Kurt Tozzer, Martin Majnaric: "Achtung Sendung"
Höhepunkte, Stars und exklusive Bilder aus 50 Jahren Fernsehen
Der 1. August 1955 sollte die Geburtsstunde des österreichischen
Fernsehens sein. Gegen fünf Uhr nachmittags erschien das Titelinsert
"Versuchsprogramm" auf dem Bildschirm, und Franziska Kalmar, die
Ehefrau von Fritz Muliar, rückte bald danach als erste Ansagerin ins
Bild.
Es war ganz im Wortsinne die "Geburtsstunde des österreichischen
Fernsehens", da nach etwa einer Stunde der Spuk auch schon wieder
vorbei war. Niemand von den erstaunten Passanten, die damals in die
Schaufenster der Geschäfte lugten, hätte wohl gedacht, dass fünfzig
Jahre später das Fernsehen zu jener mächtigen Konstante in unzähligen
österreichischen Haushalten werden sollte, die mancherorts die
Kommunikation der Familienmitglieder untereinander zum totalen
Stillstand bringen kann.
Im August 1955 sendete das Fernsehen gerade mal zwölf Stunden; das
bedeutet lediglich drei (!) Stunden pro Woche. Doch sehr rasch sollte
sich die Sendezeit ausdehnen. Ein Fernseher kostete in den
Anfangszeiten 8.000 Schilling
und war somit für die meisten Menschen nicht finanzierbar. Die
Herbstmesse 1955 ermöglichte ein öffentliches Studio des Fernsehens.
Zwischen 11 und 18 Uhr wurde ein im Wesentlichen von der Industrie
finanziertes Fernsehmesseprogramm ausgestrahlt. Karl Farkas spielte in
diesem Rahmen Kabarett.
Die erste große Herausforderung für das Fernsehen waren die
Übertragungen von Theater- und Opernaufführungen, was technisch
freilich nur mit immenser Anstrengung ermöglicht werden konnte. Das
waren aber nur Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was folgen sollte.
Der Aufstieg des Fernsehens in Österreich erwies sich als unaufhaltsam.
Ab dem Jahre 1957 wurde mit Ausnahme von Dienstag jeden Tag Programm
gezeigt. Ein Jahr später wurde eine Fernsehgebühr von 50 Schilling pro
Monat eingehoben, und ab 1959 sollten bereits Werbesendungen an der
Tagesordnung sein. Ab September 1961 wurde an drei Wochentagen bereits
ein zweites Fernsehprogramm ausgestrahlt, das sich als "Technisches
Versuchsprogramm" titulierte. Die Zahl der Fernsehkonsumenten stieg
schließlich bis zum Jahre 1964 auf 500.000 an.
Im ersten Jahrzehnt des Fernsehens in Österreich war Volksbildung angesagt.
Ernst Hagen versuchte, den Zuschauern die deutsche Sprache zu lehren. Fritz
Senger wagte es, über das richtige Verhalten im Straßenverkehr zu plaudern.
Es gab eine Garten-, eine Briefmarken-, eine Englisch-, und sogar eine Schachsendung.
Und Küchenchef Franz Ruhm, der schon vom Radio her bekannt war, präsentierte
seine Gerichte nunmehr auch im Fernsehen. Ein Höhepunkt war die monatliche Sendung
mit Otto König, der, wie ein Afrikaforscher angezogen, schon ab dem Jahre 1956
monatlich die "Wunder der Tierwelt" zu kommentieren auserkoren sein sollte.
Damals wurde der freie Mitarbeiter des Fernsehens zu einem "Fixstern",
der noch bis vor kurzem leuchtete. Es ist ja nunmehr bekannt, dass
viele freie Dienstverträge in Angestelltenverhältnisse verwandelt
wurden, was nicht allen Mitarbeitern des österreichischen Fernsehens
schmeckte. Ein Bonmot aus der Anfangszeit des Fernsehens lieferte der
28-jährige Lehrer Helmut Zilk, der schon seinerzeit vorlaut zu
proklamieren vermochte, was ihm in den Sinn kam. Zilk sprach in der
Volkshochschule Urania den Fernsehchef Gerhard Freund auf das neue
Medium an, und dieser sorgte für einen unvergesslichen Satz, der dem
späteren selbsternannten Lebenskünstler wenigstens zum
innerösterreichischen Ruhm gereichen sollte: "Wenn'S schon so g'scheit
reden, dann kommen'S morgen in mein Büro." Gesagt getan, und das
Ergebnis kennen wir ja alle ...
