Belinda Rodik: "Der letzte Troubadour"
Nicht heiß, nicht kalt -
lau
Frankreich während des Hundertjährigen Krieges. Ein Baby wird vor
den Toren eines Klosters gefunden. Der Knabe, Tristan de Montcour, wächst im
Kloster auf und wird zu einem großartigen Sänger ausgebildet. Als man seinen
Knabensopran operativ sicherstellen will, nimmt ihn sein bester Freund und
flüchtet mit ihm aus dem Kloster. Die Beiden versuchen sich durch Musik ihren
Unterhalt zu verdienen und müssen schon bald feststellen, dass das Leben
außerhalb der Klostermauern wesentlich mehr Gefahren bereit hält als
innerhalb.
Bereits bald darauf verliebt sich der Jüngere der beiden - Tristan
- in die Tochter eines Burgherren, und so erhält er eine Aufgabe gestellt, die
ihm ihre Hand verspricht, wenn er zu einem Rittergut käme.
Er bricht auf und
wird zum beliebtesten Troubadour Frankreichs. Hierbei erlebt er viele Abenteuer
und ebenso viele Höhen und
Tiefen,
bis das Buch in einem Schlusskapitel zu Ende geht, das kitschiger in keinem
Hollywood-Film sein könnte. Insgesamt ist die Geschichte nicht sonderlich
großartig - aber auch nicht schlecht. Zugegeben etwas schmalzig, aber wenn man
dergleichen mag, ist das ja auch kein Problem.
Stilistisch und sprachlich
kann man Belinda Rodik nichts vorwerfen. Sie schreibt ordentlich, erlaubt sich
keine Anachronismen und hat offensichtlich sehr gründlich recherchiert. Aber
auch hier gilt: Sie hat ein handwerklich einwandfreies Werk abgeliefert, jedoch
fehlt das Herausragende. Mit den Charakteren verhält es sich ähnlich. Rodik
erlaubt sich keine Schwächen bei der Darstellung, aber leider gelingt ihr auch
hier keineswegs, an große Literatur anzuschließen.
Insgesamt kann man
also sagen, das Buch ist wirklich sauber gearbeitet, es hinterlässt keinen
schlechten Eindruck - mal abgesehen von dem vorhersagbaren und überaus
kitschigen Ende. Andererseits gibt es allerdings auch keine Teile des Buches,
die aus der grauen Masse herausragen. Keine Schwächen, aber auch nicht großartig
- eben lau.
(Reinhold Stansich; 12/2004)
Belinda
Rodik: "Der letzte Troubadour"
dtv, 2004. 400 Seiten
ISBN 3-423-24433-X.
ca. EUR
15,00.
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Belinda Rodik wurde 1969 in
Oberösterreich geboren. Sie arbeitete als Journalistin
und Werbetexterin und lebt heute als freie Autorin in Gütersloh. Bereits ihr
erster historischer Roman "Trimalchios Fest" (2001) wurde ein großer Erfolg.
Belinda Rodik veröffentlicht außerdem Kurzkrimis und Kinderbücher. Netzseite
der Autorin:
https://www.belindarodik.de/
Weitere Bücher von
Belinda Rodik:
"Trimalchios
Fest"
Der junge Nikolaus Pirment, geboren
in
den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, besitzt ein einzigartiges Talent:
Er ist ein begnadeter Koch. So darf er in der Küche der Klosterschule, die er
besucht, sein Latein aus den Kochbüchern der Antike lernen. Nach Kriegsende
führt ihn sein Weg aus einem Wirtshaus in die kurfürstliche Küche in
München
- in eine Welt voller Prunk, Feiern und üppiger Gelage mit wundervollen Dekorationen.
Doch erst am Hof Ludwig XIV. in Versailles beschließt Nikolaus Pirment, seinen
Lebenstraum zu verwirklichen: Er will ein rauschendes Fest der Sinne veranstalten,
das dem seines antiken Vorbilds Trimalchio ebenbürtig ist ... (Lübbe)
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"Der Triumph der Visconti"
Als der verhasste
Herzog Filippo Maria Visconti in einer Gewitternacht ums Leben kommt, rufen die
Bürger von Mailand die Republik aus. Doch es gibt eine Erbin: Bianca Maria, die
vom Herzog legitimierte uneheliche Tochter. Als Dreizehnjährige wurde sie mit
dem Söldnerführer Francesco Sforza vermählt. Sforza rüstet ein Heer, um das
Recht seiner Frau zu erzwingen. Bald steht er vor den Toren der Stadt. Wie wird
das Volk von Mailand sich entscheiden?
Dies alles und mehr hat der Künstler
Bonifazio Bembo in den Spielkarten aufgezeichnet, die er nach dem Vorbild der
trionfi, der großen Festumzüge, gestaltet hat: die Liebenden, den Turm,
das Rad des Schicksals. Er allein weiß, was sie bedeuten. Da stößt er auf andere
Karten, die nicht von seiner Hand stammen und deren Bilder eine andere
Geschichte erzählen: Wer ist der Gehängte, wer der Teufel, der hinter allem
steckt? Ein Rätsel, das Bonifazio lösen muss, weil nicht nur sein eigenes Leben
davon abhängt, sondern auch das Schicksal von Bianca Maria.
Mitte des 15.
