Margaret Skjelbred: "Die Perlenkönigin"
Ein außergewöhnlich reifes und schönes Buch von einer außergewöhnlichen Schriftstellerin
Margaret Skjelbred wurde in Norwegen
und durch dtv auch im deutschen Sprachraum bekannt mit einer 1997 begonnenen und
im Jahr 2000 beendeten Romantrilogie, die ihr viel Lob und Anerkennung
einbrachte.
Mit ihrem neuen Roman, "Die Perlenkönigin", übertrifft sie
sich selbst. Selten hat eine Geschichte über insgesamt vier Generationen mit
ihrer literarischen Konzeption und ihrer sprachlichen Anmut und Sensibilität so
tief überzeugt.
Signhild ist glücklich verheiratet und hat drei Töchter.
Ihr alter Großvater lebt bei ihr im Haus, und sie pflegt ihn liebevoll. Dabei
erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit vor und mit dem Großvater und an seine
zahllosen Geschichten, die er ihr erzählt hat. Zunächst Tausende von
Märchen, Geschichten über Trolle und Erdfeen, später dann, tröpfchenweise, seine
eigene und damit auch ihre, Signhilds Geschichte.
"Wir sind alle Teil
einer Geschichte", sagt der Großvater einmal in der Mitte des Buches, als die
schrecklichen Erinnerungen und Nachtbilder von Signhild immer lauter nach einer
Erklärung rufen.
"Wir sind nicht die ganze Geschichte, aber ein Teil davon,
und diesen Teil müssen wir so spannend und gut wie möglich machen. Wir müssen es
versuchen. Für den Anfang der Geschichte können wir nichts, und über das Ende
wissen wir nichts, aber unseren Teil können wir leben wie anständige Leute, denn
das sind wir, keine Geister und keine Gespenster."
50 Jahre ist der
Großvater alt, als er seine völlig traumatisierte und verwahrloste Enkeltochter
zu sich auf den Berghof holt. Die Fürsorgerin ist froh, dass sich nach dem
schrecklichen Blutbad, das Signhilds schizophrene Mutter Liv an ihrem Partner
Vigulf verübt hat, nun jemand um das arme Kind kümmert.
Der Großvater hat,
aus eigener bitterer Lebenserfahrung gewonnen, eine ganz spezielle Haltung und
einen mythologisch angehauchten, aber nicht weniger wirkungsvollen Ansatz zur
Heilung psychologischer Traumata:
"Um aus dem Berg herauszukommen, müssen wir
erst tief in den Berg hineingehen, weil dort der Ausgang ist. Selbst dass dort
der schreckliche
Troll liegt
und schläft - es nützt nichts. Wir müssen ihn finden und wecken und ihm alle
seine neun Köpfe abschlagen, so dass jeder in eine andere Richtung
rollt."
Margaret Skjelbred hat ihren Roman so komponiert, dass sie vier
Zeitebenen sich abwechseln lässt: die erwachsene Familienmutter Signhild, die
ihren sterbenden Großvater pflegt und von dort aus alles Vergangene reflektiert,
die Jahre auf dem Berghof nach dem schrecklichen Unglück, die Zeit der Kindheit
von Liv, Signhilds Mutter, und ihren jahrelangen sexuellen Missbrauch durch den
Stiefvater, und die Jugendzeit des Großvaters, als er sich verliebt in
Gunnhild vom Borgwald, die mit elf Jahren ihre Eltern bei einem Unfall verloren
hat und seitdem nicht wirklich lieben kann. Gunnhild jedoch lässt Harvard, so
heißt der Großvater, abblitzen, und er heiratet, nur mit halbem Herzen, Signe,
die kurz nach der Geburt von Liv an einem von Harvard vom Berghof
eingeschleppten Typhusfieber stirbt.
Harvard ist außer sich vor
Schuldgefühlen und übergibt dennoch das Kleinkind in die Obhut seiner Eltern. Er
flieht vor sich selbst und vor seiner Schuld in die weite Welt. Auch als die
Eltern sterben und sich nicht mehr um Liv kümmern können, kehrt er nicht zurück,
sondern lässt zu, dass Liv zur kinderlos gebliebenen Gunnhild und ihrem Mann
Georg in die Familie kommt und dort aufwächst.
Georg
missbraucht seine
Stieftochter schon als kleines Kind und setzt diesen Missbrauch über viele Jahre
fort. Livs Bewusstsein spaltet sich im Laufe der Jahre auf. Sie wird
schizophren. Skarrafel ist der böse Geist in ihr, und der gute heißt
Tildermann.
Als Liv von Georg schwanger wird, wird sie von Gunnhild
kalten Herzens verstoßen und lebt mit ihrem Kind von der Fürsorge. Sie lernt den
kriminellen Vigulf kennen, auch er ein Opfer schlimmer Verhältnisse und trotzdem
ein böser Täter.
Als er nach zwei Jahren aus dem Gefängnis zurückkehrt und
die kleine Signhild, die bis dahin trotz der schwierigen Verhältnisse gut
gediehen ist, als störend empfindet und sie - auch sexuell - quält ("mit
Skarrafel in den Händen und Tildemann in der Stimme und in den Augen, der ihr
mit dem Guten Böses will"), greift Liv zu einem Messer und richtet ein Blutbad
an. Sie kommt sofort in die Psychiatrie; das vor Schock fast leblose Kind wird
vom herbeigerufenen Großvater unter dem Bett entdeckt.
