Andrea Schacht: "Das Werk der Teufelin"
Ins Köln des Jahres 1376 entführt uns das neueste Werk der deutschen Autorin Andrea Schacht. Schacht, geboren 1956, erzählt ein weiteres Abenteuer der scharfzüngigen Begine Almut Bossart, die zuletzt im Roman "Der dunkle Spiegel" ihren Spürsinn unter Beweis stellen konnte.
Bei Beginen handelt es sich um im
Mittelalter entstandene Gemeinschaften von unverheirateten Frauen und Witwen.
Sie lebten in klosterähnlichen Strukturen, jedoch ohne einen Ordenseid geleistet
zu haben.
Eben eine dieser Frauen, die sich dem Keuschheitsgebot unterworfen
haben, ist auch die "Heldin" des Romans, Almut Bossart, die Tochter eines
Baumeisters, die bereits in jungen Jahren verwitwet ist.
Die Geschichte
beginnt mit der Reise des Domherren Sigbert von Antorpf. Er ist jemandem auf der
Spur, der ihn offenkundig verletzt und gekränkt hat. Warum und wie bleibt
vorerst noch im Dunkeln. Dramatisch wird die Angelegenheit erst, als der Domherr
unter der Glocke der Stiftskirche zu Sankt Kunibert erschlagen wird, die während
eines Brandes vom Turm herabstürzt. "Sucht die Teufelin bei den Beginen!" sind
seine letzten Worte. Bei der Untersuchung der Leiche stellt man auch die ihm
zugefügte Verletzung fest. Vor einigen Wochen ist der Domherr entmannt worden.
Und dann gibt es noch eine weitere Leiche, die unter den Trümmern der Kirche
auftaucht.
Im Konvent am Eigelstein, dem auch Almut Bossard angehört,
gibt es in der Tat einige Personen im Nahbereich des Konvents, die in Verdacht
geraten könnten, die gesuchte Teufelin zu sein.
Da ist zum ersten Johanna,
die "Badehur", die erwiesenermaßen dem Domherren während ihrer Tätigkeit in
einem Kölner Badehaus zu Willen sein musste. Sigbert von Antorpf war keineswegs
ein frommer Mann, sondern ein widerlicher Lüstling, der seine Macht unbarmherzig
gegen Andere ausübte. Und so hat er sich sein Vergnügen auch mit Gewalt
genommen. Der damit ausgelöste Hass macht Johanna nur noch mehr verdächtig. Aber
Johanna scheint ein herzensguter Mensch zu sein.
Weiters trifft man noch auf
Ewald, den jungen Novizen, der von Johanna in die körperliche Liebe eingeführt
wurde. Beide haben sich in einander verliebt, und Ewald hat das Kloster
verlassen. Dummerweise hat sich Ewald kurz vor dem Brand in der Stiftskirche
aufgehalten. So könnte auch er versucht haben, die Ehre seiner Geliebten mittels
eines Attentats wiederherzustellen.
Angelika, ein junges Mädchen von ungefähr
13 Jahren, hat ebenfalls erst vor kurzem Unterschlupf bei den Beginen gesucht.
Sie ist ein hübsches und zerbrechliches Geschöpf, das sich vor allem durch seine
Naivität bemerkbar macht.
Und schließlich noch Thea, die eigentlich schon
lange im Konvent lebt. Aber von einiger Zeit war sie verreist und scheint
seither unzufrieden zu sein. Außerdem geraten Thea und Almut nur allzu oft
aneinander.
Angesichts all dieser potenziellen "Teufel" kann Almut froh sein, dass ihr
Pater Ivo bei ihren "Ermittlungen" zur Seite steht. Und Unterstützung ist auch
dringend notwendig, hat man doch die Vorsteherin des Konvents eingekerkert,
um Informationen - oder wenigstens Geld - aus ihr herauszupressen. Gemeinsam
mit "ihrem" Pater wird es gelingen, das Werk der Teufelin zu entlarven, sofern
sie ihre vorlaute Zunge unter Kontrolle behalten kann ...
Sehr positiv finde ich, dass zu Beginn eine Auflistung der wichtigsten Persönlichkeiten
des Geschehens eingebracht wurde. Damit lässt sich sofort erkunden, um wen es
sich handelt, sollte man während der Lektüre auf einen Namen stoßen, mit dem
man ad hoc nichts mehr anfangen kann. Allerdings fiel es mir beim Lesen nicht
schwer, die Konzentration auf die Handlung zu richten, was die Auflistung der
Personen zu diesem Zwecke doch entbehrlich machte.
