Edith Glatz: "Die Funktion des literarischen Zitats im psychiatrischen Werk von Erwin Ringel"


Interessante Publikation zum Werk Erwin Ringels

"Für manche Leser wird sich aus der vorliegenden Publikation über Erwin Ringel ergeben, dass sie ihre Ansichten zu Alltagsrealitäten ändern, und auch der Blick auf die Literatur wird eventuell durch neue Aspekte erweitert werden."

Dies schreibt die Autorin Edith Glatz in ihren Schlussgedanken zu "Die Funktion des literarischen Zitats im psychiatrischen Werk Erwin Ringels". Ich kann dem durchaus zustimmen, auch bei mir hat die Lektüre des Buches Eindruck hinterlassen, gab mir Anregung, mich näher mit der Person und dem Werk Erwin Ringels zu befassen.

Neben einer Einleitung, in der die Autorin einige allgemein gehaltene Informationen zu Erwin Ringel gibt und uns Lesern auch die Konzeption ihres Buches erläutert, gliedert sich das vorliegende Werk in fünf größere Abschnitte. Die Themen dieser fünf Abschnitte sind die österreichische Seele, Erziehung, Gemeinschaft, Selbstmord und das Alter. Die zentrale Stelle, auch vom Seitenumfang her, nimmt dabei das Thema Selbstmord ein. Die Selbstmordverhütung, die Erforschung des präsuizidalen Syndroms, wie Ringel es nannte, war von Anfang an zentrales Anliegen und Thema seiner wissenschaftlichen Studien. Obwohl Erwin Ringels Psychologie uneingeschränkt lebensbejahend war, hat er dem Menschen das Recht auf die Selbsttötung, das die christliche Lehre ihm ja verwehrt, nie ganz abgesprochen. Im Vordergrund stand natürlich die Prävention und dazu, als ein Hilfsmittel also, um existenzielle Krisen des Menschen bewältigen zu können, benutzte er das literarische Zitat. Ringel durchforstete also die Literatur, namentlich die deutschsprachige Literatur nach Texten und Inhalten, die für eine psychiatrische Therapie oder auch für die allgemeine Lebensgestaltung hilfreich sein können.

In zahlreichen Beispielen veranschaulicht uns Edith Glatz die Vorgehensweise Erwin Ringels, zeigt auf, wie eine gedichtete, eine in Versform verdichtete Aussage (deshalb auch steht das lyrische Zitat eindeutig im Vordergrund) seelische Problematik oft überzeugender und eindringlicher aufzuzeigen weiß als der Wissenschaftsjargon des Arztes. Das intuitive Erfassen feinster psychologischer Schwingungen sowie seine Sprachbeherrschung befähigen den Dichter, direkt zum Kern des Problems vorzustoßen, ihn klar herauszuschälen, indem er praktisch auf eine pointierte Aussage gespießt wird.

Edith Glatz gibt dem Leser auch Interpretationshilfen, sie deutet die als Beispiele angeführten Gedichte und Zitate und stellt ihre Deutung in einen Zusammenhang mit Erwin Ringels Psychologie. An dieser Psychologie beeindruckt immer wieder die Menschlichkeit und Toleranz Erwin Ringels sowie sein unerschütterlicher Optimismus; die Vorbildfunktion, die er zeitlebens ausübte, indem er trotz persönlicher Schicksalsschläge und körperlicher Gebrechen auch im Alter noch bereit war, die Zukunft anzunehmen und aktiv zu gestalten. Neben der Suizid-Problematik fand ich übrigens das Kapitel über das Alter besonders bemerkenswert, das ja eng mit der Problematik des präsuizidalen Syndroms verknüpft ist und durch das sich immer mehr verändernde Generationen-Verhältnis eine besondere Aktualität erfährt.

Im Anhang sind sämtliche Werke, aus denen zitiert wird, noch einmal in voller Länge wiedergegeben, außerdem eine Bibliografie über Primärliteratur sowohl von Erwin Ringel als auch von den zitierten Dichtern und eine weitere Bibliografie über Sekundärliteratur. Ein Namensregister rundet das Ganze ab.

Ein aufmunterndes, lebensbejahendes Buch in der Tat. Lesenswert!

