daran, dass er es tatsächlich
darauf abgesehen hat, in seinem Geheimlaboratorium nach Art großer Alchemisten
homunculi
(das sind künstlich erschaffene Menschlein ohne Seelen) herzustellen - ein auch
in Goethes "Faust II" verwirklichtes Ansinnen. Dazu bedarf es bei Maugham u.a.
des Blutes einer Jungfrau ...
Nach einigen erzählerisch ausgefeilten
unterhaltsamen Wendungen steuert der im letzten Drittel mit rasantem Tempo aus
grüblerischen Tiefen auftauchende Roman auf genreübliche Horrorszenen zu, und
das Dreiergespann, bestehend aus Susie (schließlich sind schrille Angstschreie
aus weiblicher Kehle sozusagen unverzichtbares Kleingeld), Dr. Porhoët, der
ebenfalls mit den dunklen Künsten vertraut ist, und Arthur, sieht sich mit
Grauenerregendem konfrontiert: Nach einer Geisterbeschwörung kommt es während
eines effektvollen Gewitters zum entscheidenden Kräftemessen zwischen dem längst
nicht mehr nüchtern agierenden Arthur Burdon und Oliver Haddo, in dessen
Laboratorium sodann grausige Überraschungen warten, die in einem Flammeninferno
(Feuer als altbekanntes Symbol der Läuterung bzw. der Transformation) vernichtet
werden ...
"Der Magier" ist, wie schon angemerkt, ein Gruselroman und endet
folglich nicht mit dem aus zahlreichen Märchen bekannten Satz "... und sie
lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende", allerdings liest man: "Im
Osten stieg ein Lichtstrahl am Himmel auf, und die Sonne erschien gelb und rund
über der Erde" - was letztlich Ähnliches bedeutet.
Als im Jahr 1926 unter
der Regie von Rex Ingram mit Paul Wegener in der Rolle des Oliver Haddo
entstandener Stummfilm, der in etlichen Punkten von der literarischen Vorlage
abweicht, kam "Der Magier" (auch unter dem Titel "Der Dämon") in die
Kinos.
MARGARETE: Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt; Es hat mir in meinem Leben So nichts einen Stich ins Herz gegeben Als des Menschen widrig Gesicht. FAUST: Liebe Puppe, fürcht ihn nicht! MARGARETE: Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. Ich bin sonst allen Menschen gut; Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen, Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, Und halt ihn für einen Schelm dazu! Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu! FAUST: Es muß auch solche Käuze geben. MARGARETE: Wollte nicht mit seinesgleichen leben! Kommt er einmal zur Tür herein, Sieht er immer so spöttisch drein Und halb ergrimmt; Man sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt; Es steht ihm an der Stirn geschrieben, Daß er nicht mag eine Seele lieben. Mir wird's so wohl in deinem Arm, So frei, so hingegeben warm, Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu. FAUST: Du ahnungsvoller Engel du! MARGARETE: Das übermannt mich so sehr, Daß, wo er nur mag zu uns treten, Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. Auch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten, Und das frißt mir ins Herz hinein; Dir, Heinrich, muß es auch so sein. FAUST: Du hast nun die Antipathie! Aus "FAUST: DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL" von Goethe. |
Die Romanfigur Oliver Haddo trägt
unverkennbar Züge des englischen Magiers
Aleister
Crowley, dem W. Somerset Maugham in Paris begegnete. Obwohl Crowley
Maugham eigenen Aussagen zufolge auf Anhieb ganz und gar unsympathisch
war, wird in "Der Magier" ein durchaus nuanciertes Bild einer zwischen
teuflischem Genie und Scharlatan wuchernden Existenz entworfen. W.
Somerset Maugham im dem Roman später vorangestellten "Fragment einer
Autobiografie": |
Darüber, ob oder inwieweit etwa die
Geschichte von der Heiligen Margarete für die Namen diverser Charaktere in der
Literatur Quell der Inspiration war, kann spekuliert werden: Die Heiligenlegende
weiß jedenfalls von einem gezähmten
Drachen (als Symbol
der Versuchung des Bösen - wir wissen ja: "Das Böse ist immer und überall") zu
berichten.
