E. A. Richter: "Eurotunnel"
Gedichte
Grafiken von Waltraud
Palme
Schmucke Bände, in denen Wörter und Bilder
über ihr jeweiliges Eigenleben hinaus zwischen Buchdeckeln zu einem möglichst
stimmigen Gesamteindruck zusammenfinden, haben Tradition; man denke beispielsweise
an Georg Trakls
"Offenbarung und Untergang", meisterlich von Alfred Kubin mit Federzeichnungen
illustriert.
Gedichte wie
Illustrationen sind idealerweise subtile Momentaufnahmen, Raumzeitkonserven,
mitunter launige Schnappschüsse oder auch gediegene Stilleben, angetan, im Leser
bzw. Betrachter nachzuhallen.
Der edel aufgemachte Band "Eurotunnel",
erschienen in der Literaturedition
Niederösterreich, verführt anhand
stimmungsvoller, detailverliebter Texte und Bilder zum (zumindest gedanklichen)
in die Ferne Schweifen oder auch zum Schwelgen in
Reiseerinnerungen.
Anfang 2006 erregte der deutsche Schriftsteller
Alban Nikolai
Herbst mit einer innovativen Aktion Aufsehen: Bei einem
Internet-Auktionshaus versteigerte er nämlich eine Figur seines im Entstehen
begriffenen Romans "Argo. Anderswelt". Das originelle Angebot
lautete:
"Ich bin ein deutscher Schriftsteller und versteigere an den
Höchstbietenden die Rolle in einem Roman. Die Rolle kann Ihren Wünschen
entsprechen und Ihren Namen tragen; Sie können etwas sein, was Sie immer schon
sein
Den Zuschlag erhielt
schließlich ein Zunftkollege, eben der 1941 geborene österreichische Bildinstallationskünstler, Drehbuchautor und
Schriftsteller E. A. Richter, welcher sich
nun für 645 Euro als "liebevoll gestaltete Nebenfigur" eingebracht bzw. verewigt
wissen darf.
("E. A. Richter. Die erste Erwähnung. Argo. Anderswelt.
(202): 'Mit dabei waren ferner der alte EA Richter, der so wenig hatte
zurückbleiben wollen wie Pal; des weiteren Lysianassa und Shakti, sowie drei
weitere Amazonen.'" Quelle: Alban Nikolai Herbsts Netzseite; Eintrag vom 07.
Februar 2006.)
EUROPE Europa ist zu sehn wie immer bei klarem Wettter. Ich wünsch mir keinen Tunnel zur schnelleren Durchfahrt auch keinen Flug auf dem Rücken von Möwen keinen Wolkenbruch Fenstersturz keinen erleuchtenden Schlag auf den Kopf. Es gibt keine Allegorien oder Metaphern die Heimkehr erklären. Vielleicht genügt es schon als Trost die vorhersehbare Katastrophe nicht zu leugnen. Mit geblähten Gummischotten fährt das Nachbarschiff knatternd und sprühend an Land senkt sich da wo ich zuhaus sein will nieder aufs besudelte Leintuch |
Der studierte Germanist und
Historiker E. A. Richter, von 1970 bis 1995 Redakteur der literarischen
Zeitschrift "Wespennest", tritt seit 1986 auch unter dem Pseudonym RICHTEX
als "Bildner und Realisator" in Erscheinung, und der Band
"Eurotunnel" stellt ein weiteres ausdrucksstarkes Gemeinschaftswerk
mit der 1959 in Wien geborenen, seit 1984 als Künstlerin tätigen Waltraud
Palme dar. |
Der Eurotunnel als solcher ist ein etwa
50 Kilometer langer Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal, welcher es
passionierten Zugfahrenden seit seiner Eröffnung am 6. Mai 1994 ermöglicht, von
Nordfrankreich nach England zu gelangen. Kein allzu inspirierendes Gebilde also,
jedoch nimmt die künstlerische Fantasie gewissermaßen das Licht am Ende des
Tunnels wahr, und schon ist - im übertragenen Sinn - Land in Sicht. Ein
Land, das E. A. Richter zu poetischen Schilderungen ebenso wie zu
kritischen Reflexionen und autobiografisch angehauchten Assoziationsketten
anregte. Vor allem im vierten, m.E. tiefgreifendsten und wertvollsten Abschnitt
lässt das lyrische Ich hinter die Kulissen blicken, verlagert die Erlebniswelt
nach innen, schenkt dem aufmerksamen Leser solcherart einen Fahrschein für die
Reise durch den "Richtertunnel".
Waltraud Palme gestaltete aus u.a.
Acryl, Kleister, Kreide und Tinte flächige Collagen, kontrastreiche
Schwarzweißabbildungen, deren Figurendarstellungen gelegentlich feingestrichelte
Zeichnungen, wie man sie aus bejahrten Ethnologiebüchern kennt, aufgreifen,
jedoch mitunter auch zeitgenössische Details oder figurative Symbole aufweisen
und thematisch vorwiegend Menschenporträts sowie Tierbilder behandeln.
Ein zweiseitiger Anmerkungsapparat zum Hintergrund einiger
Texte, ein Inhaltsverzeichnis in Form der Gedichttitel sowie Kurzbiografien der
beiden kooperierenden Künstler komplettieren den Band, der wohl in erster Linie
Lyrikfeinspitzen mit ausgeprägter Vorliebe für das Sichtbare oder auch
Englandbegeisterten, die Freude am Wiedererkennen und Vergleichen haben, zu
empfehlen wäre.
(kre; 02/2006)
E. A. Richter: "Eurotunnel"
Grafiken von
Waltraud Palme.
Literaturedition
Niederösterreich, 2005. 126 Seiten.
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Lien: https://www.waltraud.palme.ist.org/
E. A. Richter: "Obachter"
Gedichte.
Vom Geschehen erfasst, folgt der Obachter den Impulsen seines
Bewusstseins. In den unkontrolliert kaskadierenden Bild- und
Gedankenfolgen brechen verschüttete Momente auf.
Im Zentrum von E. A. Richters Obachter-Gedichten steht der alternde
Körper mit seinen noch immer jungen Erinnerungen und vitalen
Empfindungen. Meist ist es unscheinbar Alltägliches - ein
Morgenschimmer, der Streit mit einer Geliebten, die eigenen Haare, der
Schweiß, Nachtgestalten -, über das sich das obachtete Hier
und Jetzt in die Vergangenheit und Zukunft verzweigt: hin zum Geruch
der Großmutter, zur Kindheit und zur bereits bedrohlich mahlenden
"Knochenmehlmaschine".
Leicht im Rhythmus, stark in den Bildern, empfindsam und ungeschminkt
im Erzählen: Gedichte vom Altern, von der Lebenslust und all dem,
was war, nicht war und hätte sein können.
E. A. Richter, geb. 1941 in Tulbing, lebt
in Wien. Von 1970 bis 1986 Redakteur der Zeitschrift Wespennest,
von !986 bis 1998 war er unter dem Namen Richtex als bildender
Künstler tätig (Installationen, synergetische und
Video-Projekte). Seit 1973 erschienen mehrere Gedichtbände und ein
Roman, zuletzt: Das leere Kuvert (2003), Eurotunnel (2005)
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