Klaus v. Herbers, Helmut Neuhaus (Hrsg.): "Das Heilige Römische Reich"

Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806)


Ein wertvoller Beitrag zum Verständnis dieses eigentümlichen politischen Gebildes

Wie bei vielen seiner frühen Kaiser ist der Todeszeitpunkt des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation wohl bekannt (6. August 1806), während man über seine Geburt nur spekulieren kann: War Karl der Große der erste Kaiser dieses Reichs, das immer ein reichlich sonderbares, schwer fassbares Gebilde blieb, oder entstand es - wofür sich die Autoren des vorliegenden Buchs aussprechen - 843 durch die Dreiteilung des Karolinger-Reichs?

Wie auch immer, auf dem Territorium des Reichs mit seinen pulsierenden Grenzen spielten sich tausend bedeutsame Jahre europäischer Geschichte ab. Viele Ereignisse aus jener Zeit wirken heute mehr oder weniger spürbar nach. Trotzdem wissen die meisten Menschen, auch Geschichtsinteressierte, wenig darüber.

2006 jährt sich das Ende des Heiligen Römischen Reichs zum zweihundertsten Mal, ein idealer Anlass, um das Reich, das nie ein Staat war oder eine Nation, auch kein Staatenbund, begreiflicher und bekannter zu machen. Die Autoren des Buchs setzen vor allem auf die Städte, Pfalzen und sonstigen Orte, in denen das alte Reich lebendig war und seine Konturen erhielt. Denn die Verlagerung der bedeutsamsten Städte von Aachen in Richtung Prags und Wiens, also nach Südosten, kennzeichnet die voranschreitende Schwächung und schließlich den Untergang des Reichs. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch zunehmende territoriale Interessen der Kaiser.

Die Orte schrieben Geschichte und setzten Meilensteine für eine letztlich verhängnisvolle Entwicklung: Friedrich II., der sich auf sein sizilianisches Erbe konzentrierte und das Kerngebiet nördlich der Alpen mehr oder weniger sich selbst überließ, leitete sie bereits ein. Die Zersplitterung setzte sich vor allem nach der Reformation fort, als der Glaube das Reich spaltete und es zum Dreißigjährigen Krieg kam, der das Reich außenpolitisch nachhaltig schwächte. Paktieren der zahllosen, durch den Westfälischen Frieden und weitere Erlasse gestärkten kleinen Fürstentümer und Verfolgung der Expansion dienender Interessen machten das Reich und den Kaiser letztlich obsolet. Ein abschließendes Kapitel schildert die romantisch verklärten Wünsche nach einer Wiedererrichtung des Reichs, aber auch pragmatische Konsequenzen, zu denen das Paulskirchenparlament gehört.

Die allgemeinverständlich und keineswegs trocken verfassten Texte erläutern gut nachvollziehbar die Ursachen für den langen, nur selten durch Geniestreiche aufgehaltenen Abstieg des Reichs nach seiner kurzen Glanzzeit. Sie stützen sich, wo möglich, auf modernste Erkenntnisse der Geschichtsforschung. Fast auf jeder Seite finden sich klug zusammengestellte Illustrationen, vielfältige Abbildungen der für das Reich oder einen der Protagonisten wichtigen Orte, Persönlichkeiten, schriftlichen Quellen und so weiter. Karten und Übersichten ergänzen ideal den Text. Stammtafeln der Kaiser zeigen die dynastischen Zusammenhänge auf, ebenso gibt es im Anhang sehr nützliche Tabellen mit den biografischen Eckdaten der römisch-deutschen Kaiser, Könige und Kurfürsten sowie ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis und mehrere Register.

Die Aufmachung, sowohl die verwendeten Materialien als auch die Druckqualität insbesondere der vielen Bilder, kann nur gelobt werden. Auch sprachlich lässt das Werk nichts zu wünschen übrig. Fazit: Eine Zierde fürs Regal und eine wichtige Grundlage für geschichtliche Allgemeinbildung.

(Regina Károlyi; 12/2005)


Klaus v. Herbers, Helmut Neuhaus (Hrsg.): "Das Heilige Römische Reich"
Böhlau, 2005. 343 Seiten, ca. 250 schwarz-weiß Abbildungen, ca. 40 farbige Abbildungen auf 32 Tafeln.
ISBN 3-412-23405-2.
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