"Notizbuch eines Schriftstellers" |
"Dem Durchschnittsmenschen genügt
die Lebensregel, seinen durch die Moralgesetze der Umwelt in Zaum
gehaltenen Instinkten zu folgen." |
Nicht wenige Schriftsteller führten und
führen derlei
Aufzeichnungen,
und Maugham bezieht sich in seinem einleitenden Vorwort gegenständlich
besprochener Ausgabe auf Jules Renards (1864-1910) moralisierend-humorige
Schriften dieser Art: "Dass Jules Renards Journal mir in dieser Hinsicht
so angenehm auffiel, hat mich dazu angeregt, meine eigenen Notizen zu sammeln
und sie meinen Schriftstellerkollegen vorzulegen."
Nachträglich mit
anlässlich der geplanten Veröffentlichung eingefügten Anmerkungen versehen
gewährt also das "Notizbuch eines Schriftstellers" autorisierte Einblicke in
William Somerset Maughams Gedanken-, Erlebnis- und Schaffenswelt. Die Seiten
seines ersten derartigen Notizbuches füllte der Autor im Jahr 1892, wobei über
die Jahre allerdings keine Tagebücher im herkömmlichen Sinn, sondern viel eher
Sammlungen von markanten Situations- und Personenbeschreibungen,
Reiseaufzeichnungen, Prosaminiaturen und theologischen sowie philosophischen
Reflexionen, gewürzt mit allerlei Zitaten und Aphorismen entstanden
sind.
Auch Prominente (z.B.
Charlie
Chaplin), Naturschauspiele und Landschaften sind Gegenstand der Betrachtung,
überdies finden sich bisweilen provokant formulierte gesellschaftspolitisch und
zeitgeschichtlich relevante Kommentare. Und natürlich tauchen immer wieder Sätze
auf, die wohl gleich Samen auf den Seiten schlummern, um vielleicht eines Tages
auf fruchtbaren Boden zu fallen, dort zu keimen und in Geschichten Wurzeln zu
schlagen.
1949 sichtete Maugham seine Aufzeichnungen und wählte aus der
Fülle des Materials diejenigen Notizen aus, welche seiner Meinung nach
repräsentativ, unverbraucht (soll heißen nicht bereits in seinen literarischen
Werken verwertet) und für eine größere Leserschaft interessant sein könnten;
diese Auszüge wurden sodann, chronologisch gereiht, als "Notizbuch eines
Schriftstellers" publiziert.
Gewiss wird jeder Leser auf für ihn
bedeutsame oder auch belustigende Textpassagen stoßen, Lebensweisheiten oder
Denkanstöße - de gustibus non est disputandum. Nachstehend einige
Kostproben:
"Man spricht viel über den Adel der Arbeit, aber
Arbeit
als solche hat nichts Edles. In früheren, kriegerischen Zeiten wurde die Arbeit
verachtet und das Soldatenleben hochgeschätzt. Heute, da die große Mehrzahl aus
Arbeitenden besteht, wird die Arbeit hochgeschätzt. Der Grund ist lediglich,
dass die Menschen in ihrer Überheblichkeit immer das, was sie gerade tun, als
das Edelste betrachten.
Die Arbeit wird gepriesen, weil sie die Menschen von
sich selbst ablenkt. Hohlköpfe langweilen sich, wenn sie nichts zu tun haben.
Mit der Masse zu arbeiten ist ihre einzige Rettung, aber es ist lachhaft, die
Arbeit deshalb edel zu nennen. Zum Nichtstun braucht es viele Talente und viel
Kultur oder eine besondere Veranlagung."
"Die meisten Menschen verwenden
den Verstand, der ihnen nach der Sorge um ihre eigene Existenz und die der
Nachkommenschaft noch übrigbleibt, in keineswegs edler Weise."
"Wir saßen
in einem Wirtshaus auf Capri, als Norman hereinkam und uns mitteilte, dass T. im
Begriff sei, sich zu erschießen. Wir waren entsetzt. Norman sagte, als T. ihn
von seinem Entschluss unterrichtet habe, sei ihm kein Argument eingefallen, ihn
davon abzubringen. 'Wollen Sie etwas dagegen unternehmen?' fragte ich. 'Nein.'
Er bestellte eine Flasche Wein und setzte sich an den Tisch, um auf das Geräusch
des Schusses zu warten."
