Silke Scheuermann: "Die Stunde zwischen Hund und Wolf"
Diesem
Buch merkt man von der ersten bis zur letzten Seite an, dass es von
einer Frau geschrieben ist, die ihre ersten Schreibversuche und dann
auch Veröffentlichungen als Lyrikerin gemacht hat.
Schon mit dem ersten Satz nimmt Silke Scheuermann den erwartungsvollen
Leser, der die vielen lobenden Kritiken in den Feuilletons der
großen deutschen Zeitungen gelesen und den Ulrich Greiners
Vergleich mit Rilke
skeptisch gespannt gemacht hat, mit auf eine
sprachlich anspruchsvolle Reise:
"Ich bin nichts, nichts als ein heller Umriss ... die
schamlose Kopie eines ersten Satzes."
So führt sich die namenlose Ich-Erzählerin, die
gerade von Rom nach Frankfurt umgezogen ist, in die Handlung ein. Sie
war in Rom als Korrespondentin ziemlich erfolgreich, kehrt aber jetzt
in ihre Heimatstadt Frankfurt zurück (wie wohltuend, dass ein
erfolgreicher Roman einmal wieder dort und nicht in Berlin oder
München spielt), um dort für eine Zeitung zu
arbeiten. Doch schon nach einigen Tagen trifft sie ihre Schwester
wieder. Ines heißt sie, eine
schwierige
Persönlichkeit, mit der man bis zum Ende des Buchs
nicht recht
warm werden will. Sie war, wie sich bald herausstellt, eine
erfolgreiche Malerin, ist mittlerweile aber sehr dem
Alkohol
verfallen.
Ines bittet ihre Schwester um Hilfe. Wer jemals mit einem Alkoholiker
in der Familie oder im Freundeskreis zu tun hatte, weiß, wie
abstoßend und schwierig solche Kontakte sein können.
So nimmt es nicht wunder, dass Ines bei ihrer Schwester
zunächst auf kühle Zurückhaltung und
Ablehnung stößt. Nicht schon wieder will diese in
das Muster der ewig Helfenden zurückfallen. Sie will ihre
eigene, eher abgeschlossene Lebenswelt retten, sich nicht mit der Welt
der Schwester auseinandersetzen, von der sie doch mit jedem weiteren
Kontakt mehr und mehr angezogen wird. Besonders der
ko-abhängige Freund und Partner von Ines, Kai,
berührt sie. Aus Anziehung wird wirkliche Berührung,
und die beiden beginnen eine Affäre. Die
Ich-Erzählerin steigert sich in einen fragwürdigen,
rauschartigen Glückszustand, der sie seltsamerweise ihrer
kranken, am Boden zerstörten, verzweifelten Schwester immer
näher bringt. Mit Kai hat sie Sex, zwischen ihrer Schwester
und ihr aber kommt es immer mehr zum Austausch von Gefühlen
wahrer Liebe.
Doch diese Gefühle werden von den Protagonisten Scheuermanns
nur skeptisch wahrgenommen. Man kann ihnen nicht wirklich trauen, weil
man der Welt, in der man lebt und leidet, nicht mehr trauen kann.
Und so erzählt dieser Roman von der Desorientierung einer
Generation in und an einer Gesellschaft, an deren Veränderung
sie nicht mehr glaubt und die ihnen mehr und mehr die echten
Gefühle und Emotionen entzieht. Eine "hochemotionale
Beobachtungskälte" hat Ulrich Greiner in der "ZEIT"
Silke Scheuermann bescheinigt. Doch bei aller Distanz zu ihren Figuren
lässt sie die Hoffnung auf einen Neubeginn niemals ganz
schwinden. Und das macht diesen Roman zu einem Buch, das man am Ende
dann doch zufrieden aus der Hand legt, obwohl die Fülle der
drastischen Bilder und die Schilderung jener "Stunde zwischen
Hund und Wolf" bei der alkoholabhängigen Ines den
Leser über lange Strecken arg mitgenommen haben.
(Winfried Stanzick; 05/2007)
Silke Scheuermann: "Die Stunde zwischen Hund und Wolf"
Gebundene Ausgabe:
Schöffling & Co., 2007. 174 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Fischer, 2012.
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Silke
Scheuermann, geboren 1973 in Karlsruhe, lebt
in Frankfurt am Main. Sie
studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Frankfurt, Leipzig
und Paris und arbeitete am Germanistischen Institut der
Universität Frankfurt. Neben Kritiken veröffentlicht
sie Gedichte und Erzählungen in Zeitschriften und Anthologien
und erhielt mehrere Stipendien und Literaturpreise, darunter den
"Leonce-und-Lena-Preis" der Stadt Darmstadt.
Weitere Bücher der Autorin:
"Reiche
Mädchen. Erzählungen"
"Ich müsste mich schämen angesichts der Tage, die ich
nur mit Warten vergeudet habe, als ob mein Leben nichts wert sei."
Eigentlich könnte Franziska glücklich sein. Sie ist
jung, hübsch und hat eine funktionierende Beziehung. Doch in
ihr tun sich Abgründe auf. Eine obsessive "amour fou"
zerreißt ihre Welt, willenlos, wie ein Opfertier, wartet sie
täglich auf den verheirateten Simon. Sie rechnet permanent mit
seinen Überraschungsbesuchen, schmückt die Wohnung
wie für einen Gottesdienst, plündert
Feinkostabteilungen, kauft
Blumen und Whiskey, als gelte es das
Überleben in einem Bunker für mehrere Wochen zu
sichern. Die Liebe zu Simon erweist sich als masochistische Fiktion,
Franziskas Leben als Kriegsgebiet. Immer wieder schlagen Silke
Scheuermanns Geschichten, wie in "Krieg oder Frieden", ins Unheimliche
um, verstricken sich ihre Helden in der unsichtbaren Falle einer als
ungenügend empfundenen Existenz.
Silke Scheuermanns Umgang mit Sprache ist ein Leseerlebnis. Mit den
Erzählungen "Reiche Mädchen" legt sie ihr erwartetes
Prosadebüt vor, poetisch und akzentuiert wie ihre Lyrik.
Ironisch, lakonisch, amüsant und messerscharf zeichnet sie das
Bild einer Generation, die sich nach dem Gewöhnlichen sehnt
und doch so viel mehr als das Gewöhnliche will.
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"Die Häuser der anderen"
Christopher und Luisa haben geheiratet und sich im Leben eingerichtet: Er ist
angehender Professor für Biologie, sie erfolgreiche Kunsthistorikerin. Die
Altbauwohnung ihrer Studentenzeit haben sie gegen ein Haus am Stadtrand
getauscht, als sichtbares Zeichen ihrer Ambitionen. Hier in der Straße am
Kuhlmühlgraben muss sich ihre Ehe bewähren, hier messen sie ihre Träume am
Erreichten. Doch nicht alles lässt sich mit Willenskraft und Selbstinszenierung
herbeiführen, das müssen die beiden ebenso erfahren wie die anderen Bewohner des
Viertels.
In kunstvollen Szenen, mit Abstechern
nach Venedig und New
York, erzählt Silke Scheuermann in "Die Häuser der anderen" von zerbrechlichen
Wünschen,
Ängsten und Hoffnungen. Unsentimental und einfühlsam schildert sie,
was geschieht, wenn Menschen ihr Leben nach anderen ausrichten und ihre
vermeintliche Überlegenheit ins Wanken gerät oder wenn sie vom Glück überrascht
werden. (Schöffling & Co.)
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