Ein
Kernthema im Roman ist sicherlich die Beziehung zwischen dem Geistlichen Pater
Ivo und der Begine Almut Bossart. Wiewohl beide dem Zölibat unterworfen sind,
macht sich doch immer wieder eine knisternde Spannung zwischen den beiden
bemerkbar. Wer weiß, ob da nicht noch etwas passiert, so uns weitere Geschichten
um Almut Bossart begegnen sollten.
"Das Werk der
Teufelin" ist spannend zu lesen, zumal Andrea Schacht selbst in der Nähe von
Köln lebt und entsprechend sorgfältig recherchiert hat.
Sprachlich sind die
Sätze nicht verschachtelt und überladen. Und auch griffige Seiten und das
übersichtliche Schriftbild laden zum Weiterlesen ein.
Inhaltlich gibt es
kaum etwas zu bemängeln. Vor allem ist man froh, wenn sich am Ende herausstellt,
dass man sich in den guten Menschen doch nicht getäuscht hat. Einzig die
dauernden Zitate aus dem Buche Jesus Sirach wirken mit der Zeit ein wenig zu
aufgesetzt, wenn Almut oder Pater Ivo sich darauf berufen. Es ist zwar schön,
dass immer wieder weise Worte aus diesem Buch zum Handlungsgeschehen passen, mir
persönlich hätte es aber besser gefallen, wenn man auf die ganze Breite der
Bibel zurückgegriffen hätte.
Insgesamt darf "Das Werk der Teufelin" allen
Freunden von historischen Romanen und deutsprachiger Literatur ans Herz gelegt
werden. Kurzweilig ist es jedenfalls, die Teufelin am Ende zu
entlarven.
(MagMaMa; 09/2004)
Andrea Schacht: "Das Werk der
Teufelin"
Blanvalet, 2004. 384 Seiten.
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Weitere historische Romane von Andrea
Schacht:
"Kreuzblume"
Eine mutige junge Frau löst das
Rätsel um die verschwundenen Baupläne des Kölner Doms.
Seit 1560 ruht die Baustelle, doch nun, an der Schwelle zum 19. Jahrhundert,
soll der Dom zu Köln vollendet werden. Die Baupläne der Zwillingstürme sind
jedoch verschollen, und nach dem Willen mächtiger Männer soll dies auch so
bleiben. Aber Antonia, deren Leben mit den alten Zeichnungen eng verwoben ist,
überlebt mit Mut, Klugheit und Energie die Wirren der napoleonischen Zeit und
entdeckt dabei nicht nur die Baupläne des Doms, sondern findet auch die Liebe
ihres Lebens ...
Antonia wächst als Junge verkleidet in der chaotischen Zeit der napoleonischen
Kriege auf. Erst mit dem Tod ihrer Ziehmutter in der Schlacht von Jena erfährt
sie ihre wahre Herkunft. Auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter zieht sie
nach Köln. David, ein junger Leutnant, dem sie das Leben gerettet hat, gibt ihr
den entscheidenden Hinweis. Sie findet ein neues Heim im Haus des Domherrn
Hermann von Waldegg und begegnet hier dem ehemaligen Kettensträfling Cornelius,
der sanften Bürgerstochter Susanne und der intriganten Gesellschaftsdame
Charlotte.
Während Antonia zur eigenwilligen jungen Dame der Gesellschaft heranreift, drängt
es sie, die Geschichte der Mutter und das Schicksal ihres Vaters zu erfahren - nicht ahnend, wie eng beide mit den verschollenen Plänen der Westfront des Kölner
Doms verknüpft sind. Unwissentlich gerät Antonia in einen Strudel aus
Korruption, Verrat und Intrige. Und an einen mächtigen Feind - Jakobiner und
Stadtmagistrat Kay Friedrich Kormann, dem der Dom als Symbol des finsteren
Mittelalters gilt und dessen Fertigstellung er mit allen Mitteln verhindern
will. Notfalls auch mit einem Mord ...