Zilk wurde schon in jungen Jahren zum Großverdiener, und die ihm
zugeteilten Sekretärinnen bezeichnete er als die "hübschesten von Wien".
Die Politik mischte sich von Anfang an intensiv in das Fernsehen ein.
Jede Partei hatte Vertrauensleute und Aufpasser in den Abteilungen.
Seinerzeit war das Überhandnehmen der politischen Infiltration einer
der Gründe für das inzwischen berühmt gewordene Rundfunkvolksbegehren,
das im Jahre 1964 gestartet wurde. Die Folge war erst im zweiten
Jahrzehnt des Fernsehens aufzuspüren: Gerd Bacher wurde
Generalintendant und Helmut Zilk Fernsehdirektor.
Die Sportberichterstattung war bald ein wichtiger Bestandteil des
Fernsehens. Schon im Jahre 1956 gab es täglich Reportagen von der
Winterolympiade in Cortinna D'Ampezzo. Die Winterolympiade in Innsbruck
im Jahre 1964 wurde täglich vom Fernsehen begleitet. Von Anfang an
dabei waren die auch heute noch sehr bekannten Herren Lucky
Schmidtleitner und Fritz Melchert, die als Bildregisseure tätig sein
konnten.
Das Fernsehen fesselte seit dem Start vor fünfzig Jahren nicht nur
Erwachsene, sondern auch Kinder. Schon ab dem Jahr 1957 wurde am
Mittwochnachmittag der Kasperl zu einem fixen Programmpunkt. Hans und
Marianne Kraus von der Urania-Puppen-Bühne spielten damals live im
Ministudio in der Wiener Singrienergasse. Schließlich wurden durch die
Erweiterung des Programmangebots Fernsehserien eingekauft, die nicht
nur von Kindern, sondern ebenso von Erwachsenen gerne gesehen wurden.
Als Beispiele mögen "Lassie", "Flipper", "Daktari" oder "Fury" gelten.
Mitte der 70'er Jahre folgte dann das sehr beliebte Sendeformat "Am dam
des", das bis 1993 als Eigenproduktion des österreichischen Fernsehens
lief.
Zeichentrickserien wie "Wickie" oder die "Biene Maja" ergänzten das Kinderprogramm auf bestechende Weise.
Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des Fernsehens in Österreich
begeisterte ein charmanter Plauderer das Fernsehpublikum. Das
Quiz-Spiel "Einer wird gewinnen" wurde im Jahre 1964 ins Leben gerufen
und sollte sich als unerreichbarer Olymp der deutschsprachigen
Fernsehshow erweisen. Hans-Joachim-Kulenkampff, liebevoll "Kuli"
genannt, stellte Kandidaten aus acht europäischen Ländern mehr oder
weniger schwierige Fragen und zeigte sich oft angetan von klugen,
attraktiven Mitspielerinnen, was sich in galanten Wortkaskaden
bemerkbar machte. Er war zudem ein Meister der Überziehzeit und brachte
es einmal auf stolze 75 Minuten.
Das zweite Jahrzehnt des Fernsehens sollte eine Informationsexplosion
zur Folge haben. Es wurde täglich von allen möglichen Großereignissen,
die sich auf der Welt zutrugen, berichtet. Legendär etwa die lange
Studionacht anlässlich des Präsidentenwahlkampfes zwischen den Herren
Johnson und Nixon im November 1968. Nur ein halbes Jahr später folgte
die längste aktuelle Sendung, die das Fernsehen je ausstrahlte. Sie
dauerte genau 28 Stunden und 18 Minuten und fesselte Österreich vor den
Bildschirmen: Es handelte sich um die Übertragung und
Kommentierung der Landung von Neil Armstrong auf dem Mond. Knapp vor
vier Uhr früh am 21. Juli betrat Neil Armstrong als erster Mensch den
Mond, eine Viertelstunde darauf Edwin Aldrin. Michael Collins blieb an
Bord.
