Wladimir Kaminer: "Russendisko"
Von Russen, die
nach dem Fall des eisernen Vorhangs nach Berlin gezogen sind und seither in
dieser vielfältigen, sich ständig verändernden Stadt neben Preußen,
Vietnamesen und anderen Berlinern ihr Dasein führen, berichtet Wladimir Kaminer
in ebenso kurzen wie pointierten Geschichten.
Der Autor weiß, wovon er spricht, hat er doch selbst - aus Neugierde, wie er schreibt - 1990 ebendiesen Schritt in den Westen getan, sich dort mittlerweilen längst als erfolgreicher Künstler etabliert und auch schon genug Zeit gehabt, die unterschiedlichsten Typen, die in ihrer Summe die Multikulti-Gesellschaft Berlins ausmachen, mit interessiertem und amüsiertem Blick zu mustern. So werden - immer anhand real existierender (oder existiert habender) Personen - Geschichten erzählt vom kalten Sprung vieler Osteuropäer in den Kapitalismus (der Ausgang entsprechend dem Einfallsreichtum und der Anpassungsfähigkeit der Akteure), von den mitunter ziemlich kreativen Methoden um zu einer deutschen Staatsangehörigkeit zu gelangen, von dem Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft auf engem Raum, vor allem aber von kuriosen und skurrilen Ereignissen im Leben kurioser und skurriler Neo- und auch Altberliner.
So interessant die dabei vermittelten Einsichten über deren gesellschaftliche, politische, mentalitätsmäßige und sonstige Verwirrungen sein mögen, wirklich herausragend an dem Buch ist des Autors anscheinend angeborener Blick für das Absurde - eine Art positiver Fatalismus -, der alle Dinge, die er berührt, tendenziell als einzigartige Fänomene wahrnimmt und in einem heiteren, liebenswürdigen Licht badet. Ein dementsprechend großes Lesevergnügen ist auch des Autors Schreibstil, welcher bewirkt, dass das von ihm beschriebene Berlin letztlich zum pars pro toto für das Tollhaus Welt gerät, mit seinen zahlreichen Völkerschaften, Kulturen und Originalen als Insassen.
(fritz;
april 01)
Wladimir Kaminer: "Russendisko"
Manhattan-Verlag. 192 Seiten.
ISBN 3-442-54519-6.
ca. EUR 18,-.
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