José Saramago: "Eine Zeit ohne Tod"


Ein weiteres Werk des Nobelpreisträgers José Saramago in deutscher Sprache

In einem unbenannten Land geschieht plötzlich Erstaunliches - oder eben nicht, denn plötzlich, von einem Schlag auf den anderen, hören die Menschen innerhalb der Landesgrenzen auf zu sterben. Zunächst glaubt man gemeinhin an einen Zufall, doch dann wird es Gewissheit: niemand stirbt mehr. Egal, ob jemand kurz vor seinem letzten Atemzug stand oder nicht, es gibt nur noch Kranke, Alte, mehr oder weniger schwer Verletzte, aber keine Toten mehr. Was zunächst wie ein Glücksfall wirkt, entpuppt sich rasch eher als Fluch. Die Menschen wissen nicht mehr, wohin mit den Alten und Kranken, Krankenhäuser und Altenheime sind ebenso überfordert wie pflegende Angehörige. Die Bestattungsunternehmen drohen in Konkurs zu gehen, und auch Rententräger sowie Versicherungsgesellschaften stehen vor einem möglichen finanziellen Ruin. Die Regierung hat auf all die Fragen aus der Bevölkerung ebensowenig Antworten wie die Anhänger der verschiedenen Religionen, und dem Land droht das Chaos.

Aus dieser Situation heraus schaffen sich die Menschen neue Richtlinien und Möglichkeiten, manch einer weiß das Fehlen des Todes zu seinem Vorteil zu nutzen, doch nach acht Monaten wendet sich das Blatt erneut: tod, so unterschreibt die werte Dame, lässt öffentlich einen Brief verlesen, in dem sie die Gründe für ihren Streik darlegt. Sie ist jedoch verhandlungsbereit und sichert den Bewohnern zu, ab Mitternacht ihre Arbeit wieder aufzunehmen und einen neuen Service anzubieten: ab sofort soll jeder eine Woche vor seinem Tod über selbigen in Kenntnis gesetzt werden, um sich entsprechend vorbereiten zu können.
Man könnte meinen, die Menschen seien nun zufrieden, doch selbstverständlich sind sie es nicht ...

Saramago hat einen weiteren interessanten Roman geschaffen, in dessen Mittelpunkt der Mensch, sein Handeln, sein Verhalten steht. Wieder setzt er die Menschheit einem großen Problem aus, und so absurd die ganze Geschichte auch erscheinen mag, so sind die von Saramago gezogenen Schlüsse und Entwicklungen absolut nachvollziehbar und logisch. Sicherlich hat es sich der Autor an manchen Stellen etwas einfacher gemacht, so dass beispielsweise Tiere und Pflanzen von des Todes Streik ausgenommen sind, doch auch diesem Phänomen gönnt Saramago eine kurze Erläuterung, so dass der Leser stets das Gefühl hat, eine vollständig zu Ende gedachte Geschichte zu lesen, die neben viel Humor auch über ausgesprochene Ironie und Biss verfügt.

Der Stil des Buchs ist schwer zu lesen. Wer Saramago bereits kennt, weiß um seine Eigenheit, in endlos langen Sätzen zu schreiben und wörtliche Rede auszulassen, alle Anderen müssen sich zumindest erst einmal an diesen Stil gewöhnen und sollten vielleicht erst einige Seiten testlesen, bevor sie einen Kauf des ganzen Buches wagen. Inhaltlich hat "Eine Zeit ohne Tod" sicherlich eine Menge zu bieten, ob dies den wenig eingängigen Stil aufzuwiegen vermag, sollte jeder für sich entscheiden.

Schwierig ist bei diesem Titel zudem, dass sich das Buch im Grunde in drei Phasen aufteilt - was bei einem Gesamtumfang von 253 Seiten ebenfalls etwas schwer im Lesermagen liegt. Das Buch beginnt mit der titelgebenden Zeit ohne Tod, im zweiten Teil wird wieder gestorben, und im dritten Teil schließlich steht nicht die Menschheit, sondern tod selbst vor einem Problem, und der vorherrschende Biss wird durch poetischen Inhalt praktisch abgelöst.

"Eine Zeit ohne Tod" ist sicherlich auf verschiedenen Ebenen zugleich anspruchsvolle Literatur, allerdings auch eine sehr lohnenswerte.

(Tanja Elskamp; 10/2007)


José Saramago: "Eine Zeit ohne Tod"
(Originaltitel "As Intermitências da morte")
Deutsch von Marianne Gareis.
Rowohlt Reinbek, 2007. 253 Seiten.
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