Kamila Shamsie: "Verbrannte Verse"
Ein Roman über Liebe, Schuld,
Selbstbetrug und Selbstzerstörung
Aasmaani Inqalab, eine junge pakistanische Frau, hat an dem Tag zu leben aufgehört,
als ihre Mutter spurlos verschwand. Diese hatte die beiden vorhergehenden Jahre
in tiefen Depressionen verbracht, nachdem zuvor
ihr Lebensgefährte, ein aufrührerischer und weithin bekannter Dichter, vom Regime
ermordet worden war. Seither lässt sich Aasmaani ziellos treiben.
Bald nachdem sie auf Drängen ihrer Halbschwester eine Stelle bei einem
Fernsehsender angenommen hat, begegnet sie dem Sohn der besten Freundin ihrer
Mutter, Ed. Daraus entwickelt sich eine schicksalhafte Verbindung, zumal Eds
Mutter plötzlich codierte Briefe zugespielt werden, die nur vom Dichter,
Aasmaanis Stiefvater, stammen können.
Was als verzweifelte, obsessive Suche nach dem Dichter und ihrer Mutter beginnt,
geht nahtlos über in einen äußerst schmerzlichen Selbstfindungsprozess.
Im Zentrum dieses Entwicklungs- und Liebesromans, der durchaus auch Elemente des
Kriminalromans aufweist, steht Aasmaanis Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit, die bisher von Selbstzerstörung und Vorwürfen gegenüber der
Mutter und deren Geliebtem geprägt war. Aasmaani lernt, dass sie mit der
Vergangenheit abschließen muss - unter Vorbehalt des Rechts auf Erinnerung -,
um in der Gegenwart leben und von der Zukunft träumen zu können. Und sie kommt
der Antwort auf die allgegenwärtige Frage nach dem Sinn eines von Aufopferung
geprägten Lebens nahe.
Für den europäischen Leser ist der Roman nicht nur wegen seiner mitreißenden
Handlung und seiner psychologischen Tiefe (einschließlich gefährlicher Untiefen)
sehr interessant. Wir erfahren viel über pakistanische Lebensart und Kultur,
über die Zerbrechlichkeit der Demokratie in diesem Land und über die Geschichte
der Frauenbewegung dort. Die Autorin Kamila Shamsie zeigt ein differenziertes
Bild vom Islam, das in unserer Zeit so wichtig ist, in der wir Menschen der
westlichen Welt dem Islam vor allem in Form des Fundamentalismus begegnen. Das
orientalische Pakistan in seiner
zwiespältigen Haltung
gegenüber allem Westlichen wird plastisch dargestellt; Kamila Shamsie, die
in
London und Karatschi lebt, schreibt für Leser aus beiden Kulturen.
Treffende, prächtige Metaphern und eine enorme sprachliche (hier ist auch die
Übersetzerin zu loben!) und inhaltliche Intensität machen diesen Roman zu
einer besonderen Leseerfahrung. Dazu bildet die ansprechende, hochwertige
Aufmachung einen passenden Rahmen, und auch beim Korrektorat wurde äußerst
sorgfältig gearbeitet: Insgesamt also ein Roman, der auch sehr hohen Ansprüchen
genügt.
(Regina Károlyi)
Kamila
Shamsie: "Verbrannte Verse"
(Originaltitel "Broken Verses")
Aus dem Englischen von Anette Grube.
Bloomsbury Berlin.
Digitalbuch
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