Marc-Roberts-Team: "Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens"
Alptraum oder Albtraum? Wie ist
diese Störung nächtlicher Ruhe richtig bezeichnet und korrekt geschrieben? Mit
P oder B? Ein kurzer Blick in unser Lexikon bringt Klärung:
Beides ist richtig! Und zwar je nachdem, ob man den altgermanischen Alp meint,
der - eine Übel wollende Nachtmähre - durch Drücken die Schlafenden am Atmen
behindert und auf diese Weise furchtbar ängstigt, oder man bezieht sich mehr
auf die dämonische Variante der nordischen Elben (Elfen, Feen), ursprünglich
sagte man Alben (deshalb: Alb zu Albtraum), die uns als Schadensgeister um einen
erholsamen Schlaf bringen. Sollte die Nachtruhe übrigens etwas feucht
ausfallen, so könnten Cochemares oder Albgeister ihr Unwesen getrieben haben.
Diese Unholde sind mit den Mahren verwandt und machen die Menschen mittels Alpdrücken
zu Sklaven der Lust.
Es bedarf nun wohl nicht noch der einleitenden Worte mehr zur Verdeutlichung der
dringlichen Notwendigkeit eines Lexikons des Satanismus, der Dämonologie und
des Hexenwesens - quasi als Wegweiser durch
Geschichte und Gegenwart des
Okkulten, wobei allein schon die blanke Zahl von rund 900 Stichwörtern eine
Chaos verheißende Begriffsfülle anklingen lässt - welche, so sei es zur
Beruhigung verkündet, vom Autorenkollektiv in die sorgsame Fügung einer
raffinierten, weil keineswegs nur strikt alphabetischen Ordnung gesetzt worden
ist. Unser aller Leben ist durch diese Art Literatur unmittelbar berührt, denn
träumen tut jedermann. Und jeder fürchtet von Kindeszeit her den Teufel als
archetypische Schreckensfigur, ohne freilich in aller Regel um dessen genauen
Charakter und um seine genealogische Herkunft aus dem Mythenschatz der
Menschheit im Detail Bescheid zu wissen. Diese Angst vor dem - allemal
verderblich vorgestellten - Teufel ist volkstümlich; sozusagen über die
Generationenfolge tradiert. Wir fürchten den Teufel, denn sein Gemüt ist in
seinem Wesenskern von urtümlicher Boshaftigkeit, soviel ist gewiss. Doch war
dem schon immer so?
Wiederum gibt unser Nachschlagwerk Auskunft. Aber diesmal über seitenlange Ausführungen
zu den unterschiedlichsten Teufels- und Satansvorstellungen, zu seiner
Kulturgeschichte, der Etymologie seines Namens und zum Kult um seine Person. Ein
Problem ist sofort erkannt: Es gibt nicht nur eine einzige Vorstellung von
Satan, sondern mehrere nebeneinander existierende oder miteinander
konkurrierende Varianten. Je nach Kulturkreis und historischer Epoche wandelt
und vervielfältigt sich sein Bild. Satan, ursprünglich nur ein Werkzeug
Gottes, mutiert unter dem Einfluss des persischen "Königs der Finsternis"
Ahriman (dt. böser Geist) zum Gegenspieler Gottes. In der "babylonischen
Gefangenschaft" der Juden (586-538 v.Chr.) floss diese persische Satansidee
in die jüdische Mythologie ein und prägte vermittels dieser in weiterer Folge
den christlichen Satansbegriff.
Ein weiteres Problem ist, dass der geneigte Leser zuzüglich zu Satan mit
Beelzebub, Luzifer, Sammuel, einer Mehrzahl gefallener Engel, mit satanischen Kräften
und diversen widergöttlichen Prinzipien zurande kommen muss. Howard LaVey (1930-1997),
der Begründer der Church of Satan, war wohl viel zu intelligent für einen
naiven Satanskult, doch musste er während seiner Tätigkeit als Kriminalfotograf
soviel Grässliches mit ansehen, dass er nicht mehr an den guten Gott glauben
konnte und sich aus Empörung über dessen Gleichgültigkeit ob des Elends in
der Welt dem Inbegriff des Bösen, Satan zuwandte. LaVey entwarf sich einen
Satan, der, losgelöst von althergebrachten Mythologien, den Geist des Protests
verkörpert, der für den Fortschritt der Menschheit verantwortlich zeichnet.
Denn alle großen Entdeckungen müssten sich gegen die bestehenden Meinungen und
besonders gegen die religiösen Vorurteile durchsetzen.
Howard LaVey schuf eine umfassende - meines Erachtens zwar teils archaische,
teils kleinbürgerliche, jedenfalls jedoch sehr anregende - satanische
Tugendlehre, die zu diskutieren es sich lohnt. Im Buch erstrecken sich die
Darlegungen zur Church of Satan über gut zwei Seiten. Die Inhalte dieser Kirche
zielen auf eine Umwertung maßgeblicher christlichabendländischer Werte ab und
wirken in ihrer konkreten Gestalt verräterisch zeitgemäß.