"Die Kokospalmen dehnten sich bis zum Ufer aus,
nicht in Reihen, aber doch in geordnet wirkenden Abständen. Sie glichen einem
Ballett alter Jungfern, die gefallsüchtig und mit süßlicher Grazie in
affektierten Haltungen dastehen."
Vom
Diogenes Verlag als "ein buntes, humorvolles, kluges Buch - eine Fundgrube für
alle, die sich verführen und in den Kosmos W. Somerset Maughams ziehen lassen
wollen" bezeichnet, lädt der knapp sechshundert Seiten starke Band zum
angeregten und genussvollen Schmökern ein.
(kre; 12/2004)
W. Somerset
Maugham:
"Der Magier"
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"Der Menschen
Hörigkeit"
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"Liza von Lambeth"
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"Ashenden oder Der britische
Geheimagent"
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"Silbermond und
Kupfermünze"
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"Auf Messers
Schneide"
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"Notizbuch eines
Schriftstellers"
(Originaltitel "A
Writer's Notebook")
Herausgegeben, überarbeitet und mit einem Essay versehen
von Simone
und Thomas Stölzel.
Aus dem Englischen von Irene Muehlon.
Diogenes, 2004. 608 Seiten.
ISBN 3-257-06452-7.
ca. EUR 25,60.
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Buchtipp:
Merlin Holland: "Oscar Wilde im
Kreuzverhör"
Die erste vollständige Niederschrift des
Queensberry-Prozesses
(Originaltitel "Irish Peacock & Scarlett
Marquess")
Aus dem Englischen von Henning Thies.
Am 18. Februar 1895 hinterließ
der Marquis von Queensberry, der Vater von Lord Douglas, in Wildes Club eine
Karte "For Oscar
Wilde, posing as sodomite" ("Für den als Sodomisten posierenden Oscar
Wilde"). Gegen den Rat seiner Freunde entschloss sich Wilde, den Marquis wegen
Verleumdung zu verklagen - und setzte damit einen Prozess in Gang, der wie eine
Komödie begann und sich vor den Augen einer fassungslosen Öffentlichkeit
unaufhaltsam in eine Tragödie verwandelte. Wilde befand sich im Zenit seines
Ruhmes, als er so sein Schicksal herausforderte und damit den größten Skandal
seiner Zeit auslöste. Entsprechend tief war sein Fall - er verlor und wurde
anschließend zu zwei Jahren Zuchthaus und Zwangsarbeit verurteilt.
Aus der
Niederschrift dieser dreitägigen Gerichtsverhandlung ist ein Buch entstanden,
das über die reine Dokumentation weit hinausgeht. Wir erleben darin einen
siegessicheren Helden, der souverän seinen Witz einsetzt, um selbst im
Gerichtssaal das Publikum für sich zu gewinnen. Und wir erleben, wie diesem
Helden der Prozess gemacht wird - nicht nur aufgrund seines teils fragwürdigen
Verhaltens, sondern auch aufgrund seines literarischen
Werkes. Es ist ein verzweifelter Kampf, den der "Herr der Sprache" hier
führt, und er muss erkennen, dass ironische Überlegenheit als Waffe nicht taugt.
Eine untaugliche Waffe ist auch die Lüge - auf sie hatte Oscar Wilde vergeblich
gesetzt.
Beim Autor, Merlin Holland, handelt es sich übrigens um den Enkel
Oscar Wildes. (Blessing)
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Leseprobe aus
"Das Werden des Lebens. Wie Gene die Entwicklung steuern"
von Christiane
Nüsslein-Volhard:
Schon in alter Zeit gab es
Menschenschöpfungsutopien, in großer Vielfalt natürlich in Mythen und den
verschiedenen Religionen. Aber obgleich den meisten Menschen wohl klar ist, dass
die Entstehung der Frau Eva aus einer Rippe des ersten Mannes Adam oder der
Pallas Athene aus dem Kopf von Zeus eher symbolisch gemeint sein dürfte, sieht
es anders aus, wenn derartige Ideen an zu ihrer Zeit biologisch begründete
Vorstellungen anknüpfen. Ein Beispiel aus dem Mittelalter ist die
Homunculus-Rezeptur von
Paracelsus von
Hohenheim. Sie beruht auf der für lange Zeit populären Vorstellung der
Entstehung des Menschen durch Präformation. Nach dieser Vorstellung war der
werdende Organismus im Sperma schon als Homunculus vollständig vorgeformt und
musste sich im mütterlichen Organismus nur entfalten wie ein Pflanzensamen im
Blumenbeet. Im Rezept des Paracelsus von 1537 wird der mütterliche Organismus
durch ein künstliches Gebräu ersetzt und Sperma mit Pferdemist, Urin und anderen
Ingredienzien bei Wärme im
Kürbis inkubiert.