Im Mittelpunkt des Informationsangebotes stand aber immer die "Zeit im Bild",
die sich im Laufe der Jahre zu einem Fixpunkt für viele Fernsehkonsumenten entwickeln
konnte. In den 70'er Jahren war das herausragendste politische und zeitkritische
TV-Magazin wohl "Horizonte", wobei interessanterweise auch der nunmehr sehr
streitbare Theologe Adolf Holl dem Redaktionsteam
angehörte. "Horizonte" lief von 1963 bis 1979.
Umweltschutz
in Österreich spielte bereits im Jahre 1969 eine Rolle, da das Team der
"Horizonte" auf Mülldeponien unterwegs war und sogar in verschmutzten
Seen unter Wasser.
Religion war im katholischen Österreich seit Jänner 1969 Bestandteil
des Programms. "Orientierung" hat sich bis heute gehalten. Eine dubiose
Sendung wurde im Jahre 1972 ausgestrahlt, da der nunmehrige
Bundeskanzler
Schüssel als Sänger in einer katholischen Jugendgruppe zu sehen war.
Im
März 1968 lief erstmals "Aktenzeichen XY ungelöst", das Eduard
Zimmermann erfunden hatte und auch präsentierte. In Österreich wurde
dieses Sendeformat anfangs skeptisch gesehen, und die Printmedien
setzen noch eins drauf, indem sie von "Menschenjagd und der Förderung
von Denunziantentum" schrieben. Nichtsdestotrotz hat Eduard Zimmermann
seine Sendung bis 1997 präsentiert. Nach seinem Abgang sollte nichts
mehr so sein, wie es mal gewesen war.
Der "Seniorenclub" lief ebenfalls bereits im Jahre 1968. Das
"Rendezvous für Junggebliebene" verstand sich als Mischung aus Spaß,
Information, Lebenshilfe und Bildung. Zur Sendungshymne sollte das
Abschlusslied werden, das Alfred Böhm sang."Leider müss' ma wieder
einmal sperren, dabei wär's gerade
heut' so schön, wer denkt da schon ans Nachhausegehen?"
1970 fand der erste "Live-Skandal" im Fernsehen statt. In der Show
"Wünsch' dir was" trippelte die blutjunge Leonie Stöhr zur Verblüffung
ihrer Eltern in einer transparenten Bluse über den Laufsteg ...
Der "Opernführer" in Gestalt von Marcel Prawy hatte im Jahre 1965
Premiere und machte den Präsentator zu einer "Lichtgestalt" in
Opernfragen.
Ab dem Jahr 1969 lief die erste große deutsche Krimiserie im Fernsehen:
"Der Kommissar". 97 Folgen lang ermittelte Erik Ode in Schwarz-Weiß.
Dann folgte im Jahre 1970 der Startschuss für die erfolgreichste
Krimi-Reihe des deutschsprachigen Fernsehens, welche bis heute
unzählige Zuschauer in ihren Bann zieht. Die erste "Tatort"-Episode
brachte Kommissar Trimmel auf den Plan, der die berühmten Worte: "Mein
Name ist Trimmel, Kommissar Trimmel" sprach. Am Ende des zweiten
Fernsehjahrzehnts in Österreich erfolgte die Etablierung der Serie
"Derrick", die von 1974 bis 1998 insgesamt 281 Folgen lang Stefan und
Harry Ermittlungsarbeit tun ließ.
Bereits ins dritte Jahrzehnt des Fernsehens fällt die Etablierung der
Serie "Der Alte" ab 1977. Ab 1976 gab es die erste Kriminalserie "Marke
Eigenbau" aus Österreich: "Kottan ermittelt". Eine herrliche Serie, die
leider gegen Ende hin zu ihrer eigenen Parodie verkam. Peter Vogel,
Franz Buchrieser und Lukas Resetarits spielten nacheinander den
"Major", und allen dreien wurde lustigerweise dieselbe Ehefrau in
Gestalt von Bibiane Zeller zugeteilt.
1975 wurde ein Buch von Ernst Hinterberger verfilmt, das "Das Salz der
Erde" betitelt ist. Das Werk sollte sich als derart gut herausstellen,
dass der Autor sofort Fortsetzungen schreiben musste. Das Ergebnis ist
ein Stück Fernsehgeschichte: "Ein echter Wiener geht nicht unter",
wobei Karl Merkatz hier entgegen seiner eigenen Aussagen seine
Paraderolle gefunden hat. Bis 1979 lief die Serie erstmals und endete
mit der Feier zum 50. Geburtstag von "Mundl Sackbauer".
