Jérôme Savary: "Liebe und Tod in Havanna"
Wenn
man den Klappentext dieses Romans liest (Jo, Schriftsteller
ohne Inspiration und Erfolg, beschließt auszubrechen: aus
seinem Leben, aus seiner Ehe mit Anne, die ihm untreu ist und die er
schon lange nicht mehr zu lieben glaubt. Das Schicksal beschert ihm
einen neuen Job - in Havanna. Auf den Spuren seines großen
Vorbilds Hemingway
stürzt Jo sich in das Leben auf Kuba,
vergisst sich in Sexabenteuern und den treibenden Rhythmen der Salsa ...),
erwartet man relativ seichte, pornografisch angehauchte
Urlaubslektüre. Doch so eine Erzählung ist dies nicht.
Eigentlich ist es die Geschichte zweier Männer:
Jo ist ein erfolgloser Schriftsteller, der sich mit Gelegenheitsjobs
und dem Lehrerinnengehalt seiner Frau über Wasser
hält, während er immer mehr Schulden macht und keine
Zeile aufs Papier bekommt. Während er sich immer mehr von
seiner Frau entfremdet, wird diese zunehmend von ihren Kollegen
umgarnt. Jo wird sein Leben zunehmend unerträglich.
Auf der anderen Seite ist da Pierre, Jos Vater, der ein schlechter,
aber sehr erfolgreicher Bühnendarsteller ist, der meistens die
Nebenrollen bekommt. Er kann mit seinem Geld ein angenehmes Leben
führen, seine Kinder, seine Exfrau sowie seriell etliche
Liebschaften aushalten und trotzdem noch etwas auf die hohe Kante
legen. Neben den gutaussehenden Soubretten aus seinen Stücken
sind nur kubanische Zigarren, Nachtische und ein Steak pro Tag
für ihn wichtig, so dass er eigentlich ganz zufrieden sein
kann. Außer in Bezug auf die Erfolglosigkeit seines Sohnes
ist er das auch.
Als Jo nach Kuba geht, um dort für eine Fluggesellschaft zu
arbeiten, tut er dies vordergründig, um seine Schulden bei
seiner Frau Anne und bei seinem Vater zu tilgen, in Wirklichkeit aber,
um all den Dingen, die ihn in Frankreich stören, zu entkommen.
Doch Kuba gibt ihm nicht die Möglichkeit, sich selbst zu
entkommen, obwohl er dort nach einigen Wochen sexueller Eskapaden die
Liebe seines Lebens findet.
Nachdem er Pierre nachholt, damit dieser auf Kuba eine kleine Tournee
machen kann, verliebt sich dieser
gleichfalls in eine Lehrerin und findet ein anderes Leben auf jener
Insel, die so viele Andere verlassen wollen. Er beschließt
für immer dort zu bleiben und eigentlich schon im Rentenalter
noch einmal ein ganz neues Leben mit seiner Maria und seinen neuen
Verwandten anzufangen.
In einem sehr engen Zusammenhang stehen Lehren und Lieben in diesem
Roman, der zwar auch Sex hat, aber eigentlich viel mehr Herz. Kubas
negative Seiten werden nicht beschönigt, und jene Dinge, die
Pierre dort halten, sind seine Möglichkeiten, in einem kleinen
Kreis mit seinem Geld Gutes zu tun. Und so ist
Jérôme
Savarys "Liebe und Tod in Havanna" auch ein Roman über
Hoffnung, die man niemals aufgeben sollte - gerade, wenn es um Liebe
geht.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2007)
Jérôme
Savary: "Liebe und Tod in Havanna"
(Originaltitel "Habana Blues")
List, 2007. 230 Seiten.
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Jérôme Savary, am 27. Juni 1942 in Buenos Aires geboren, studierte Kunst in Paris, Jazzmusik in den USA und ist heute Direktor der Opéra-Comique in Paris. Verheiratet mit einer Kubanerin, lebt er abwechselnd in Kuba und Frankreich. "Liebe und Tod in Havanna" ist sein erster Roman.