Jahrhunderts entstanden in Oberitalien die ersten Tarot-Karten, kostbare
Blätter, mit Gold verziert, die auf den Inventarlisten der Fürsten als
wertvolles Besitztum geführt werden. In dem ältesten Kartenspiel dieser Art, dem
"Visconti-Sforza-Tarot", finden sich Hinweise auf Personen und Geschehnisse
jener Zeit. Die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, hat Belinda Rodik in
ihrem Roman rekonstruiert. (Lübbe)
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Leseprobe:
In der
Zelle war es eng und kalt. Nur eine
Kerze warf ihr flackerndes Licht in einem
winzigen Kegel an die Wand und erinnerte ihn daran, dass draußen womöglich die
Sonne vom Himmel lachte oder der
Mond sanft auf die
Erde herablächelte. Er hatte jedes Gefühl für die Zeit verloren. Das Leben
außerhalb der Zelle schien ihm so weit weg wie der Mond, dennoch konnte er nicht
sagen, dass er sich wirklich unbehaglich fühlte. Er würde also seine Strafe
absitzen. Einmal am Tag kam einer der Brüder und reichte ihm durch das kleine
Loch in der Tür frisches
Brot und
Wasser herein. Und irgendwann würden sie ihn wieder herausholen und das Leben
konnte weitergehen.
In der Zwischenzeit übte er sich darin, die Liedtexte
nicht zu vergessen, Melodien zu erproben und zu variieren so lange, bis er sie
für gut befand. Das Einzige, was ihm zwischenzeitlich Kummer bereitete, war der
Gedanke an Ponce. Tristan wusste um die Angst des Freundes, und es tat ihm Leid.
Er würde die nächsten Wochen keine Messe versäumen und Ponce damit das Gefühl
geben, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Denn er konnte sich auf ihn
verlassen. Es war nur alles ein wenig unglücklich verlaufen. Es würde ihm schwer
fallen, die Messen in seinen übervollen Stundenplan zu integrieren, aber die
Freundschaft zu Ponce und dessen Vertrauen waren ihm wichtiger als der
Unterricht an Fidel, Zimbel, Drehleiter oder Zither. Ja, wenn er es recht
bedachte, war ihm Ponce so wichtig wie das Singen. Und den Gesang brauchte er
wie die Luft zum Atmen.
Tristan schickte einen liebevollen Gedanken an seinen
besten Freund, lehnte sich an die kalte Mauer und lenkte seine Gedanken wieder
auf die Lieder der Galiarden, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen
wollten.
"Du fragst dich nach des Lebens Sinn?!"
Bruder Rufus' Stimme
überschlug sich, als er in die Zelle stürmte. Tristan zwinkerte benommen, der
Lichtstrahl, der mit Bruder Rufus in die Zelle drang, blendete ihn. Bruder Rufus
schlug die Tür hinter sich zu. Seine Augen quollen beinahe aus den Höhlen, eine
Ader pochte so stark auf seiner Stirn, dass Tristan dachte, Bruder Rufus würde
auf der Stelle zerplatzen. Tristan konnte ein Kichern kaum unterdrücken und
wusste im selben Augenblick, dass er mit dem Schlimmsten zu rechnen
hatte.
Bruder Rufus war mit einem Schritt bei ihm, riss ihn hoch, schüttelte
ihn und schleuderte ihn wieder zu Boden.
"Hoch mit dir!"
Tristan rappelte
sich auf und klopfte sich das Stroh von der Kutte.
"Du fragst nach dem Sinn
des Lebens?" Kaum hörbar presste Bruder Rufus die Worte zwischen seinen Lippen
hervor.
Tristan war jetzt auf der Hut. Je leiser Bruder Rufus wurde, desto
gefährlicher. Stumm sah er Bruder Rufus in die Augen.
Der ballte die Rechte
zur Faust und schlug zu. Tristan kippte zur Seite, ein überraschter Pfeifton
entwich seinen Lippen.
"Das ist der Sinn deines Lebens."
Bruder Rufus
holte erneut aus. Der nächste Schlag traf Tristan im Fallen im Gesicht. Er sah
einen grellen Blitz und fühlte, wie sich ein warmes Rinnsal einen Weg von der
Nase über das Kinn hinunter zum Hals bahnte und er keine Luft mehr
bekam.
"Der Sinn deines Lebens ist es, uns zu gehorchen. Der Abtei zu dienen.
Du gehörst uns. Uns allein. Und wenn du es noch einmal wagst ..."
Er ließ den
Satz unvollendet und Tristan schluckte hart seine Tränen hinunter, seine Wut,
seinen Schmerz. Später. Später. Später. Später kannst du heulen. Später.
"Du
siehst aus wie ein Engel. Dein Haar
glänzt in der Sonne wie pures Gold. Mit deinen braunen Augen wirst du noch manch
sündiges Weib betören können. Und deine Stimme scheint nicht von dieser Welt.
Aber lass dir eines gesagt sein, Engel ..." Er spie Tristan das Wort "Engel"
beinahe entgegen, beugte sich so dicht zu ihm hinunter, dass Tristan sich
unwillkürlich abwenden wollte, aber Bruder Rufus fasste ihn schnell mit zwei
Fingern am Kinn, drehte sein Gesicht zu seinem, kniff die Augen zu Schlitzen
zusammen und sagte drohend: "Engel können tiefer fallen, als Menschen es je
vermögen. Vergiss das nie."
Mit diesen Worten ließ er von ihm ab, richtete
sich auf, schüttelte verächtlich den Kopf und verließ die Zelle. Bruder Rufus'
Schritte hallten im Flur. Der merkwürdige Rhythmus seines Hinkens bohrte sich in
Tristans Kopf.
Langsam sank Tristan in sich zusammen. Erst als Bruder Rufus'
Schritte nicht mehr zu hören waren, warf er sich bäuchlings auf den Boden und
schrie seinen Zorn über die Demütigung lauthals heraus.