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"Der
dunkle Spiegel"
Köln im Sommer des Jahres 1376. Im Haus des Weinhändlers de Lipa stirbt
der erkrankte Jean, Sohn eines befreundeten burgundischen Weingutbesitzers,
unter mysteriösen Umständen. Der Verdacht, ihn vergiftet zu haben, fällt auf
die junge Begine Almut Bossart, die wenige Tage zuvor eine Arznei vorbeigebracht
hatte, von der sich die Apothekerin ihres Konvents Heilung versprach. Almut,
die mit dem Makel eines losen Mundwerks behaftet ist und sich schon mehrfach
mit der Geistlichkeit der Stadt angelegt hat, ist gezwungen, ihre Unschuld und
die ihres Konvents zu beweisen. Ihre ketzerischen Äußerungen erschweren dies
jedoch und rufen sogar den Inquisitor auf den Plan. Als sie sich beherzt daran
macht, die wahren Umstände von Jeans Tod aufzudecken, gerät sie immer tiefer
in die mysteriösen Vorgänge im Haus des Weinhändlers - und schließlich sogar
in Lebensgefahr. Doch mit Hilfe der maurischen Hure Aziza, des taubstummen Mädchens
Trine und des Benediktinerpaters Ivo gelingt es Almut schließlich, ein Komplott
aufzudecken, das aus Habgier, Eifersucht und verbotener Liebe geschmiedet wurde.
Aber erst als es fast zu spät ist, begreift Almut, was das Abbild im dunklen
Spiegel zu bedeuten hat ...
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"Der
Lilienring"
Die Schwestern Anita und Rose haben im Nachlass ihres Vaters einige Tagebücher
entdeckt, die eine junge Frau vor etwa zweihundert Jahren in Köln verfasst hat.
Zu dem Bündel gehört auch ein Lilienring mit der Gravur "Mors Porta Vitae".
Anita und Rose ziehen sich mit ihrem spannenden Fund in die Bretagne zurück
und tauchen bald schon ein in die dramatische Geschichte der jungen französischen
Adeligen Marie-Anne, die sich im Jahr 1811 aus Angst vor den Revolutionstruppen
nach Köln durchgeschlagen hat ...
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"Der Bernsteinring"
Anita, eine junge Kölnerin, und ihre Halbschwester Roswita haben sich erst
nach dem Tod des Vaters kennen gelernt und angefreundet. Doch in ihrer beider
Kindheit haben die Erzählungen des Vaters eine entscheidende Rolle gespielt.
Zufällig entdecken sie in einem Antiquitätengeschäft einen Bernsteinring, der
zu einer Geschichte aus dem mittelalterlichen Köln von 1498 passt, die der Vater
ihnen hinterlassen hat: Eine Geschichte von Kuppelei, Mord und Hexenverdacht
- und von der leidenschaftlichen Liebe der Stiftsdame Anna zum Ratsherrn Rabanus
...
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"Der Siegelring"
Anita, eine
junge Kölnerin, muss miterleben, wie die Maschine, mit der sie fliegen sollte,
beim Start explodiert. In den Sekunden, bevor sie das Bewusstsein verliert,
sieht sie drei ähnliche Feuerszenen vor sich ... Annik, eine keltische Barbarin,
zieht es im Jahr 98 nach Colonia. Von ihrem Geliebten erhält sie einen
Siegelring - den sie eines Nachts bei einem keltischen Ritual in den Wäldern
opfert. Kurz darauf wird ihr Geliebter tot aufgefunden ...
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Leseprobe:
Vorwort
Das heilige Köln des Mittelalters war eine lebhafte Stadt, und ihre Heiligkeit
drückte sich vor allem in den unzähligen großartigen Kirchen, Klöstern und Stiften
aus. Aber irgendwie beschleicht mich immer, wenn ich mich mit der Chronik dieser
wundervollen Stadt befasse, das Gefühl, dass diese Heiligkeit nicht über den
Wolken schwebte, sondern ungemein bodenständig war. Vor allem wiederholte Mahnungen
der amtierenden Erzbischöfe werfen ein interessantes Licht auf die gängige Praxis,
frommes Leben mit purem Geschäftssinn zu vermischen. Etwa der Hinweis darauf,
die Klosterbrüder mögen es doch bitte unterlassen, in ihren Immunitäten, also
im Klosterbezirk, Wein wie die Weinhändler zu verkaufen oder wie Kneipenwirte
anzubieten. Und den Nonnen wurde doch tatsächlich das Ausschenken von Bier untersagt!
