Tove Simpfendörfer: "Münsterland-Kälber"

Trotzdem war Paul (gemeint ist Pastor Paul Elfering) überrascht. Man musste nur leicht im Untergrund stochern und schon schlüpften Schulze Feldhoffs Gegner wie die Schmeißfliegen. Wobei Paul das Ungeziefer nicht der einen oder anderen Seite zuordnen konnte. Viele Freunde blieben nicht übrig. (...)

(Auszug aus "Münsterland-Kälber")


Kriminalfall zwischen Kiepenkerl und Windmühle

Krimis, die im Münsterland spielen, sind eher selten auf dem Büchermarkt vorzufinden. Wer auf dem platten Land im Umfeld von Viehzüchtern, Veterinären und Schlachthöfen seinen Handlungsrahmen sucht, muss sich schon eine besondere Geschichte einfallen lassen. Tove Simpfendörfer hat mehrere Jahre im Münsterland gelebt und dort als Pressereferent gearbeitet. Er kennt die Eigenarten dieser Region. Durch seine Pressearbeit hat er zudem das Milieu der Viehzüchter kennen gelernt. In den 1990er Jahren fanden Veterinäre bei ihren Kontrollen in einigen Kälbern unerlaubte Konzentrationen des Wachstumshormons Clenbuterol vor. Dies brachte die Kälberzucht im Münsterland in Verruf und sorgte einige Zeit für Schlagzeilen in der Presse (Stichwort "Hormonkälber"). Vor diesem Hintergrund spielt der Krimi "Münsterland-Kälber". 

Der bekannte Viehhändler Hans Schulze Feldhoff wird ermordet. Die Borkholter Polizei steht vor einem Rätsel. Wer könnte einen Grund haben, diesen angesehenen und erfolgreichen Viehhändler umzubringen? Was war Schulze Feldhoff für ein Mensch? 

Der evangelische Pastor Paul Elfering wird mit der Beerdigung beauftragt. Er nimmt Kontakt zu Schulze Feldhoffs Angehörigen auf, informiert sich und recherchiert auf eigene Faust. Er gerät in den Sog der Ereignisse und ist in "Pater Brown-Manier" der Polizei meist um eine Nasenlänge voraus. Im Zuge seiner Erkundigungen gerät er selbst in Lebensgefahr. Seine eigenständige (-sinnige) Frau Carola ist ihm nicht immer eine Hilfe ("Carola war - positiv gesprochen - voller Energie, die - negativ gesehen - manches Mal an der falschen Stelle explodierte."). 

Wer Tove Simpfendörfers erstes Buch "Der Teufel geht auf die Jagd" gelesen hat, ist gespannt, ob Simpfendörfer auch seinem zweiten Buch einen vom Mainstream (oder der Erwartungshaltung) abweichenden Stempel aufdrücken kann. Originell finde ich - neben der Erzählung aus dem Blickwinkel des Pastors Paul Elfering - die Entwicklung der Charaktere. Wegen der dabei auftretenden Diskrepanzen, fällt eine Einteilung der Protagonisten in "gut oder böse" schwer. Irgendwie hat (fast) jeder Dreck am Stecken. Autor Simpfendörfer gelingt es vortrefflich, von seinen Protagonisten oberflächliche Charakterzüge wie die Schalen einer Zwiebel Schicht für Schicht abzulösen und den - nicht immer lupenreinen - Kern frei zu legen ("Sein und Schein, Eigen- und Fremdbild passten nicht immer zusammen."). 

Wie ist das Buch stilistisch aufgebaut? In "Münsterland-Kälber" dominieren die Dialoge, wodurch die Erzählungen lebendig wirken. Der Plot ist komplexer, als es am Anfang den Anschein hat. Hintergrund und verwendete Namen sind typisch westfälisch. Die Stadt "Borkholt" mit den fünf Türmen kennt man - zumindest als Westmünsterländer ...

Tove Simpfendörfer, geboren 1962 in Hohenlohe, studierte Kommunikationswissenschaften und Journalistik. Auf seinen sechs Reisen nach Australien beschäftigte er sich mit der Kultur und dem Leben der australischen Ureinwohner. Aus seinen Begegnungen mit den Aboriginals entstand sein Buch "Der Teufel geht auf die Jagd". Simpfendörfer arbeitet heute als Pressesprecher der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten und unterrichtet "Public Relations/ Öffentlichkeitsarbeit" in der Erwachsenenbildung.

(Klemens Taplan; 05/2004)


Tove Simpfendörfer: "Münsterland-Kälber"
Betzel, 2004. 282 Seiten.
ISBN 3-932069-14-5.
ca. EUR 11,80. Buch bestellen

Ergänzender Buchtipp:

"Der Teufel geht auf die Jagd"
"Im Schatten der Holzkirche hocken wir auf zwei wackeligen Bänken, zwischen uns ein Tisch und das Diktiergerät, das Ernie Holden kein bisschen stört. Aus dem 35-jährigen Aboriginal, einem wuchtigen Mann mit unglaublich viel Energie und Charisma, flutet es ohne Vorgeplänkel heraus. Hinweggerissen lausche ich seiner rauen, ungemein kraftvollen Sprache." Tage später hat Tove Simpfendörfer Ernies Geschichte auf Band.
Zugegeben, da wird viel gesoffen und gehauen in Ernies "Gang" und er gehört zu den Wildesten. Doch das ist nicht alles. Hinter Ernies Grobschlächtigkeit blitzt immer wieder die Sehnsucht nach der "Traumzeit" auf, in der die alten Mythen noch lebendig und die Bewohner des Kontinents eins waren mit ihrem Land. (Hammer)
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