François Lelord, Christophe André: "Die Kunst der Selbstachtung"
Ich positiv
Die Selbstachtung ist eine der "grundlegenden Komponenten der
Persönlichkeit" und sie ist "ausschlaggebend für unser psychisches
Gleichgewicht." Dazu gehören Selbstvertrauen, Selbstsicherheit,
Selbsterkenntnis, Selbstbejahung. Besitzt man diese Eigenschaften, wird
man sich auch nicht freiwillig in Abhängigkeit Anderer begeben. Die für
unser Ego notwendige Nahrung
ist das Gefühl, geliebt zu werden und kompetent zu sein. Und so geht es
bis in viele Details weiter in diesem psychotherapeutischen Ratgeber.
Man staunt eigentlich über die zahlreichen Facetten, in die sich ein
Ich differenzieren lässt.
Immerhin finden die Einflüsse der Umgebung Berücksichtigung -
allerdings wird der Wert des Zweifelns und des Selbstzweifels zu
negativ gesehen. Man plädiert hier quasi für eine Art positiven
Egoismus. Was auch durchklingt, ist die Grunddisposition, die man
generell hat: nämlich Angst. Wir Menschen haben demnach zwei Ängste:
vor der Blamage und vor dem Tod. Noch relativ zu Anfang wird gestanden,
dass die Autoren als Psychologen die Menschen vornehmlich als Leidende
sehen. Ebenso wird eingeräumt, dass Leute mit geringer Selbstachtung
durchaus gesellschaftliche Anerkennung erlangen können, weil Werte wie
Bescheidenheit und Demut immer noch Gültigkeit haben (könnten - je nach
Branche). Und es wird auch auf die Gefahr der Selbstgefälligkeit und
Selbstüberschätzung hingewiesen.
Man merkt hier schon - es geht um den alten Zwist zwischen Eitelkeit
und Tugend. Plausibel klingt da wohl auch der Hinweis, eine hohe
Selbstachtung sei "mitnichten ein Garantieschein für moralische Größe."
Nützlich ist zumindest die Unterscheidung der Menschentypen im
Normalzustand und in der Krise. Irgendwie kommt auch zum Ausdruck, dass
der Introvertierte weniger den gesellschaftlichen Einflüssen
ausgeliefert ist als der Extrovertierte. Sollte diese Erkenntnis zu
einer Reduktion sozialer Kommunikation (ver)führen?
Das Buch erläutert sehr differenziert alle Schattierungen der Selbstachtung in 3 Teilen:
1. "Haben Sie Achtung vor sich selbst?", 2. "Die Mechanismen der
Selbstachtung verstehen", 3. "Instandhaltung und Reparatur der
Selbstachtung".
Es wird dargelegt, wie von Kindheit an die Selbstachtung entsteht und
durch die Eltern gefördert werden kann. Auch für Erwachsene gilt, dass
die Selbstachtung wächst, wenn man geliebt wird. Die Autoren geben auch
Tipps fürs Eheleben und das Verhalten im Beruf. Ein wichtiges Kapitel
ist dem Komplex Schönheit und Hässlichkeit gewidmet - unserer
Abhängigkeit von Modetrends und Rollenklischees. Ein Ratschlag fällt
besonders auf - nämlich sich seine Ideale nicht zu hoch zu stecken.
Womöglich das wichtigste Kapitel beschäftigt sich mit Depression,
Komplexen, Narzissmus und Alkoholismus. Zwar sehen die Autoren alles
durch die psychiatrisch-therapeutische Brille - aber man kann sich mit
diesem Buch nicht selbst heilen! Man bekommt Aspekte von Untersuchungen
mitgeteilt und mögliche Hilfsstrategien in Andeutungen. Und so erfahren
wir, dass meist im Zentrum die Furcht, zu scheitern oder sich unbeliebt
zu machen oder Schuld an etwas zu sein, steht. Das Problem mit der
Selbstachtung hat als Hintergrund die Widersprüche von Sein und Schein,
Sein und Haben, Macht und Ohnmacht, Risiko und Sicherheit, Kritik und
Rechthaberei.
Wir lernen jedenfalls in diesem Buch, dass die Erlangung und Behauptung
der Selbstachtung eine sehr komplexe Angelegenheit ist - ebenso eine
sensible und unkontrollierbare. Da dies ein optimistisches und
therapeutisches (therapierendes?) Buch sein möchte, werden im
Schlusskapitel Strategien erläutert, wie sich Selbstachtung erlangen,
stabilisieren und steigern lässt. Es wird nicht überraschen (oder
doch?), dass Ehrlichkeit sich selbst und Anderen gegenüber als die
zentrale Tugend gesehen wird. Dazu gehört auch der offensive Umgang mit
Erfolg und Misserfolg. Wir lernen hier auch, dass man "Ja-Sagen" und "Nein-Sagen" konsequent praktizieren sollte. Und es wird empfohlen, sich Ziele realistisch und etappenweise zu setzen.
Alles in allem liefert dieses Buch trotz seines ziemlichen Umfangs
lediglich verschiedene Ansätze zur Einschätzung der eigenen
Befindlichkeit - die praktische konkrete Arbeit am eigenen Ich muss
jeder selbst (mit oder ohne Therapeuten?!) leisten. Immerhin wird in
diesem Buch deutlich, dass nur Menschen mit ausgewogener Selbstachtung
sozial verträglich existieren und agieren können. Und es geht um die
Akzeptanz eines quasi positiven Egoismus. Da grüßt
ein klein wenig Max
Stirner - oder zuckt da etwa heftig die Nächstenliebe-Bibel?
