Urs-Beat Frei, Fredy Bühler: "Der Rosenkranz"
Andacht · Geschichte · Kunst
Im bedeutendsten Herrenwort über das
Gebet wird das "freie", also auf Formeln bzw. auf einen vorgegebenen Text verzichtende
Beten ausdrücklich als "heidnisch" bezeichnet. Als taugliche Alternative hiezu
überliefert Christus sodann das "Vater
Unser". Nun ist dieses einzige Gebet des Herrn kein sehr langes. Wollten
die älteren Christen länger beten, so hatten sie neben der Wiederholung bzw.
Aneinanderreihung von Vaterunsern die Möglichkeit, auf alttestamentarische Psalmen
zurückzugreifen, was jedoch entweder die Fähigkeit des Lesens bzw. des Auswendig-Wissens
erforderte. Beides war den ungebildeten Schichten, also den Massen, verwehrt,
weshalb im Mittelalter als expansives Wiederholungsgebet der Rosenkranz entwickelt
wurde. Dieses Gebet wurde zum Hauptgebet der Katholiken. "Beten" war sozusagen
gleichbedeutend mit "Rosenkranz-beten". Erst im vergangenen Jahrhundert ging
die Bedeutung dieses Gebets stetig zurück, die Ursachen hiefür waren recht mannigfaltig
und teilweise auch komplex, im wesentlichen aber liegt ihnen die selbe Entwicklung
zugrunde, die
zum Zweiten Vatikanischen Konzil geführt hat. Heute ist der Rosenkranz
nur mehr noch ein
Gebet, eine Meditationsform unter vielen gleichrangigen.
Gleichzeitig war auch eine eigendynamische Vergegenständlichung des Gebets,
also in der gleichnamigen als Zählgerät dienenden GebetsKETTE zu beobachten.
Aus dem Behelf entwickelte sich immer mehr ein Gegenstand mit Eigenfunktion,
etwa als Bildträger, als Amulett oder gar als repräsentativer Wertgegenstand.
Erstmals bringt diese Publikation das aus dieser Gebetskette abgeleitete Phänomen
"Rosenkranz" aus der Sicht verschiedener Disziplinen zur Darstellung: Frömmigkeits-,
Ordens-, und
Kirchengeschichte, vergleichende
Religionswissenschaft, Kunst- und Schmuckgeschichte, Volkskunde, Psychologie,
Literatur- und Musikwissenschaft. Die behandelten Aspekte sind äußerst vielfältig:
Neben dem umfassend gewürdigten "Englischen Gruß" des Veit Stoß in der St. Lorenzkirche
zu Nürnberg, neben verschiedenen Varianten regionalster Volksfrömmigkeit werden
auch brisante Themen, wie etwa die dunklere Seiten des
Marienkults,
etwa dessen Zusammenhang mit dem Wahnsinn der Hexenverfolgungen, welche zumindest
teilweise an Marienverehrungsorten überdurchschnittlich heftig erfolgten, nicht
ausgespart. Die Darstellung ist fernab aller Sektiererei durchaus in wissenschaftlicher
Qualität gehalten, weshalb sich das Buch eher an Intellektuelle als an klassische
Exponenten der erwähnten Volksfrömmigkeit richtet, also sicherlich nicht an
die Mehrzahl der Rosenkranzbeter.
Aber dies trägt sicher nicht zur Reduzierung des
potenziellen Leserkreises bei, denn auch dem Rosenkranz grundsätzlich
Fernstehende werden in diesem Buch äußerst viel Interessantes und Faszinierendes
entdecken, nicht zuletzt in dessen letztem Teil, in welchem die private
Rosenkranzsammlung des Schweizers Fredy Bühler präsentiert wird, wodurch dieses
übrigens nicht nur auf diesen letzten gut 100 Seiten, weist es doch auf 480
Seiten immerhin 314 Abbildungen auf, zum durchaus prachtvollen und aufwändigen
Bildband mutiert.
Ein Buch also, das allen christlichen Lesern
ungeachtet deren spezifischeren Ausrichtung nur wärmstens empfohlen werden
kann.
(Franz Lechner; 12/2003)
Urs-Beat Frei, Fredy Bühler: "Der
Rosenkranz"
Benteli, 2003. 496 Seiten, über 250
farbige und über 230 sw-Abbildungen.
ISBN 3-7165-1300-8.
ca. EUR 49,-.
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Urs-Beat Frei, geboren 1956, studierte Philosophie, Theologie sowie Kunstwissenschaft in Luzern, München und Paris. Er ist Spezialist für Sakralkultur, Dozent für Philosophie und Leiter des Museums Bruder Klaus in Sachseln.