Die eleganteste Geschäftsidee jener Zeit aber war der kirchlich sanktionierte
Ablasshandel, bei dem man sich durch eine Geldzahlung für gewisse Fristen aus
dem zu erwartenden Fegefeuer freikaufen konnte. In Köln wurde dieser schwunghafte
Handel vornehmlich zur Finanzierung des Dombaus betrieben. Gütig gewährt wurde
vom Erzbischof im Übrigen auch die Umwandlung von Gelübden und Pilgerversprechen
in Geldwerte, wenn sie denn dem Domkapitel zur Verfügung gestellt wurden.
Dass sich in diesem Zusammenhang durchaus eine gewisse kriminelle Energie entwickeln
konnte, blieb leider auch nicht aus.
Mein intensives und begeistertes Bibelstudium,
das natürlich notwendig war, um Almut, der Begine, die treffenden Bemerkungen
auf die spitze Zunge legen zu können, brachte mir das Buch Jesus Sirach näher,
ein hinreißendes Werk voll praktischer Ratschläge und tiefer Weisheiten, die
auch nach Tausenden von Jahren noch nicht ihre Gültigkeit verloren haben. Und
sie sind von einer überwältigenden Sprachgewalt und erschreckend bildhaft beschrieben.
Wie etwa folgende Feststellung, die den Leitgedanken der nachfolgenden Geschichte
bestimmt:
"Wer mit Gewalt ein Urteil erzwingen möchte, der ist wie ein Verschnittener,
der eine Jungfrau schänden will." (20.4)
Im heiligen Köln im Herbst des Jahres 1376 der Menschwerdung des Herrn
1. Kapitel
Domherr Sigbert von Antorpf verfluchte die Langsamkeit der Träger. Er fluchte
auch über den Zustand der Straße und die unnötigen Aufenthalte, denn Söldner
hatten ihre Lager zwischen Bonn und Köln aufgeschlagen. Er fluchte ebenfalls
darüber, in einer schwankenden Sänfte reisen zu müssen, die ihm Übelkeit verursachte.
Aber die Wunde schmerzte nach wie vor, selbst wenn sie inzwischen verheilt war.
An Reiten war
überhaupt nicht zu denken. Vor allem aber verfluchte der Domherr die Teufelin,
die sie ihm zugefügt hatte. Dieses heimtückische Frauenzimmer war der Grund
für seine beschwerliche Reise - oder besser gesagt, einer der Gründe. Sie war
ihm entwischt, just als er sie zur Rechenschaft ziehen wollte. Und es war ihr,
wie auch immer, gelungen, in den Wirren der kriegerischen Auseinandersetzungen
zwischen dem Erzbischof von Köln und dem
Rat der Stadt irgendwo wie ein scheues Wild Unterschlupf zu finden. Er hatte
ihre Fährte bis kurz hinter Bonn verfolgt, aber stets war sie ihm einen oder
zwei Tage voraus.
Dieser Tag neigte sich nun schon wieder dem Ende zu, und er wies die lahmen
Trottel, die seine Sänfte trugen, an, an dem Gasthaus vor ihnen anzuhalten und
ihn dort abzusetzen. Stöhnend und steifbeinig wuchtete er seinen massigen Körper
von dem Sitz und stützte sich schwer auf den schwarzen Knüttel, der ihm als
Stock und gegebenenfalls auch als Waffe diente. Viel versprechend sah das Haus
nicht aus, und das Gelärme ließ darauf schließen, dass hier lästiges Kriegsvolk
Einkehr gehalten hatte. Aber der Domherr fühlte sich außer Stande, nur noch
einen Schritt weiter zu reisen. So gab er seinem Diener den Befehl, für ein
standesgemäßes Nachtlager zu sorgen. Unter Umständen war es sogar von Nutzen,
dass sich zahlreiche Gäste hier aufhielten. Möglicherweise hatte der eine oder
andere die flüchtige kleine Hure gesehen.
In der Tat hatte man sie gesehen, und ihre Spur führte nach Köln.
Was der Domherr nicht wahrnahm, war die junge, verhärmte Frau, die, als sie
seiner ansichtig wurde, hurtig in den herbstlich langen Schatten der Bäume verschwand
und sich trotz ihrer Erschöpfung und des Hungers nicht mehr im Gasthaus sehen
ließ.