Der Satan repräsentiert: Zügellosigkeit anstatt Enthaltsamkeit; tatkräftige
Existenz anstatt spiritueller Wunschträume; Freundlichkeit zu jenen, die sie
verdienen, anstatt Liebe, die an Undankbare verschwendet wird. Und Rache, anstatt
die andere Wange hinzuhalten.
Sünden
sind gut, wenn sie zu physischer, geistiger und gefühlsmäßiger Befriedigung
führen.
Ich frage mich: Wer lebt heute nicht danach? Wer hält die andere Wange hin? Und
wer zügelt seine Begierden in Zeiten eines entfesselten Vulgärhedonismus?
LaVey schmeckt nach Mainstream und findet die Erfüllung seines Lebensideals
wohl am ehesten zwischen den überquellenden Regalen einer nun in der Tat
wahrlich gottlosen
Warenwirtschaft.
Dass das Menschentier aufgrund der göttlichen spirituellen und geistigen
Entwicklung das lasterhafteste von allen Tieren geworden ist, beinhaltet die
erwartete Kriegserklärung an den Gott der Christen.
Für LaVey sind die "sieben Todsünden" der christlichen Kirche
(Definition nach Papst Gregor dem Großen, 590-604), also Gier, Eitelkeit, Zorn,
Neid, Gefräßigkeit, Wolllust und Faulheit allesamt erstrebenswert. Einzig die
Lüge ist auch für den Magister satanis verwerflich.
Die satanische Alltagsethik mag erheitern, anrühren, berühren und nachdenklich
stimmen: Verletze nie kleine Kinder. Töte nie ein Tier, wenn du von ihm nicht
angegriffen wirst oder sein Fleisch essen willst. Lege dich mit niemandem ins
Bett, wenn du dazu nicht aufgefordert wirst. Rede erst, wenn du sicher bist,
dass man dir zuhört. Wenn du in ein fremdes Besitztum gehst, achte den
Besitzer; andernfalls gehe nicht hinein. Wenn dich jemand auf deinem Besitztum
stört, dann jage ihn weg. Kümmere dich nicht um Dinge, die dich nicht berühren.
Greife niemand in der Öffentlichkeit an. Falls man dich angreift, fordere den Täter
auf, dies zu unterlassen. Gehorcht er nicht, dann vernichte ihn.
Nebst Selbstverständlichkeiten sittlichen Handelns kündigt dieser
Verhaltenskodex schlechte Zeiten für integrationsresistente Zuwanderer an und
verwirft das mosaische Gebot des "Du sollst nicht töten". Die Church
of Satan dürfte übrigens - nach dem Vorbild der römischkatholischen Kirche -
streng hierarchisch strukturiert sein. Stufenweise geschichtet nach Magister
caverni (Bischof), Magister templi (Erzbischof), Magister magis (Kardinal) und
einem Magister satanis als Pseudopapst obendrauf.
Das Lexikon eröffnet also durchaus interessante Einblicke in okkultistische
Subkulturen in unser aller Mitte. Was sich nicht nur auf Satanisten und Ketzer (Waldenser,
Katharer) beschränkt, auch Schamanisten (Werwolf-Kult), Hexen und Hexer
(Wicca-Kult)
bevölkern nach wie vor in großer Zahl unsere Länderein. Was zwar nicht immer
ernst zu nehmen ist, oft nur Ausdruck jugendlichen Unbehagens oder
Gelangweiltheit in einer entzauberten Welt ist, aber immerhin gibt es sie - wenn
auch nur zu Halloween
im Schlampendress. Und man fragt sich, ob denn die inquisitorischen
Hexenprozesse nicht ihrer zu Millionen gemordet haben? Oder kann es sein, dass
auch an diesem Geschichtsbild so einiges nicht stimmt?
Einmal mehr erweist sich unser Lexikon als nützlich. Keine Frage, die Hexen-
bzw. Hexerverfolgung (75-80 Prozent der Opfer waren weiblichen Geschlechts) ist
eine historische Tatsache. Die in Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft
und der modernen Hexenbewegung (Wicca-Kult) behaupteten neun Millionen Opfer
sind jedoch völlig an den Haaren herbeigezogen. Was die Hinrichtungszahl
anbelangt, so dürfte diese im Zeitraum 15. bis 18. Jahrhundert europaweit mit
circa 60.000 zu bemessen sein. Davon 25.000 in Deutschland (16 Mill. Einwohner),
10.000 in Polen (3,5 Mill. EW) 4.000 in Frankreich (20 Mill. EW), 1.000 in
Italien (13 Mill. EW), 1.000 in Österreich (2 Mill. EW) und 300 im
ultrakatholischen Spanien (8 Mill. EW). Womit freilich nicht annähernd das
ganze Elend beziffert und in seiner ganzen menschlichen Tragik erfasst ist, denn
weitaus mehr angebliche Hexer und Hexen wurden durch Folter verkrüppelt, sowie
in weiterer Folge von ihrem sozialen Umfeld geächtet und verstoßen.