(Werner Fletcher; 05/2006)


Edith Glatz: "Die Funktion des literarischen Zitats im psychiatrischen Werk von Erwin Ringel"
Verlag Königshausen & Neumann, 2006. 219 Seiten.
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Mehr als 200.000 Exemplare wurden von diesem ursprünglich im Europa-Verlag erschienenen Titel verkauft. Noch heute ist dieses Buch in den Köpfen der Menschen präsent, und der Begriff der "österreichischen Seele" hat in den allgemeinen Sprachschatz Eingang gefunden. Die Neuauflage soll auch einer neuen Generation von Lesern die Gelegenheit geben, diese wunderbar scharfsinnige, präzise, schonungslose und doch liebevolle Analyse der österreichischen Befindlichkeit zu lesen. (Kremayr & Scheriau)
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Angela Ringel (Hrsg.): "Österreichs verwundete Seele. 20 Jahre nach Erwin Ringel"
Eine Standortbestimmung des Zustands der österreichischen Seele zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Zwanzig Jahre nach Erscheinen der "Österreichischen Seele" gab Angela Ringel-Ferdinandy dieses von bedeutenden österreichischen Denkern gezeichnete Psychogramm des Landes heraus.
Die Autoren:
DDr. Ludwig Adamovich, Univ. Prof. für Österreichisches Verfassungsrecht, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften.
Dr. phil. Hubert Christian Ehalt, Univ. Prof., Wissenschaftsreferent der Stadt Wien.
Dr. med. Max Friedrich, Univ. Prof., Vorstand der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Lehranalytiker.
Dr. jur. Udo Jesionek, Univ. Prof., jahrzehntelang Präsident des Jugendgerichtshofs.
Peter Pawlowsky, Journalist, Buchautor, viele Jahre lang leitend im ORF tätig. Zahlreiche Publikationen.
DDr. phil. Anton Pelinka, Univ. Prof., Institutsvorstand des Instituts für politische Wissenschaften in Innsbruck. Zahlreiche Buchpublikationen.
Dr. phil. Angela Ringel-Ferdinandy, Psychotherapeutin, Lehranalytikerin, Witwe Prof. Erwin Ringels.
Dr. phil. Wendelin Schmidt-Dengler, Univ. Prof., Leiter des Österreichischen Literaturarchivs, zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
Dr. phil. Kurt Scholz, langjähriger Stadtschulrats-Präsident in Wien, seit 2001 Sonderbeauftragter der Stadt Wien für Restitutions- und Zwangsarbeiterfragen. Zahlreiche Publikationen.
Peter Turrini, Jahrgang 1944, freier Schriftsteller in Wien und Retz. Zahlreiche Theaterstücke, Reden und Essays, Gedichtbände. Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt.
Dr. med. H.G. Zapotoczky, Univ. Prof. an der Universitätsklinik für Psychiatrie der Karl-Franzens-Universität Graz. Zahlreiche Publikationen.
Erwin Ringel, der berühmte Durchschauer der österreichischen Seele, hat diese in seinem berühmten Buch minuziös durchleuchtet. Wie sieht es mit ihr aus, zehn Jahre nach Ringels Tod? Kurz und bündig: Ringels Vision wurde von einer makabren Wirklichkeit überholt, das Szenarium ist schlimmer, als Ringel es gezeichnet hatte. Dazu nehmen nun in diesem Band wichtige Denker des beginnenden 21. Jahrhunderts Stellung:
H.G. Zapotoczky stellt die Frage, ob in Österreich auch nach der Jahrtausendwende die Neurosen blühen.
Peter Turrini denkt darüber nach, was Österreicher heutzutage verdrängen.
Hubert Christian Ehalt sucht die Spuren des Wertewandels in der Alpenrepublik.
Wendelin Schmidt-Dengler, der große Germanist, sieht ein wesentliches Thema in dem Phänomen "Sprachlos - beziehungslos - hoffnungslos".
Peter Pawlowski wundert sich (oder nicht mehr) über den Zustand der Kirche in Österreich.
Max Friedrich, der Kinderseelen wie kein Zweiter zu deuten weiß, stellt die Frage: Wie geht es den Kindern hier und heute?
Anton Pelinka sieht ein Spannungsfeld zwischen Selbstbild und Fremdbild und sucht nach dem Idealbild des Österreichers.
Udo Jesionek untersucht das Strafbedürfnis der Alpenrepublikaner.
Und Kurt Scholz ortet ein Behagen in der Unkultur.
Aus dem Nachlass Erwin Ringels kann man im Buch eine bisher unveröffentlichte Arbeit über das Problem der Österreicher mit Ausländern lesen.
Einbegleitet von Ludwig Adamovich schließt sich der Bogen mit einem Aufsatz von Angela Ringel-Ferdinandy. (Kremayr & Scheriau)
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