In 40 Tagen soll daraus ein kleines Menschlein werden (aber nur dann, wenn das
Ganze heimlich stattfindet). Diese Geschichte wird von Goethe im zweiten Teil
des "Faust" auf bemerkenswerte Weise thematisiert. Nicht Faust, der Aussteiger
und Skeptiker, sondern Wagner, der beflissene und fortschrittsgläubige Schüler,
schürt das Feuer.
Mephisto: Was gibt es denn?
Wagner (leiser): Es wird
ein Mensch gemacht.
Mephisto: Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
habt
ihr in's Rauchloch eingeschlossen?
Wagner: Behüte Gott! Wie sonst das
Zeugen Mode war
Erklären wir für eitel Possen ...
Wenn sich das Tier noch
weiter dran ergötzt,
so muss der Mensch mit seinen großen Gaben
doch
künftig höhern, höhern Ursprung haben.
Es wird aber nichts daraus, denn
der Homunculus, ein altkluges, aber unterentwickeltes Wesen, das von Wagner
angestaunt wird, kann nicht aus der Retorte steigen, er ist nur halb zur Welt
gekommen. Mit Mephistos Hilfe sucht er Rat bei den weisen Naturforschern der
Griechen und wird schließlich von Thales ins Meer geworfen, mit dem
Zuspruch:
Gib nach dem löblichen Verlangen
von vorn die Schöpfung
anzufangen,
Zu raschem Wirken sei bereit!
Da regst du dich nach ewigen
Normen,
Durch tausend abertausend Formen
Und bis zum Menschen hast du
Zeit. (Faust II, 2. Akt)
In diesem Text sind gleich mehrere Weisheiten
enthalten - unter anderem die der
Evolution, der
Entstehung von komplexeren aus einfacheren Formen in langen Zeiträumen; dann die
ewiger Normen, nach denen Lebendes sich entwickelt; schließlich die
Vergeblichkeit der Versuche des Forschers, diese voll zu erfassen und zu einer
Neuschöpfung zu verwenden. (...)
"Leben ist das Faszinierendste, was es
gibt. Innerhalb von kurzer Zeit entsteht in einem Ei, das aus nicht viel mehr
als einem Säckchen Dotter besteht, umhüllt von einer schützenden Schale, ein
Küken, das laufen, sehen und essen kann."
Mit diesen Worten beginnt eine
spannende Reise durch die Geschichte der Entwicklungsbiologie, auf der die Leser
die wunderbar anmutenden Vorgänge der Gestaltbildung kennen lernen. Er erfährt,
welche Fragestellungen, Experimente und Antworten zu dem heutigen Wissen über
das Werden des Embryos geführt haben, welche Mechanismen die fein aufeinander
abgestimmten Formen eines Tieres entstehen lassen und welche Rolle die
Gene
bei der Entwicklung eines Organismus spielen.
Das Buch handelt von Genen und
Embryonen vielzelliger Tiere bis hin zum Menschen. Wie kommt es, dass Kinder so
aussehen wie ihre Eltern? Woher weiß eine Zelle im Embryo, zu welcher Struktur
sie sich entwickeln soll, beispielsweise zu einer Augen- oder einer Muskelzelle?
Wie überhaupt wirken die Gene bei der Entstehung der Vielfalt des
Lebenden?
Christiane Nüsslein-Volhard gibt einen verständlichen, mit
zahlreichen eigenen Zeichnungen anschaulich gemachten Überblick über Evolution,
Genetik,
Molekularbiologie und Embryologie und diskutiert aktuelle Themen der
menschlichen Biologie und Biopolitik. (C. H. Beck, 2004)
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