Der umfassende und mit zeitgenössischen Illustrationen veranschaulichte, sowie
mit Zahlenmaterial fundierte Textbeitrag zu den mittelalterlichen Hexenprozessen
räumt aber vor allem mit einem ganz anderen Mythos auf: Nämlich dass der
Hexenwahn ein genuin christlicher Irrsinn gewesen wäre.
Moderne Hexen berufen sich gerne in Opposition zu den christlichen Kirchen auf
vorchristliche, heidnische Kulte keltischen oder germanischen Ursprungs. Genau
von dort kommt der Hexenwahn jedoch her! Bei den alten Hebräern (AT, Ex. 22,17)
"Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen!" und den Römern wurden
Zauberer und Zauberinnen mit dem Tod bedroht. Im germanischen Frühmittelalter
gab es Prozesse gegen Männer und Frauen wegen Zauberei, die mit dem Feuertod
endeten. Die Herkunft des Hexenwahns ist heidnischer, jedenfalls vorchristlicher
Natur.
Die christliche Kirche stand diesen, im Volksglauben fest verankerten
Rechtsvorstellungen kritisch gegenüber und kämpfte im Vollbewusstsein ihrer
feinsinnigen Gelehrtheit dagegen an. Der Glaube an die Zauberei wurde mehrmals
als "Irrlehre" verurteilt, und als 1090 bei Freising drei Wetterhexen
verbrannt wurden (Wetterzauber, also die Schuld für ein Unwetter wurde ihnen
angelastet), bezeichnete die Kirche diese Frauen als "Märtyrerinnen".
Letztlich sollte der heidnische Hexenwahn aber doch über die aufgeklärte
Vernunft siegen. Die militanten Ketzerbewegungen des frühen 12. Jahrhunderts (Katharer,
Waldenser), machten - so fern man sie eindämmen wollte - ein Buhlen um die
Gunst derb gearteter Massen zur Pflicht, erforderten vom Hochklerus eine
Hinwendung zur volksnahen Politik, eine populistische Kumpanei mit
vorchristlichen Empfindungen, und so wurde die ursprünglich rein der
innerkirchlichen Disziplinierung korrupter oder freidenkerischer
Schriftgelehrter dienende Inquisitionsgerichtsbarkeit, zum Zwecke der Bekämpfung
von Schadenszauber, Teufelsbuhlschaft, Luftflug und Tierverwandlung, auf außerkirchliche
Betätigungsfelder ausgeweitet.
Die Buchautoren betonen in diesem Zusammenhang, dass es in dieser
Hexeninquisition (im Unterschied zur Ketzerinquisition und
zur
Spanischen Inquisition) zu allererst um Reue und Buße ging, weshalb
letztlich auch nur ein geringerer Anteil der Opfer den kirchlichen Behörden
anzulasten sei. Auf das im Jahre 2003 erschienene Buch "Die Päpste und die
Hexen" wird ausdrücklich verwiesen, worin Rainer
Decker mit der Legende von der Schuld der röm.-kath. Kirche an der
Hexenverfolgung kräftig aufräumt. Der Hexenwahn sei, so der Autor, in erster
Linie Sache des Volkes und der weltlichen Instanzen gewesen. Der am
Scheiterhaufen zündelnde feiste Pfaff ist ein Zerrbild aus der Mottenkiste der
Kirchenhasser, aber kein historisches Faktum von Gewicht. Obgleich der berüchtigte
"Hexenhammer"
- zuweilen als "unheilvollstes Buch der Weltgeschichte" bezeichnet -
sehr wohl das Werk von christlichen Theologen war.
Wer nun auch noch danach begierig ist, zu wissen, was unter einer
Teufelsbuhlschaft
zu verstehen ist, wie es um die Magie des Hexen-Einmaleins beschaffen ist, was
Etrusker, Germanen, Hinduisten, Römer, Moslems, Tibeter, Theosophen und andere
Zivilisationen und Spiritualisten so jeweils mit dem gemeinsamen Überbegriff
"Hölle" verbindet oder auch trennt, wer sich fragt, was Jesus
Christus mit seiner zwischen Kreuzigung und Auferstehung unternommenen Höllenfahrt
bezweckte, bzw. welcher Glaubensgehalt diesem zwischenzeitlichen Abtauchen in
die Unterwelt zukommt, wie es des Weiteren um die Gemeinschaft der Engel
bestellt ist und warum gefallene Engel erotisch Liebende sind, Engel übrigens,
die - mit Ausnahme der gefallenen - für Muslime Teil ihres
Glaubensbekenntnisses sind, wen es nach all dem und vielem mehr gelüstet, der
wird sich mit dieser durchdachten und geschmackvoll angerichteten Lektüre auf
das Beste bedient sehen.
(Harald Schulz; 08/2005)
Marc-Roberts-Team:
"Lexikon des Satanismus und des Hexenwesens"
F. Sammler / Stocker, 2004. 312 Seiten, ca. 200 S/W-Abbildungen.
ISBN 3-85365-205-0.
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