(KS; 10/2005)
François Lelord, Christophe André: "Die
Kunst der Selbstachtung"
Aus dem Französischen von Ralf Pannowitsch.
Gustav Kiepenheuer Verlag, 2005. 335 Seiten.
ISBN 3-378-01078-9.
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François Lelord wurde 1953 geboren. Er studierte Medizin und
Psychologie und arbeitete nach seiner Promotion als Psychologe, schloss 1996
jedoch seine Praxis, um sich und seinen Lesern die wirklich großen Fragen des
Lebens zu beantworten. Er ist viel auf Reisen, besonders gerne in Asien, Autor zahlreicher Bücher
und wissenschaftlicher Veröffentlichungen.
Christophe André, geboren 1956, studierte
Medizin und
Psychologie, ist seither als Psychologe tätig und hat zusammen mit François
Lelord zahlreiche Bücher veröffentlicht.
Zwei weitere Bücher des Autorenduos:
"Der ganz normale Wahnsinn. Vom Umgang mit schwierigen Menschen"
Sind Sie glücklich mit Ihren Mitmenschen?
Der cholerische, immer überdrehte Donald Duck und der absolut akribische
Sherlock Holmes, dem nicht das kleinste Detail entgeht - sie haben eines
gemeinsam: Sie verhalten sich extrem. Das macht den Umgang mit ihnen schwierig
und anstrengend und manchmal sogar nervtötend. Denn Persönlichkeiten wie sie
begegnen uns nicht nur in der Literatur, im Film oder im Comic, sondern vor
allem in unserem Alltag. Da sind die Freundin, die sich nie, und zwar wirklich
nie, entscheiden kann, der Kollege mit seinem penetranten Ordnungswahn oder der
Firmenchef, der als Workaholic seine Angestellten zu jeder Tages- und Nachtzeit
arbeiten lassen will, und nicht zu vergessen der eigenbrötlerische Onkel, der
seine Umwelt nur anknurrt. Nicht immer ist es leicht, ihre Marotten zu
verstehen.
Wie man sich am besten mit schwierigen Menschen arrangiert und trotzdem die
Fassung bewahrt, zeigt dieses überaus eloquente und amüsante Buch von dem renommierten
Autorenduo aus Frankreich. (Gustav Kiepenheuer Verlag)
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"Die Macht der Emotionen
und wie sie unseren Alltag bestimmen"
Sind Sie eifersüchtiger, als Ihnen lieb ist? Schämen Sie sich für Ihre Wutausbrüche?
Oder wären Sie Ihrem Chef gegenüber manchmal gern etwas mutiger? Das erfahrene,
seit Jahren erfolgreich praktizierende Psychologenduo Lelord und André erklärt
die biologischen und sozialen Wurzeln unserer Emotionen, untersucht Konflikte
bei einem Zuviel oder Zuwenig an Gefühlen und gibt dem Leser grundlegende
Ratschläge
zum Umgang mit
Zorn, Neid, Glück, Traurigkeit, Scham,
Eifersucht, Angst und
Liebe. (Piper)
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Weitere Bücher von François
Lelord:
"Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück"
Es war einmal ein junger Psychiater, der Hector hieß. Er trug eine kleine, intellektuelle
Brille und verstand es, den Leuten mit nachdenklicher Miene und echtem Interesse
zuzuhören. Hector war ein ziemlich guter Psychiater. Und trotzdem war er mit
sich nicht zufrieden. Weil er ganz deutlich sah, dass er die Leute nicht glücklich
machen konnte. Kurz entschlossen begibt sich Hector auf eine
Weltreise, in der
Hoffnung, das Geheimnis des Glücks zu entdecken. Und allen, denen er begegnet,
stellt er dieselbe Frage, die bei Männern meist Belustigung, bei Frauen eher
Tränen hervorruft: Sind Sie glücklich?
Warum träumen wir so oft von einem glücklicheren Leben? Liegt das Glück im
beruflichen Erfolg oder im privaten? Hängt es von den Umständen ab oder von
unserer Sichtweise? Am Ende seiner Abenteuer weiß Hector dreiundzwanzig
Antworten - und dass nichts einfacher ist als wahres Glück.
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"Hector und die Geheimnisse der Liebe"
Es war einmal ein junger Psychiater, der Hector hieß und als Glücksexperte sehr
berühmt geworden war. Nun bekommt er von einem mächtigen Konzern einen zweifelhaften
Auftrag: der Unstetigkeit der Liebe durch die Entwicklung entsprechender Liebespillen
auf die Sprünge zu helfen. Warum verlieben wir uns in jemanden, der gar nichts
von uns wissen will? Warum liebt manchmal der Eine mehr als der Andere? Kann
man nicht für immer verliebt bleiben? In einer aufregenden Recherche und einer
Versuchsreihe, an der auch Hector selbst teilnimmt, erfährt er alles über das
schwierige Zusammenleben von Männern und Frauen.
Faszinierend! Könnte eine entsprechende Oxytocin-Dopamin-Rezeptur tatsächlich
...? In letzter Minute besinnt sich Hector. Obwohl sie so kompliziert und schmerzlich
sein kann, soll die Liebe in Ewigkeit bleiben, was sie ist: Laune des Augenblicks,
das größte Glück und die einzige Macht, die tiefe Sehnsucht stillen kann.
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"Hector und die Kunst der Zuversicht" zur Rezension ...
"Hector und die Entdeckung der
Zeit" zur Rezension ...