Rainer Schoch: "Saurier"

Expedition in die Urzeit


Hervorragend gestalteter Überblick über die Lebenswelten des Erdmittelalters

Wohl keine ausgestorbene Artengruppe fasziniert die Laien so sehr wie die mächtigen Dinosaurier. Von Kindesbeinen an lassen wir uns vom Zauber ihrer Welt, des Erdmittelalters, einfangen.
Aber das Bild der großen Echsen, das wir uns anhand von populären Filmen wie "Jurassic Park" von ihnen gemacht haben, ist nicht nur unvollständig, sondern in vielen Details auch falsch. Die vergangenen zehn Jahre haben der Saurierforschung zahlreiche revolutionäre Erkenntnisse beschert, die gleichwohl kaum in die Öffentlichkeit gedrungen sind. Vor allem müssen wir uns von dem Vorurteil lösen, die Dinosaurier seien aufgrund ihres Aussterbens eine aus Sicht der Evolution erfolglose Laune der Natur. In Wirklichkeit sind sie gar nicht ausgestorben, denn ihre überaus erfolgreichen Nachfahren leben um und unter uns: die Vögel, aus einem Zweig der Dinosaurier hervorgegangen. Und zahlreiche Dinosaurier hatten keine schuppige "Echsenhaut", sondern, wie Fossilfunde eindeutig belegen, ein üppiges Federkleid.

Die von Rainer Schoch herausgegebenen Beiträge befassen sich mit den dominierenden Tieren des Erdmittelalters, den Sauriern (das heißt, den Dinosauriern, ebenso jedoch den anderen, zum Teil sehr erfolgreichen Reptilien), und ihrer von der heutigen stark verschiedenen Umwelt, aber auch mit den Methoden, die den Paläontologen zur Informationsfindung dienten und dienen.

Der Schwerpunkt des ersten Teils liegt auf den genannten und weiteren neuen Erkenntnissen der Saurierforschung, die deren Entwicklung nicht mehr als Sackgasse erscheinen lassen. Auch erhält man einen Überblick über die Vielfalt der verschiedenen Sauriergruppen einschließlich der heute lebenden sowie Informationen über die üppigen süddeutschen Fossilfundstätten.
In der Folge werden die einzelnen Abschnitte des Erdmittelalters (Trias, Jura und Kreide mit ihren Unterabschnitten) nach einer zusammenfassenden Einführung über die geologischen und ökologischen Bedingungen jener rund 110 Millionen Jahre vorgestellt. Die Kapitel zeichnen die Entwicklung der Saurier von den Anfängen im Buntsandstein der Trias bis zum rätselhaftem Ende der großen Dinosaurier und dem einsetzenden Siegeszug der Säugetiere am Übergang von Kreide und Tertiär nach, wobei besonderer Wert auf Informationen über paläontologische Arbeit einschließlich der Fossilgewinnung, vor allem in deutschen und weiteren mitteleuropäischen Fundstätten, gelegt wird.

Die Texte sind trotz des hohen Informationsgehalts spannend geschrieben, sodass man das Buch am liebsten "auf einen Rutsch" durchlesen möchte. Besonders positiv fällt an diesem Werk auf, wie differenziert die Autoren Lebensräume beschreiben, sodass sich der Leser die jeweilige Welt eines erdmittelalterlichen Ökosystems vorzüglich vorstellen kann. Für den Laien sind zudem die Beschreibungen der paläontologischen Arbeit sehr interessant, denn sie ermöglichen ihm, die Wege nachzuvollziehen, auf denen die heute vorhandenen vielseitigen und oft verblüffend detaillierten Erkenntnisse über die Urzeit gewonnen wurden und werden. Natürlich tragen auch die zahlreichen Illustrationen hervorragend zum Verständnis bei. Immer wieder findet der Leser Karten, die außer der von der heutigen zunächst völlig verschiedenen Lage der Kontinente auch Küstenverläufe und Klimazonen und deren mitunter sehr rasche und dramatische Änderungen darstellen. Schon daraus geht hervor, warum einzelne mitteleuropäische, vor allem jedoch süddeutsche Fundorte "besondere" Fossilien enthalten - und das bisweilen in großer Zahl und gutem Erhaltungszustand. Die jeweils gegebenen Voraussetzungen zur Fossilbildung werden natürlich auch im Text erläutert.

Übersichtliche Stammbäume sowie Baupläne von aufeinander folgenden Arten vermitteln ebenfalls einen guten Einblick in die Abläufe der Evolution. Darüber hinaus bietet das Buch eine Fülle von Fotos, teils von Originalfossilien, teils von aus ihnen entwickelten Modellen der jeweiligen Tiere sowie der Arbeit bei der Ausgrabung der Saurier und der Rekonstruktion. Weitere Abbildungen zeigen realistische Nachbildungen von erdmittelalterlichen Lebensgemeinschaften und Landschaften.

Das Buch bringt den Leser auf den aktuellen Stand der Forschung, die, wie erwähnt, in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Schub erhalten hat - dies auch bezüglich des Szenarios am Ende der Kreide, das zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat. Nachdrücklich wird im Buch belegt, dass die Theorie, nach der ein in Mittelamerika eingeschlagener Meteorit eine ökologische Katastrophe ausgelöst hat, wenn überhaupt, so definitiv nicht allein zur Erklärung herangezogen werden kann.

Ein sehr schön aufgemachtes, inhaltlich wertvolles Buch, das wirklich zu empfehlen ist!

(Regina Károlyi; 05/2007)


Rainer Schoch: "Saurier. Expedition in die Urzeit"
Jan Thorbecke Verlag, 2007. 136 Seiten.
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