Das dritte Jahrzehnt sollte dem Fernsehpublikum "Licht ins Dunkel"
bringen. Im Jahre 1978 startete die Aktion, welche die
Spendenfreudigkeit der Österreicher ins Rampenlicht stellte und vielen
Menschen helfen mochte, die durch ein schweres Schicksal gezeichnet
waren und sind.
Am 5. Oktober 1976 fand erstmals der "Club 2" statt; die wohl
legendärste Diskussionssendung, die es bislang im österreichischen
Fernsehen gab. Günter Nenning war Gastgeber der ersten Stunde, und im
Laufe der Jahre kam es zu mehreren von den Printmedien zum Skandal
aufgeblähten Ereignissen. Besonders viel Aufregung gab es um die
Sängerin Nina Hagen, die am 9. August 1979 besonders geschickte
Masturbationstechniken zu demonstrieren suchte. Der damalige Moderator
Dieter Seefranz durfte daraufhin das Weite suchen.
Showmäßig gab es "Tritsch Tratsch", ehe im Jahre 1981 die fast legitime
Nachfolgesendung von "Einer wird gewinnen" das Licht der Fernsehwelt
erblickte: "Wetten ... dass?" lief erstmals im Februar 1981, und die
erste Wette brach schon das Eis des kritischen Zuschauers: Ein Mann
blies einen Thermophor
auf, bis dieser platzte. Nach 39 Sendungen übergab der Erfinder und
Präsentator der Sendung Frank Elstner an Thomas Gottschalk, der seitdem
mit einer kleinen Unterbrechung durch Wolfgang Lippert mit viel Elan
die Show zu gestalten trachtet.
Ein großartiges politisches Projekt erschien ab Mai 1982 auf den
Bildschirmen der österreichischen Nation: "Österreich II" beschäftigte
sich in insgesamt 24 Folgen mit der Zeit zwischen Kriegsende und der
Unterzeichnung des Staatsvertrages. Übrigens gab es dann später noch
ein Nachfolgeprojekt. Ab 1995 behandelten sieben Folgen die Jahre bis
zur Kreisky-Ära.
Im Laufe des vierten Jahrzehnts etablierte sich eine Sendereihe, die
schon häufig für Wirbel gesorgt hat. Die "Alltagsgeschichten" der
Elisabeth T. Spira beschäftigten sich stets mit Menschen, die mehr oder
weniger die österreichische Nation zu spalten vermögen. Im Jahre 1985
lief die erste "Alltagsgeschichte", und die Reporterin macht keine
Anstalten, nunmehr in Pension zu gehen. Ein kleiner Skandal spielte
sich im Jahre 2003 ab, als sich manche Bewohner der Großfeldsiedlung
auf den Schlips getreten fühlten. Es wurden im Rahmen der
"Alltagsgeschichten" einige zwielichtige Gestalten gezeigt, die jedoch
nie als repräsentativ für die Siedlung beschrieben wurden. Dennoch
wollte die eine oder andere feine Dame, und der eine oder andere feine
Herr gegen eine derartige Vereinnahmung protestieren, und so kam es
sogar zu einer Auseinandersetzung im Rabenhof-Theater, bei der sich
letztlich - wie zu erwarten war - einzig Frau Spira behaupten konnte.
Ab 1987 startete der ORF die Reihe "Universum", welche fast jeden
Dienstag hochwertige Naturfilme ausstrahlt. Gleich den Anfang machte
eine vierteilige BBC-Dokumentation des Naturfilm-Pioniers David
Attenbourogh. Nur zwei Jahre später sollten auch regelmäßig
Eigenproduktionen des ORF für die Reihe entstehen. Es begann mit dem
Fünfteiler "Die Gärten des Poseidon" von
Rupert Riedl und führte bis zum "ganz alltäglichen Monster" (die Stubenfliege) von Kurt Mündl im Jahre 1994.