Harvard ist erst
vor einiger Zeit wieder nach Schweden zurückgekehrt, nachdem er 20 Jahre bei
seiner ausgewanderten Schwester auf den Galapagos-Inseln ein eher kärgliches
Leben geführt hat, immer geplagt von der großen Schuld und dem schweren
Versagen, das er glaubt, auf sich geladen zu haben.
Doch nun beginnt ein
wunderbarer Prozess der Wiederaneignung von Leben, von Hoffnung und von Liebe,
für den Großvater und für Signhild.
"Die Perlenkönigin" ist ein
wunderbares Buch über Schuld und Vergebung, über seelische Qual und ihre Heilung
und über das starke Band der Liebe über die Generationen hinweg.
Dieses
Buch hat mich angerührt in der Tiefe meiner Seele wie kaum ein anderes in diesem
Jahr. Es hat sowohl das kleine Kind in mir zum Erinnern gebracht, als auch den
erwachsenen, 51-jährigen Mann getroffen, der mit seinem zweieinhalbjährigen Sohn
das Leben neu entdeckt und nacherzählt.
(Winfried Stanzick; 01/2006)
Margaret Skjelbred: "Die
Perlenkönigin"
(Originaltitel "Gulldronning, Perledronning")
Aus dem
Norwegischen von Sigrid Engeler.
dtv, 2006. 238 Seiten.
ISBN
3-423-24509-3.
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Margaret Skjelbred, geboren am 25.
Jänner 1949, hat sich
in Norwegen mit ihren Gedichtsammlungen als populäre
Lyrikerin etabliert. Schon ihr Romandebüt "Lerchenherzen" (1997, dt.1999) war
ein großer Erfolg; 1998 erschien ihr zweiter Roman "Windgesang", 1999 der dritte
Roman "Elfenecho".
Weitere Bücher der Autorin:
"Lerchenherzen"
Mehrere
Jahrzehnte lang ist Jakobs Scheune heimlicher Treffpunkt der Liebenden in der
idyllisch-ländlichen Vestfoldsiedlung südwestlich von Oslo. Auch Mathilde
verdankt ihre Existenz Jakobs Scheune. Seit ihrer Geburt Halbwaise, wächst sie
heran und verliebt sich in Harald, einen Angestellten ihres Vaters. Einen
glücklichen Sommer lang glaubt sie, in ihm den Mann ihres Lebens gefunden zu
haben. Doch ihr Leben wird einen anderen, traurigen Verlauf nehmen. Ragnhild,
ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft, fühlt sich von der immer schroffer
und abweisender werdenden und verbitterten Mathilde seltsam angezogen. Als ahnte
sie, welch schicksalhaftes Band sie mit Mathilde dereinst verknüpfen wird,
verbringt sie viel Zeit mit ihr. Und eines Tages taucht plötzlich ein kleiner
Junge aus Oslo auf, von dessen Existenz Mathilde seltsam berührt
scheint.
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"Windgesang"
Vestfold, das ist mehr als nur ein
Küstenstreifen mit Möwengeschrei,
Inseln und Schären links von der E 18,
Vestfold ist auch ein lebendiges Fleckchen Erde mit Wäldern, Höfen und
kleinen staubigen Straßen im Landesinnern - und mit Menschen, die
freundschaftlich oder durch familiäre Bande über die Jahrzehnte zu einer
Gemeinschaft zusammengewachsen sind.
Es ist Sommer, und der kleine Jakob ist
dreieinhalb. Seine Mutter Solfrid hat ganz jung bereits den größten Schmerz
erfahren: ihr über alles geliebter Mann starb, noch ehe er seinen Sohn Jakob
kennen lernen konnte. Lange Zeit hatte Solfrid sich in ihrem Schneckenhaus
vergraben, lange Zeit teilte sie die Trauer nur mit ihrem Sohn. Doch in diesem
Sommer sorgt ein junger Mann aus Amerika für Verwirrung in der Vestfoldsiedlung:
Eric ist der Traum aller Mädchen, doch er verliebt sich in Solfrid mit ihrem
kleinen Jungen. Nach Jahren des Dunkels und der Traurigkeit erlebt Solfrid
seltsame Gefühle, und es braucht lange, bis sie erkennt, dass ihre Verwirrung
Ausdruck von Verliebtheit ist.
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"Elfenecho"
Nach "Lerchenherzen" und
"Windgesang" der dritte und letzte Teil der Vestfold-Trilogie.
Sommerferien
in einem einsamen, abgelegenen Haus im Wald. Solfrid, die so jung Witwe geworden
ist, hat sich wie jedes Jahr mit ihrem kleinen Sohn Jakob in ein altes,
abgelegenes Haus im Wald zurückgezogen. Zu ihren Ritualen gehört neben dem
Angeln normalerweise auch der Besuch des "Elfenechos", einer Felsenschlucht, in
der man den Elfen
lauschen kann. Der Weg dorthin ist weit und gefährlich, und Jakob hat ihn
bislang nicht allein gehen dürfen.
Doch in diesem Jahr fühlt Jakob sich von
seiner Mutter vernachlässigt. Und tatsächlich ist Solfrid sehr mit sich selbst
beschäftigt: hat sie sich doch nach Jahren der Trauer um ihren viel zu früh
verstorbenen Mann nun endlich wieder verliebt. So ganz einfach gestaltet sich
diese neue Beziehung jedoch nicht: Kjetil will sich nicht festlegen, und Solfrid
kann sich damit ganz und gar nicht abfinden. In ihrer Verwirrung vergisst sie
ihr Versprechen, endlich mit Jakob zum "Elfenecho" zu gehen. Als Kjetil dann im
Sommerhaus auftaucht, wirkt Jakob seltsam verschreckt - und plötzlich ist er
spurlos verschwunden ...
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