Åke Smedberg: "Tod im Sommerhaus"
Åke
Smedberg, Jahrgang 1948, ist einer der bekanntesten Schriftsteller
Schwedens. Er hat Kurzgeschichten, Romane und Gedichte
veröffentlicht und wurde im Jahr 2000 mit dem wichtigsten
schwedischen Literaturpreis, dem "Augustpreis" ausgezeichnet.
Wenn ein solcher Autor sich an das Krimigenre wagt, erwartet man
sprachlich etwas Anderes als das Gewohnte und hofft, dass er in der
Lage ist, einen interessanten Handlungsablauf spannend zu
erzählen.
Åke Smedberg erfüllt mit seinen Büchern
diese Erwartungen voll. Er hat mit dem Journalisten John Nielsen eine
Figur erschaffen, die den erfahrenen Krimileser an Henrik Tandefelts
Josef
Friedmann aus "Lauf, Helin, lauf" und "Ultramarin"
erinnert. Bei Tandefelt löst Friedmann zusammen mit einem
befreundeten Polizisten seine Fälle sozusagen aus einer
Hobbytätigkeit heraus, für die ihm sein Auskommen als
selbstständiger Unternehmer viel Zeit lässt.
Hier jedoch, bei Smedbergs John Nielsen, ist die Sache existenzieller.
Immer sind seine Fälle, in die er sich selbst als Journalist
hineinbegibt, irgendwie verknüpft mit seiner Biografie. John
Nielsen hat einen langen und schweren Lebensweg hinter sich, und auf
jeder Seite von Smedbergs Büchern steht es auf Messers
Schneide, ob er wieder abdriftet in den Orkus, aus dem er sich mit
Hilfe anderer Menschen herausgewuchtet hat, oder ob er, wie einsam und
verzweifelt auch immer, überlebt.
John Nielsens Familie stammt aus Dänemark. Sein Vater
verschwand ziemlich bald von der Bildfläche. Mit siebzehn sah
er ihn zum letzten Mal; er bleibt für ihn zeitlebens eher eine
negative Figur. Seine viel zu junge Mutter hat sich auch nicht um den
kleinen John gekümmert, und so wuchs er bei Janne und Kerstin
auf, seinem Onkel und seiner Tante. An diese beiden erinnert sich John
immer wieder gerne, obwohl sie ihm auch nicht helfen konnten, als er
als Siebzehnjähriger kriminell wurde.
Damals lernte John Nielsen Lasse Henning kennen, der in beiden bisher
erschienenen Büchern Smedbergs eine wichtige Rolle spielt.
Henning war damals noch Fahrer eines Streifenwagens, als er Nielsen zum
ersten Mal verhaftete. Auf eine geheimnisvolle Weise erkannte Henning
in Nielsen den Menschen hinter der jugendkriminellen Fassade und wurde
sein Bewährungshelfer und derjenige, der ihm seine ersten
journalistischen Erfahrungen ermöglichte, indem er ihm
mithilfe seiner Kontakte ein Volontariat bei der "Norrtelje Tidning"
verschaffte.
Lasse Henning wird für John Nielsen zu so etwas wie einem
Elternersatz, erst recht als Nielsen mit 23 Jahren bei einem
Autounfall
in betrunkenem Zustand einen Unterschenkel verliert und sich
fortan sich mit einer Prothese fortbewegen muss.
John Nielsen lebt zurückgezogen, arbeitet bald rein
freiberuflich und spezialisiert sich auf lang und ausführlich
recherchierte Artikel über unaufgeklärte Verbrechen.
Ein solcher Artikel über den Tod der neunzehnjährigen
Anna-Greta Sjödin im Juli 1972 bringt ihn im ersten Roman
Smedbergs, "Verschollen", in große Lebensgefahr.
In seinem zweiten, nicht minder spannenden Roman mit John
Nielsen, "Tod im Sommerhaus", gerät der Protagonist
wieder sehr schnell in außerordentlich prekäre
Situationen.
Das Ehepaar Haglund wird ermordet in einem entlegenen Haus aufgefunden.
Sehr schnell gerät ein gewisser Bosse Lindberg in Verdacht,
die beiden umgebracht zu haben. Mit Hilfe seines Freundes Lasse Henning
beginnt John Nielsen neben der Polizei zu ermitteln und deckt die
kriminelle Vergangenheit des Ehepaars Haglund auf. Und er
stößt noch auf andere Menschen und Begebenheiten,
die die Polizei übersehen hat.
"Tod im Sommerhaus" ist ein wahnsinnig spannendes Buch eines Autors,
der sprachlich hochklassig schreibt und von dem man gerne noch weitere
Bücher lesen würde. Sein Protagonist John Nielsen ist
eine literarische Schöpfung , wie sie der Rezensent so im
keinem der zahllosen Krimis, die er bisher gelesen, gefunden hat.
Ständig lebt er am Rand, obwohl er nie exzessiv ist. Er ist
auf der Suche nach seiner Vergangenheit, und damit seiner wirklichen
Identität, und stößt bei jedem neuen Fall
auf Phänomene, die ihn in nicht immer angenehmen Kontakt mit
seiner eigenen Geschichte bringen.
Auf das dritte Buch mit John Nielsen darf man wirklich gespannt sein.
(Winfried Stanzick; 06/2006)
Åke
Smedberg: "Tod im Sommerhaus"
(Originaltitel "Den Mörka Floden")
Aus dem Schwedischen von Holger Wolandt.
Goldmann Verlag, 2006. 288 Seiten.
Buch
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Verschollen"
Eines Tages verschwindet die neunzehnjährige Anna-Greta
Sjödin spurlos in den einsamen Wäldern Nordschwedens.
Ihre Leiche wird nie entdeckt, der Täter entkommt ungestraft.
Bis der Journalist John Nielsen den Fall dreißig Jahre
später wieder aufrollt und sich auf die Suche nach dem
Schuldigen macht. Doch die Geister, die er ruft, werden ihm alsbald zur
tödlichen Bedrohung: Denn ein unheimlicher Unbekannter beginnt
mit Nielsen ein grausames Spiel ...
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