Am
Ende des vierten Jahrzehnts sollte die erfolgreichste österreichische
Krimi-Serie aller Zeiten anlaufen, die von den Wienern Peter Moser und
Peter Hajek erfunden worden ist. "Kommissar Rex" hatte in den ersten
Jahren unglaubliche Quoten aufzuweisen, als mit Tobias Moretti, Karl
Markovics und Wolf Bachofner eine merkwürdige Trias auf den Plan trat,
die mit dem Schäferhund Rex einen
vifen "Kollegen" hatte, welcher sie tatkräftig unterstützte und so
manchen Mörder im Alleingang zur Strecke brachte. Mit dem freiwilligen
Abgang von Moretti aus der Serie war der Anfang vom Ende getan. Die
Quoten sanken, und selbst der sympathische Alexander Pschill konnte das
zu erwartende Ende der Serie nicht retten. Es bleibt aber die
Erinnerung an viele spannend-humoristische Episoden.
Das fünfte Jahrzehnt ist uns Fernsehkonsumenten noch in bester
Erinnerung und hat die Medienlandschaft auf groteske Weise verändert.
Dubiose Sendeformate wie "Taxi Orange", "Starmania" oder die
"Karlich-Show" wurden geboren. Dann kennen wir alle die
"Millionenshow", die hie und da sogar mit einem Höchstgewinn für
Verzückung des Publikums sorgt, und "Willkommen Österreich" bietet
harmlose Gesprächsrunden am frühen Abend.
Eine Ausnahme von der Regel des eher schlechten Geschmacks ist
zweifellos "Help TV"; eine Sendung, die Konsumentenschutz und Service
sowie Berichte über soziale Aktionen in den Vordergrund stellt und von
Barbara Stöckl moderiert wird, die sich übrigens auch schon mal als
"Millionenshow"-Präsentatorin verirrte. Dieses Sendeformat - natürlich
ist "Help TV" gemeint - läuft seit dem Jahre 1995 mit ausgezeichneter
Resonanz seitens des Publikums.
Von den Unterhaltungsserien möchte ich "Julia" herausheben, da hier mit
Christiane Hörbiger eine Schauspielerin die Titelrolle verkörperte,
deren authentisches Spiel für viele launige Fernsehabende sorgte. Ab
1999 verzauberte diese Serie rund um eine Juristin, Ehefrau und
Seelentrösterin ein Millionenpublikum.
Ebenfalls Erwähnung finden soll die "Nette Leit Show", welche von einem
bis dahin weithin unbekannten, dickleibigen Mann namens Josef Fenz
gestaltet und moderiert wurde, der als Hermes Phettberg (ein
Künstlername) freilich die österreichische Nation ob seiner sexuellen,
gesellschaftskritischen und religiösen Vorstellungen spaltete. Leider
war dieser Show nur eine sehr kurze Haltbarkeit vergönnt. Sie lief ab
Juni 1995 bis April 1996.
Ein Streifzug durch die österreichische Fernsehgeschichte bringt auch
ein wenig Wehmut mit sich. Von den großen Shows ist einzig "Wetten ...
dass?" übriggeblieben. Immerhin hielt sich die Krimi-Reihe "Tatort" und
weiß nach wie vor zu begeistern. Die Naturfilmreihe "Universum" ist
ebenso ungebrochen ein Garant für gehobene Unterhaltung mit
Wissensvermittlungsanspruch. Ansonsten blieb viel Stückwerk über, und
als eigentliche Glanzlichter des Fernsehens im fünften Jahrzehnt und
wohl auch darüber hinaus gelten nunmehr häufig Wiederholungen alter
Höhepunkte. Unfassbar ist in diesem Zusammenhang, wenn heutzutage
frühere Sendeformate in "neuen" Sendungen verulkt werden. Die als
"Nostalgieshows" getarnten Schwachsinns-Sendungen hätten ohne weiters
ein gewisses Potenzial, insofern sich nicht in einer Tour angebliche
"Experten" entblödeten, Kommentare abzugeben, die abseits von Gut und
Böse liegen. Es kann Spaß machen, die Fernsehgeschichte aufzublättern
und ehemals erfolgreiche Sendeformate zu begutachten.
Eine Verspottung dürfte in diesem Zusammenhang in diesem Ausmaß nicht auf den Bildschirm gebracht werden.
