Eric-Emmanuel Schmitt: "Kleine Eheverbrechen"


Den meisten Lesern ist Eric-Emmanuel Schmitt wohl vorwiegend aufgrund seiner Romane über Religionsbegegnungen bekannt und aufgrund der Verfilmung des "Monsieur Ibrahim". Außer einigen Kultursenderzuschauern wissen die Wenigsten, dass Schmitt auch ein fleißiger Produzent von im französischen Sprachraum beliebten Dramen ist. Zumindest "Enigma" wurde allerdings dem deutschsprachigen Fernsehpublikum bereits vorgestellt.

Bei "Kleine Eheverbrechen" handelt es sich um einen Einakter, der noch dazu aus nur einer Szene besteht. Somit könnte man dieses Stück am ehesten als dramatischen Dialog bezeichnen.
Dieser beginnt damit, dass Lisa und Gilles nach Hause kommen. Lisa hat Gilles aus dem Krankenhaus abgeholt, wo er wegen einer mysteriösen Kopfverletzung zwei Wochen verbrachte. Er hat anscheinend seine Erinnerung verloren, und die beiden hoffen, dass das Gedächtnis mit dem Besuch der gemeinsamen Wohnung langsam wieder zum Vorschein kommen wird. So hat es zumindest den Anschein. Doch Gilles - offensichtlich Autor verschiedener Kriminalromane - ist misstrauisch, denn die Figur, die ihm seine Frau als den "wahren" Gilles vorstellt, erscheint ihm doch allzu positiv und liebenswert. Dass seine Frau eines seiner eigenen Bücher - eine Kurzgeschichtensammlung mit dem Titel "Kleine Eheverbrechen" - vor ihm zu verbergen sucht, lässt sein Misstrauen durchaus nicht geringer werden.

Im Verlauf des weiteren Gesprächs kommen immer mehr Hintergründe der Ehe von Lisa und Gilles heraus, und sie nähern sich auch den Ursachen für die Kopfverletzung, die zu Gilles' Krankenhausaufenthalt geführt haben, zunehmend an. Wobei beide Seiten außerordentlich Überraschendes über ihren Partner sowie ihre Ehe erfahren und zu einer durchaus interessanten Lösung ihrer verborgenen Konflikte gelangen.

Was ist Liebe? Was bedeutet es, ein Leben miteinander zu verbringen, wie sind in einer Ehe zweier fortschrittlicher liberaler Menschen die Rollen verteilt? Und wie trennt man sich von einem Partner, dem man eigentlich nichts vorzuwerfen hat?

In einer logischen, wenn auch überraschenden Entwicklung des Gesprächs, das eine sehr interessante Symmetrie aufweist, betrachten die beiden Protagonisten ihre Ehe - und auch die Ehen Anderer - um deren Funktionieren und Versagen genauer zu analysieren - und um schließlich zu einer eher erstaunlichen Einsicht zu kommen; speziell, wenn man den Titel dieses Stücks bedenkt.
Lesenswert für alle Verheirateten und all jene, die eine Ehe ins Auge fassen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2006)


Eric-Emmanuel Schmitt: "Kleine Eheverbrechen"
Aus dem Französischen von Annette und Paul Bäcker.
Ammann Verlag, 2006. 137 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Milarepa. Erzählung"

"Und ich hatte endlich begriffen, dass ich bis dahin kein Mensch war, nur ein Zweibeiner, schwach behaart und des Sprechens mächtig; das Menschsein, so hatte ich verstanden, liegt am Ende des Weges, nicht am Anfang."
Alles beginnt mit einem Traum. Jede Nacht, hunderttausendmal muss Simon ihn träumen, um aus dem Kreislauf der Wiedergeburt herauszutreten. Und so erzählt Simon die Geschichte, mit der er auf magische Weise verbunden ist, die Geschichte von Swastika und Milarepa, von unerschöpflichem Hass und von der Möglichkeit der Läuterung.
Ebenso elegant wie tiefsinnig berichtet Eric-Emmanuel Schmitt von der Legende des tibetischen Mönchs Milarepa, der sich vom Rächer zum Erleuchteten wandelt. In dieser Erzählung, die den Abschluss der Tetralogie über die Weltreligionen bildet, berührt Schmitt mit unerschrockener Eindringlichkeit die ersten und die letzten Fragen unserer Existenz. (Ammann Verlag)
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