Wer sich davon überzeugen will, was Fernsehen früher gewesen ist, der
kann durch das nunmehr vorliegende mit prächtigen Bildern ausgestattete
Buch zum Jubiläum die Probe aufs Exempel machen. Jeder Leser wird
feststellen können, dass das fünfte und letzte beschriebene und ins
Bild gesetzte Fernsehjahrzehnt am wenigsten Innovation brachte und
Sendeformate entstanden sind, die offenbar nur den Zweck erfüllen, die
Spaßgesellschaft perfekt widerzuspiegeln. Fernsehen sollte von Anfang
an Unterhaltung, Information und Spannung zu den Menschen bringen. Doch
was so imposant begann und eine rasche Entwicklung vorantrieb, wurde
irgendwann von einer Zeit eingeholt, die nur schlechte Spiegelbilder
entwerfen mag. Anders kann die eindeutig sichtbare Verschlechterung des
österreichischen Fernsehens nicht erklärt werden. Das ist aus dem Buch
heraus zwischen den Zeilen ablesbar, wenngleich es natürlich nicht
direkt erwähnt werden will.
Leider sind im vorliegenden Buch zumindest zwei Fehler enthalten, die
nicht so leicht übergangen werden können. Zum Einen wird etwa
geschrieben, dass die "Nette Leit Show" von und mit Hermes Phettberg
nur ein halbes Jahr währte, wo dieses Unikum der österreichischen
Fernsehgeschichte in einem Zeitraum von knapp zehn Monaten lief (es gab
ja die berühmten zwei "Semester", die von Phettberg eingeläutet worden
waren). Zum Anderen ist ein insbesondere für "Derrick"-Fans
unverzeihlicher Fehler zum Teil des Buches geworden: Es wird behauptet,
"Derrick" habe nur viermal seine Ehefrau!!! im Laufe der Serie
liebkost. Das ist freilich reiner Humbug. Der Oberinspektor war nie
verheiratet, und viel mehr als ein kleines Küsschen mit Johanna von
Koczian, welche eine gewisse Renate Konrad in der Folge "Pfandhaus"
(1975) verkörperte, war nicht drin. Er hatte sozusagen kleine
"Liebschaften"; aber von "Ehefrau" zu schreiben ist leider ein Nonsens,
der sich in dieses ansonsten qualitativ hochwertige Buch nicht hätte
einschleichen dürfen. Da wird der durchwegs positive Eindruck leider
ein wenig getrübt.
Nichtsdestotrotz ist der Überblick über die Fernsehgeschichte in
Österreich eine spannende Angelegenheit und vermag sicher viele Leser
zu entzücken.
(Jürgen Heimlich; 03/2005)
Kurt Tozzer, Martin Majnaric: "Achtung Sendung"
Ueberreuter, 2005. 240 Seiten; 300 farbige Abbildungen.
ISBN 3-8000-7090-1.
ca. EUR 29,95.
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Kurt Tozzer wurde 1929 in Wien
geboren. Von 1967 bis 1994 gestaltete und leitete er im ORF zahlreiche
Sendereihen. Seither ist er freier Journalist und gemeinsam mit Günther
Kallinger Verfasser einiger Bücher zur Zeitgeschichte.
Weitere Buchtipps:
Kurt Tozzer, Günther Kallinger: "Spurlos. Die spektakulärsten
Vermissten-Fälle der Interpol"
"Ich habe nicht so gelernt, wie ich es sollte,
ich kann dir nicht mehr in die Augen schauen. Ich bin es nicht mehr wert, dein
Sohn zu sein. Ich lege meinen Namen ab und gehe. Mach dir keine Sorgen, ich
werde mich schon durchschlagen." Unterschrieben hat der 17-jährige Markus
Rohrhuber seinen bisher letzten Brief an seine Mutter mit "irgendjemand".
Seit 11. Mai 2000 ist Markus Rohrhuber verschwunden. Trotz großer
Medienberichte und intensiver Recherche der Mutter lässt sich keine Spur
finden. Die Hoffnung auf eine Rückkehr von Markus kann sie nicht aufgeben und
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Allein im deutschsprachigen Raum gelten derzeit mehr als 5000 Personen als
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Kurt Tozzer, Günther
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bewegten. Serientäter zogen eine Blutspur durch das Land, Entführer erpressten
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